Wenn Notenbanken der Politik zum Opfer fallen

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Amerika tut es. Japan tut es. Und Frankreichs Präsident Hollande hätte gerne, dass auch Europa es tut: unbegrenzt Geld drucken. Aber Deutschland und die EZB halten dagegen, was sich als Glücksfall erweisen dürfte.

Wien. Während die Schuldentürme der (westlichen) Staaten weiter in den Himmel wachsen, geraten die Notenbanken zunehmend unter Druck, den Wünschen der jeweiligen Regierung zu entsprechen und ihre Geldpolitik weiter „zu lockern“. Sprich: einfach mehr Geld zu drucken.

Der jüngste Extremfall ist Japan. Der neue Regierungschef Shinzo Abe hat immer wieder unmissverständlich damit gedroht, die Unabhängigkeit der Notenbank einfach abzuschaffen. Er will, dass die Bank of Japan ihr Inflationsziel von einem auf zwei Prozent verdoppelt und unbegrenzt Geld druckt, um die Staatsschulden zu monetarisieren. Und Abe hat sich durchgesetzt. Dienstagabend hat der Notenbankchef Masaaki Shirakawa völlig überraschend seinen Rücktritt angekündigt. Im pflichtbesessenen Japan ein extremer Schritt. Nicht minder extrem waren Shirakawas resignierende Abschiedsworte: Er wolle den Weg frei machen, damit die Regierung die Notenbankspitze komplett mit Leuten besetzen könne, die ihren Wünschen Folge leisten. Es scheint, als sei die Unabhängigkeit der Bank of Japan auch ohne Gesetzesänderung ein Fall für die Geschichtsbücher.

Lockere Geldpolitik in den USA

Und Japan ist kein Einzelfall. Unter der Führerschaft der US-amerikanischen Federal Reserve betreiben die Notenbanken weltweit bereits seit Jahren eine extrem lockere Geldpolitik – die teilweise in der direkten Deckung der Staatsschulden durch die Notenpresse endet, was für einen Zentralbanker eigentlich ein Kapitalverbrechen ist. Denn genau um das zu verhindern, wurden die unabhängigen Notenbanken ja eingerichtet. Zu oft hat die staatliche Gelddruckerei in einem inflationären Desaster geendet. Um das zu sehen, muss man nicht in die Geschichtsbücher schauen. Es reicht ein Blick nach Argentinien, wo aktuell 30Prozent Inflation herrschen und die Regierung Preiskontrollen verhängt hat.

Aber die Krise schreibt ihre eigenen Regeln – und ausgerechnet die viel gescholtene Europäische Zentralbank verfolgt als einzige wichtige Notenbank einen vernünftigeren Kurs. Ihre Notfallmaßnahmen waren nie langfristig angelegt und frisches Geld gab es bisher nur für Banken in Liquiditätsnot. Zwar hat die EZB Staatsanleihen gekauft, aber verglichen mit der Federal Reserve nur in minimalem Ausmaß. Die Ankündigung von EZB-Chef Mario Draghi, notfalls „unbegrenzt“ Anleihen aufkaufen zu wollen, hat zwar große Wellen geschlagen. Aber gekauft hat die EZB seit Monaten keine einzige Staatsanleihe. Im Gegenteil: Da die Banken Notkredite bereits wieder zurückzahlen, schrumpft die aufgeblähte Bilanzsumme der EZB – während die Federal Reserve weiter fleißig Geld druckt.

Hollande wird an EZB scheitern

„Alles paletti in Europa“, sollte man meinen. Sie funktioniert doch, die Gemeinschaftswährung. Aber leider ist Geldwertstabilität nur eine Seite der Medaille. Vor allem Frankreich stößt sich an dem strikten Mandat der EZB. Der sozialistische Präsident François Hollande hätte gerne mehr Kontrolle über die Geldpolitik – wie zu Zeiten des Francs. Er verfolgt die Argumentation, dass eine schwache Währung die Exporte fördere. Deutschland, das für den Euro die legendär stabile D-Mark aufgegeben hat, hält dagegen. Die EZB müsse unabhängig, die Geldpolitik auf Inflationsbeschränkung ausgelegt bleiben. In diesem Punkt sind sich Kanzlerin Merkel, Finanzminister Schäuble, Wirtschaftsminister Rösler und Bundesbank-Chef Weidmann absolut einig. Die Wirtschaft könne nur durch Strukturpolitik und Reformen angekurbelt werden, nicht durch schnödes Gelddrucken.

Tatsächlich ist die derzeit leicht erhöhte Inflation für Hartwährungsländer wie Deutschland, Österreich oder Finnland leichter erträglich als für die Regierungschefs von Frankreich oder Italien der Umstand, dass sie nicht mehr nach Lust und Laune auf die Notenpresse zurückgreifen können, um Wahlversprechen zu finanzieren. Schon Hollandes Vorgänger Nicholas Sarkozy ließ keine Gelegenheit aus, der EZB-Notenpresse ein wenig näher zu kommen (Stichwort Banklizenz für den ESM).

Es kann derzeit aber ausgeschlossen werden, dass Deutschland oder die EZB dem Druck nachgeben werden. Als einzige wichtige Zentralbank nachhaltig auf Geldwertstabilität zu achten, könnte sich noch als das wichtigste Asset der EZB – und damit Europas – herausstellen. Denn das globale Vertrauen in Yen oder Dollar schwindet zunehmend. Wer will schon eine Währung, die auf Teufel komm raus inflationiert wird – und damit ihren Wert verliert?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2013)

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