Afrika wächst, aber nicht stark genug

Die Wirtschaft Afrikas beruht auf natürlichen Ressourcen. Ein Strukturwandel wäre dringend notwendig.

Afrika – der verlorene Kontinent. Dieses Resümee ziehen viele Europäer, wenn es um die Entwicklung jenes Erdteils geht, der nur wenige hundert Kilometer südlich der EU-Grenzen beginnt. Und wer kann es ihnen verdenken, stranden doch wie zur Bestätigung täglich Dutzende Afrikaner in Lampedusa oder Malta auf der Suche nach einem besseren Leben. Seit rund 40 Jahren haben auch die letzten afrikanischen Länder den Kolonialismus abgeschüttelt. Aber was einst mit Hoffnungen begann, endete vielfach in Bürgerkrieg oder Diktatur.

Auch heute noch sind Länder wie Somalia oder der Sudan Krisenherde. Und einst – zwar undemokratische, aber – stabile Länder wie Ägypten rutschten erst jüngst in veritable politische Krisen. Immer damit verbunden: ein Rückfall der wirtschaftlichen Entwicklung. Doch es gibt auch positive Beispiele. Länder, die ihre Bürgerkriege hinter sich lassen und eine robuste wirtschaftliche Entwicklung vorweisen können. Angola ist so ein Fall oder Mozambique.

Die einzelnen Länder des Kontinents sind also sehr unterschiedlich, dennoch gibt es auch für ganz Afrika in den vergangenen Jahren eine Entwicklung, die zumindest Hoffnung stiften könnte. So konnten alle afrikanischen Länder gemeinsam ihr Wirtschaftwachstum seit der Jahrtausendwende deutlich steigern und die schwachen 1980er- und 1990er-Jahre hinter sich lassen (siehe Grafik).

(c) Die Presse / GK


Bevölkerungswachstum. Um knapp fünf Prozent soll die afrikanische Wirtschaft auch heuer wachsen. Dies ist eine respektable Zahl, und deutlich mehr als noch vor 20 Jahren. Allerdings ist es immer noch zu wenig, um die Armut substanziell zu reduzieren. Denn dafür wären laut Ansicht von Experten zumindest sieben Prozent notwendig, wie aus dem aktuellen „African Economic Outlook“ hervorgeht, der Daten von OECD, UNO und anderen internationalen Organisationen zusammenfasst. Grund dafür ist, dass die afrikanische Bevölkerung immer noch um zwei Prozent pro Jahr wächst und dieser Zuwachs erst einmal ausgeglichen werden muss, bevor die Armut reduziert werden kann.

Hauptgrund für den Anstieg des Wirtschaftswachstums seit rund zehn Jahren sind die seither ebenfalls stark gestiegenen Rohstoffpreise. Diese ließen nicht nur die Exporte Afrikas von 200 Mrd. Dollar im Jahr 1999 auf zuletzt deutlich über 500 Mrd. Dollar kräftig ansteigen. Sie könnten und sollten auch der Grundstock für einen Strukturwandel von Afrikas Wirtschaft hin zu mehr verarbeitender Industrie (sowohl bei Mineralien und Erdöl als auch bei Lebensmitteln) sein, konstatieren die Experten.

Letztere trägt bislang lediglich zehn Prozent zum gesamten BIP des Kontinents bei. Die Zahl der industriellen Jobs liegt überhaupt nur im einstelligen Prozentbereich, während etwa 60 Prozent aller afrikanischen Arbeitskräfte immer noch in der Landwirtschaft beschäftigt sind, die gegenüber anderen Weltregionen auch deutlich unproduktiver ist. Doch gerade in der Industrie finden sich jene Jobs, die eine hohe Wertschöpfung generieren und so den Wohlstand der Bevölkerung mehren.

Mehr Bildung. Um diesen Strukturwandel zu schaffen, müsste das Geld aus dem Rohstoffgeschäft jedoch in Bereiche investiert werden, die nicht direkt mit dem Rohstoffgeschäft zu tun haben: vor allem in die Bildung. Derzeit besuchen Kinder in Afrika im Schnitt nur 4,7 Jahre eine Schule, deutlich kürzer als in Ostasien (7,2 Jahre) oder im globalen Durchschnitt (7,5 Jahre). Dies führt dazu, dass afrikanische Volkswirtschaften generell einen Mangel an gut ausgebildeten Arbeitskräften haben, die für den Aufbau einer Industrie notwendig wären.

Dieser negative Befund trifft auch auf Staaten wie Botswana zu, das als Vorzeigeland Afrikas gilt. So hat Botswana es dank Geld aus dem Rohstoffgeschäft nicht nur geschafft, nahezu die gesamte Bevölkerung mit Sanitäts- oder Gesundheitsversorgung zu erreichen. Botswana konnte auch die Korruption deutlich zurückdrängen und liegt im globalen Ranking von Transparency International auf Rang 30 – vor den EU-Ländern Spanien, Portugal oder Estland. Denn Korruption ist weiterhin eines der Riesenprobleme Afrikas. Sie sorgt dafür, dass die Gewinne aus dem Rohstoffgeschäft oft in die Taschen politischer Eliten statt in die Entwicklung der Volkswirtschaften fließen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2013)

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