Deutschland: Wegen 1,30 Euro entlassen

(c) AP (Daniel Roland)
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Der Fall einer Kassiererin entfacht den Volkszorn. Das allgemeine Mitgefühl für die dreifache Mutter, die mehr als 30 Jahre als Kassiererin gearbeitet hat, ist groß.

Berlin (e.m.). Sie ist wohl Deutschlands bekannteste Kassiererin, bekannt inzwischen weit über die Hauptstadt hinaus: Barbara E., von allen nur Emmely genannt, verlor ihren Job im Kaiser's-Markt, weil sie zwei Pfandbons im Wert von insgesamt 1,30 Euro unterschlagen und diese selber eingelöst hatte. Nun gab auch das Landesarbeitsgericht in Berlin dem Arbeitgeber Recht.

Ein Urteil, das die Volksseele kochen lässt und Emmely binnen Kurzem zur Märtyrerin der Nation gemacht hat. Kaum eine Pressekonferenz geht derzeit ohne Fragen zu der Causa über die Bühne, während zugleich die arbeitslose Kassierin als Gast in den Fernsehtalkshows auftritt. Das allgemeine Mitgefühl für die dreifache Mutter, die mehr als 30 Jahre als Kassiererin gearbeitet hat, ist groß. Zumal in Zeiten der Wirtschaftskrise, in denen „hohe Tiere“ ungestraft Millionen Euro verzockt haben.

Das Landesgericht betont unterdessen, dass die Kündigung und das Urteil nach allgemeiner Rechtsprechung korrekt seien. Durch den Diebstahl sei ein „irreparabler Vertrauensverlust“ entstanden, gerade bei einer Kassiererin, durch deren Hände den ganzen Tag Geld und Pfandbons liefen, müsse sich der Arbeitgeber auf „absolute Ehrlichkeit“ verlassen können. Der geringe Wert der „Beute“ spiele daher keine Rolle.

Solidaritätskomitee für Emmely

Emmely will nun weiterkämpfen. „Es hat so viel Zuspruch gegeben, viele Leute setzen auf mich.“ Tatsächlich verdankt die Kassiererin ihre Prominenz wohl auch dem „Solidaritätskomitee für Emmely“, dem Freunde, Gewerkschaftler und sogar eine hohe Vertreterin der Linkspartei angehören. Selbst der Vizepräsident des Bundestags Wolfgang Thierse sprach von einem „barbarischen Urteil“ und handelte sich damit scharfe Kritik vom Anwaltsverein ein. Daraufhin hat er seine Wortwahl entschärft: ein „unverhältnismäßiges“ Urteil.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2009)

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