Demografie wird deutschen Exportüberschuss kippen

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Die sinkende Zahl der Erwerbstätigen und die steigende Zahl der Pensionisten werden die Importe massiv ankurbeln, prophezeit das ZEW.

Deutschland wird dem Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) zufolge in einigen Jahren keine Exportüberschüsse mehr erzielen. "In etwa 15 Jahren könnten sie verschwunden sein", sagte ZEW-Ökonom Marcus Kappler am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters. Ein Grund dafür sei die Demografie. "Wir werden schon in einigen Jahren deutlich weniger Erwerbstätige haben", so Kappler. "Dadurch wird Deutschland auch weniger exportieren können."

Gleichzeitig gingen die geburtenstarken Jahrgänge allmählich in Pension. "Wir werden also künftig deutlich mehr Rentner haben", erklärte der Experte, der für das deutsche Finanzministerium in Zusammenarbeit mit der Universität Ulm eine Studie zum Thema verfasst hat. "Deren Konsum wird durch höhere Importe von Waren und Dienstleistungen gedeckt."

Inmitten der Diskussion um seine Exportstärke hat Deutschland einen Rekordüberschuss gemeldet. Die Ausfuhren übertrafen die Einfuhren im September um 20,4 Milliarden Euro. Kritiker wie die USA werfen Deutschland vor, die Weltwirtschaft mit seinen enormen Überschüssen aus dem Gleichgewicht zu bringen.

EU: Exportüberschuss ohne Folgen

Auch die EU-Kommission beschäftigte sich mit den deutschen Rekord-Überschuss bei Exporten. "Wir nehmen die am Freitag veröffentlichten Zahlen natürlich zur Kenntnis", teilte der Sprecher von EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn mit. In die Untersuchung über wirtschaftliche Ungleichgewichte in einzelnen EU-Staaten würden aber eine Reihe von Indikatoren einfließen, die man über Jahre hinweg betrachte. Die Exportzahlen seien einer der Indikatoren.

Leistungsbilanzüberschüsse dürfen nach den Vorgaben des Verfahrens zur "Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte" im Schnitt von drei Jahren maximal sechs Prozent betragen. Die Kommission will am Mittwoch Details zu ihren Untersuchungen vorlegen. Dann wird auch klar, welche Staaten mit einer eingehenden Analyse rechnen müssen.

Rehn hatte am Dienstag erklärt, er rechne auch in den kommenden Jahren mit einem Überschuss in der deutschen Leistungsbilanz von über sechs Prozent der Wirtschaftsleistung. Der EU-Kommissar vermied es jedoch, daraus eine drohende Rüge mit möglichen Strafverfahren für Deutschland abzuleiten.

(APA/Reuters)

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