„Sparbuchoma“: Das missbrauchte Argument

Statt vermeintliche Interessen der „kleinen Leute“ zu instrumentalisieren, sollte die SPÖ-Führung unter Werner Faymann den wachsenden internationalen Druck als Chance nützen, um endlich Bankentransparenz in Österreich durchzusetzen.

Obwohl die Regierung Bereitschaft signalisiert, das Bankgeheimnis für Ausländer aufgeben zu wollen, sind sich Kanzler und Vizekanzler einig, es im Inland zu erhalten. Die Regierung will demnach künftig ausländische Finanzbehörden automatisch über die Zinseinkünfte ihrer jeweiligen Staatsbürger in Österreich informieren.

Diese Regelung wird bereits zwischen den EU-Ländern mit Ausnahme von Luxemburg und Österreich seit Jahren angewandt. Wenn sich nun auch Österreich diesem System anschließt – Luxemburg hat schon Bewegung angekündigt –, ändert sich für Inländer vorerst nichts. Konkret: Das Finanzministerium wird zwar in Zukunft Informationen über Ausländer, die in Österreich Steuerflucht begehen, an die zuständigen Behörden weiterleiten, wird jedoch selbst keine Informationen über die Konten und Wertpapierdepots österreichischer Bürger erheben.

Die Kapitalertragsteuer auf Zinsen und neuerdings auch auf Veräußerungsgewinne bei Aktien und anderen Wertpapieren wird nämlich anonym einheitlich mit 25Prozent von den Banken abgeführt. Österreich beginnt also seine Blockadehaltung gegen effiziente internationale Ermittlungsmethoden bei Steuerflucht aufzugeben, hält aber weiterhin eine schützende Hand über potenzielle Steuerhinterzieher im Inland.

Kleine Sparer in Geiselhaft

Sowohl Kanzler als auch Vizekanzler begründen die Beibehaltung des Bankgeheimnisses mit „dem Schutz der kleinen Sparer“. Spindelegger erklärt, „es könne nicht sein, dass jeder beliebig Auskunft über die Ersparnisse eines anderen bekomme“. Faymann ergänzt, „es gehe nicht um das Sparbuch der Großmutter“, aber es sei „ungerecht, wenn sich manche durch komplizierte Konstruktionen ihrer Steuerpflicht entziehen“.

Abgesehen davon, dass der Vizekanzler Tatsachen verdreht und behauptet, eine Aufhebung des Bankgeheimnisses würde zur Veröffentlichung von Kontoinformationen führen (es geht lediglich um einen vertraulichen Informationszugang für die Finanzbehörden), suggerieren beide, dass das Bankgeheimnis im Interesse der Bevölkerung aufrechterhalten werden solle. In Wahrheit profitieren vom Bankgeheimnis für Inländer aber nicht die viel zitierten „kleinen Sparer“, sondern Steuerbetrüger und die organisierte Kriminalität.

Es ist kein Zufall, dass neben dem Steuerrechtsprofessor Werner Doralt auch die Korruptionsstaatsanwaltschaft sowie etliche NGOs die Abschaffung des Bankgeheimnisses sowohl für Inländer als auch für Ausländer fordern.

Die bittere Wahrheit ist, dass das Bankgeheimnis in der jetzigen Form Steuerbetrug und Geldwäsche im Inland begünstigt. Besonders der Umstand, dass die Finanz nur unzureichende Informationen darüber hat, welche Konten welchen Personen oder Firmen zuzuordnen sind, ist problematisch.

Wem nützt das Bankgeheimnis?

Konkret erleichtert es das Bankgeheimnis, die Ermessensspielräume bei der Festsetzung von Unternehmensgewinnen und deren Besteuerung zu nutzen, um unversteuerte Erträge aus dem Unternehmen auf geschützte Bankkonten zu transferieren. Die Modelle und Möglichkeiten, deren sich Steuerhinterzieher dabei bedienen, sind vielfältig. Die Palette reicht von der Manipulation der Buchhaltung durch nicht verbuchte Geschäftsfälle über das Ausstellen von Scheinrechnungen bis hin zum internationalen Umsatzsteuerbetrug.

