Reichensteuer "kostete" Frankreich bis zu 70 Mrd. Euro

Reichensteuer Frankreich Milliarden
Reichensteuer Frankreich Milliarden(c) REUTERS (POOL)
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Daten des Euro-Clearingsystems Target 2 deuten auf riesige Kapitalabflüsse aus Frankreich hin, zeigen insgesamt aber eine leichte Entspannung der Eurokrise an.

Die im vorigen Herbst eingeführte Reichensteuer (75Prozent Steuer auf Einkommen über eine Million) hat zu einer riesigen Kapitalflucht aus Frankreich geführt, die im Oktober und November vorigen Jahres bis zu 70 Mrd. Euro aus dem zweitgrößten Wirtschaftsraum der Eurozone hat abfließen lassen. Darauf deuten die Daten des bei der EZB angesiedelten europäischen Banken-Clearingsystems Target 2 hin.

Grenzüberschreitende Zahlungen der Banken im Euroraum laufen über dieses System. Fließt mehr Geld aus einem Land ab als zu, dann entsteht ein negativer Target-2-Saldo, also eine Verbindlichkeit des Landes gegenüber der Euro-Notenbank. Fließt mehr zu als ab, dann entsteht eine Forderung gegenüber der EZB.

Die Entwicklung dieses Saldos zeigt in Frankreich ein eindeutiges Bild: Das Land hatte seine vorher hohen Target-2-Verbindlichkeiten im Vorjahr fast vollständig (bis auf 2,6 Mrd. Euro) abgebaut. Im Oktober wurde dann die Reichensteuer beschlossen – und innerhalb eines Monats schossen die Target-Verbindlichkeiten von 2,6 auf 46 Mrd. hoch, um dann im November noch einmal auf 75 Mrd. Euro zu springen.

Auf diesem Niveau verharren sie seither: Zuletzt war der Target-2-Saldo Frankreichs mit 78,8Mrd. Euro negativ. Ein absolutes Alarmzeichen: Die französischen Verbindlichkeiten gegenüber der EZB liegen damit höher als jene Griechenlands. Nur Spanien und Italien stehen bei der Notenbank noch höher in der Kreide. Dass der Negativsaldo anhaltend so hoch liegt, deutet darauf hin, dass die französischen Banken die Lücke durch den Kapitalabfluss mit Notenbankgeld gestopft haben.

Target-Saldo als Dispokredit

Was durchaus ins System passt: Das Clearingsystem wird derzeit nämlich von Pleitestaaten de facto als Bank für billige Dispokredite benutzt, Geberländer wie etwa Deutschland oder Holland kanalisieren über dieses System offenbar versteckte Hilfskredite, die nirgends aufscheinen.

An sich müsste ein Clearingsystem, das nur zur Zahlungsabwicklung dient, nämlich halbwegs ausgeglichene Saldi aufweisen. Das war bis zum Ausbruch der Finanzkrise 2008 auch der Fall. Seither sind die Ungleichgewichte aber explodiert: Während die Verbindlichkeiten von Griechenland, Spanien und Co. sprunghaft in die Höhe schossen, nahmen die Forderungen der Geberländer Deutschland, Luxemburg, Holland und Finnland ebenso dramatisch zu.

Deutschland hatte in der Spitze Target-Forderungen von mehr als 700 Mrd. Euro gegen die EZB (die im Falle eines Zusammenbruchs der Eurozone verloren gewesen wären). Zuletzt lag die Forderung „nur“ noch bei 588 Mrd. Euro, im selben Ausmaß gingen auch die Verbindlichkeiten der „Club Med“-Länder Spanien, Italien und Griechenland zurück. Dieser partielle Ausgleich gilt als Zeichen dafür, dass sich die Eurokrise etwas entspannt hat. „Ausreißer“ war freilich Frankreich.

Der österreichische Target-2-Saldo ist übrigens stark negativ. Im Vorjahr hat er fast griechische Ausmaße erreicht, seit einem Dreivierteljahr stagniert er bei einem Minus von rund 40 Mrd. Euro.

Österreich stark negativ

Die Erklärung dafür liegt teilweise im Ostgeschäft der heimischen Banken: Da ist offenbar in den Vorjahren viel Geld für Kreditvergaben nach Osteuropa abgeflossen, wobei die Lücke mit Zentralbankgeld geschlossen worden ist. Sonst hätte der Saldo nämlich stärker sinken müssen.

Im Prinzip bedeutet das, dass die Notenbank (und damit der Staat) über das Target-System bei der EZB zusätzlich mit 40 Mrd. Euro in der Kreide steht. Bei einem verschiedentlich geforderten Austritt aus der Eurozone würde daraus eine konkrete Zahlungsverpflichtung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2013)

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