Auch abhängige Erwerbspersonen verfügen über die Möglichkeit, unversteuertes Einkommen zu erzielen. Sofern dieses gespart wird, ist es durch das Bankgeheimnis geschützt. Auch Erlöse aus dem Drogen- und Menschenhandel lassen sich einfacher waschen, wenn Geldflüsse für die Behörden schwer nachzuvollziehen sind.

Inkonsequente SPÖ-Führung

Auch ist eine wirksame Vermögenbesteuerung mit einem Bankgeheimnis nicht sinnvoll durchführbar, weil die Steuerbehörde auf die freiwillige Deklaration von Finanzvermögen der Betroffenen angewiesen wäre. Das ist insofern pikant, als sich die SPÖ eine Millionengrenze verordnet hat, ab der die Vermögensteuer wirksam werden soll. Mit dem Bankgeheimnis lassen sich Millionäre jedoch nicht sinnvoll identifizieren.

Das ist ein weiteres Indiz für jene Inkonsequenz und Halbherzigkeit der SPÖ-Führung, mit der die eigene Glaubwürdigkeit rigoros unterminiert wird. Wieder einmal befand sich die SPÖ-Spitze mangels eigener Orientierung von Anfang an in einem Rückzugsgefecht.

Statt gleich die völlige Abschaffung des Bankgeheimnisses zu fordern, wurde der Status quo verteidigt. Erst als Luxemburg seinen Widerstand gegen einen automatischen Datenaustausch aufgab, bewegte sich der Kanzler. Auch jetzt gibt es keine glasklare Ansage, sondern eine typische Defensivposition – nach dem Motto: dem Druck zur Veränderung so wenig wie nur möglich nachgeben.

Wie bereits vor Jahren bei Vermögen- oder Erbschaftssteuer fürchtet man einen fiktiven Volkszorn, der primär in der Redaktion der „Kronen Zeitung“ imaginiert wird, statt die jüngste Aufregung in eigener Sache zu nützen. Die Chance, das Bankgeheimnis endlich loszuwerden, wird vielleicht auf Jahrzehnte wieder vergeben.

Statt die „Sparbuchoma“ als Argument für das inländische Bankgeheimnis zu missbrauchen, sollte der Kanzler die Gelegenheit nützen und die Probleme beim Namen nennen: Das Bankgeheimnis für Inländer erleichtert Steuerhinterziehung und verhindert eine wirksame Erfassung und Besteuerung von Vermögen.

Steuerhinterziehung bekämpfen

Vor dem Hintergrund der Enthüllungen im Offshore-Leaks-Skandal, der Fünf-Millionen-Euro-Steuernachforderung an Karl-Heinz Grasser und angesichts der Steuervermeidungspraktiken internationaler Konzerne ist es an der Zeit, Steuerbetrug und Steuervermeidung zu thematisieren. Das österreichische Bankgeheimnis ist dabei Teil des Problems.

Sicherlich wird eine Abschaffung weder bei Unternehmen noch bei der Schwarzarbeit zu 100-prozentiger Steuerehrlichkeit führen. Es wird nicht möglich sein, jede private Fahrt mit dem Firmenwagen und jedes schwarz geflieste Badezimmer aufzudecken. Doch Steuerbetrug im großen Stil kann effektiv vermieden werden.

Der Kanzler sollte eine offensive Haltung im Inland auch dazu nützen, international an Profil und Glaubwürdigkeit im Kampf gegen Steuerbetrug zu gewinnen. Schließlich verliert auch Österreich Einnahmen durch andere Steueroasen. Die Kritik von Finanzministerin Maria Fekter an Großbritannien ist in diesem Zusammenhang ein zielsicherer Steinwurf aus dem eigenen Glashaus. Österreich wird erst als Partner im Kampf gegen Steuerbetrug und Steuervermeidung wahrgenommen werden, wenn wir selbst entschlossen dagegen vorgehen.

Zum Autor


E-Mails an: debatte@diepresse.com

Rafael Wildauer (*1986) hat an der Universität Wien Volkswirtschaftslehre studiert. Derzeit arbeitet er an einem Projekt der Universität Linz zur Schätzung des potenziellen Aufkommens verschiedener Varianten von Vermögensteuern mit. Politisch ist er in der Sektion8 der SPÖ Alsergrund aktiv. [Privat]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2013)

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