Zastava: Nur die Luft in den Reifen ist serbisch

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Weil Fiat nicht investiert, hält Belgrad das Werk Zastava mit Kaufanreizen über Wasser. Die Wachstums-Prognosen für 2009 hat Belgrad von drei auf 0,5% nach unten geschraubt.

Kragujevac. Wie im Dornröschenschlaf versunken wirkt die Fertigung von Serbiens Automobilhersteller Zastava. Paletten mit Ersatztüren für den kantigen Skala und den gedrungen Yugo stapeln sich auf dem öligen Holzboden. Fast menschenleer ist die düstere Montagehalle. Nur ein Schweißroboter stößt mit leisem Zischen seine Arme ziellos in die Luft.

Obwohl die Montagebänder in Kragujevac schon fünf Monate stillstehen, schreitet Produktionschef Dragan Begovic erstaunlich aufgeräumt durch sein ausgestorbenes Reich. Niemand habe eine derartige Nachfrage erwartet, sagt er – und kündigt den Neustart der Produktion in einem Monat an.

Immer tiefer rutscht auch Serbien in die Krise. Die Wachstumsprognosen für 2009 hat Belgrad von drei auf 0,5 Prozent nach unten geschraubt. Doch während Belgrad wegen der leeren Auftragsbücher vieler Firmen bereits die zeitweilige Einführung der Viertagewoche erwägt, macht sich ausgerechnet beim langjährigen Sorgenkind Zastava Aufbruchsstimmung breit. Fast 18.000 Serben haben in den letzten drei Wochen bei den Banken den Sonderkredit zum Kauf des in Kragujevac montierten Fiat-Veterans Punto beantragt. Denn zum Wohle von Zastava greift Belgrad tief ins leere Staatssäckel: Mit der Finanzierung von Billigkrediten mit vier statt der üblichen 12 Prozent Zinsen und einer Abwrackprämie von 1000 Euro hat die Regierung dem darbenden Werk zu einem plötzlichen Auftragsboom verholfen.

Zur Blütezeit von Zastava, kurz vor Ausbruch der Jugoslawien-Kriege 1990, liefen in Kragujevac noch über 200.000 Fahrzeuge vom Band. Doch das Wirtschaftsembargo, der Verlust von Absatzmärkten und Zulieferern und schließlich die Bombardierung während des Kosovo-Kriegs 1999 bescherten dem Staatskonzern einen raschen Niedergang.

Zuletzt rollten in Kragujevac nur noch einige hundert Fahrzeuge pro Monat vom Band. Mit der Vereinbarung zur Lizenzproduktion des Fiat Punto als „Zastava 10“ begann Belgrad im Jahr 2007, eine alte Firmenehe aufzuwärmen. Auch dank der guten Botschaft einer geplanten Großinvestition der Italiener gewann das proeuropäische Wahlbündnis von Boris Tadic die Parlamentswahl im vorigen Mai.

Tatsächlich kaufte Fiat im September zwei Drittel der Firma und versprach, eine knappe Milliarde Euro einzusetzen, um in zwei Jahren 300.000 Autos im serbischen Werk zu produzieren.

Alle Teile werden importiert

Doch mit dem Start der Wirtschaftskrise folgte die Ernüchterung. Zwar wurden im November die Produktion der Zastava-Oldtimer Skala, Yugo und Florida eingestellt, aber die Großinvestition ins serbische Werk setzten die Italiener vorläufig aus.

Mit der Verkaufshilfe für den Punto hofft Belgrad Zastava über die Durststrecke hinweg am Leben zu erhalten. Tatsächlich wird der bisherige Haldenhüter zum Verkaufsschlager: Die Aussicht, mit dem Punto einen Neuwagen für 6000 Euro erwerben zu können, hat Serbiens Familienväter trotz Krise elektrisiert. Im Dreischichtbetrieb will der demnächst als Fiat Srbija firmierende Betrieb den Bedarf decken: Laut Wirtschaftsministerium könnten 2009 bis zu 60.000 Punto in Kragujevac montiert werden. Der volkswirtschaftliche Nutzen der Verkaufsförderung ist jedoch umstritten.

Seinen Namen will der hohe Beamte in Serbiens Nationalbank nicht veröffentlicht wissen. Mit seiner Kritik an der „Marketingaktion“ hält er indes nicht hinter dem Berg. Da alle Teile des Punto zur Montage importiert werden müssten, dürfte sich das immense Handelsbilanzdefizit noch vergrößern: „Nur die Luft in den Reifen ist serbisch.“

Der zugefügte Mehrwert durch die Montage betrage bescheidene 700 Euro pro Auto. Der Staat könne die Aktion nur durch neue Auslandsschulden oder mit Devisenreserven finanzieren, so der Finanzfachmann. Durch ihr Wahlversprechen sehe sich die Regierung aber zum Handeln gezwungen – und für das arme Kragujevac gebe es ohnehin keine Alternative.

Die „Eine-Million-Dollar-Frage“ sei freilich, was mit der versprochenen Investition geschehe: Die Italiener halten hin und zögern hinaus. Der starke Andrang in den Zastava-Filialen erkläre sich mit den bisherigen Erfahrungen mit staatlichen Hilfen: Serben haben gelernt, schnell zuzugreifen, wenn die Regierung etwas anbietet. Denn man weiß schließlich nie, wie lange die Großzügigkeit des Staates währt.

Auf einen Blick

Das Autowerk Zastava wurde im September zu zwei Dritteln von Fiat übernommen. Doch die versprochene Milliardeninvestition liegt wegen der Krise auf Eis. Nun hält der Staat als Dritteleigentümer die Fabrik mit Kaufanreizen für den dort montierten Punto über Wasser – und das, obwohl alle Teile im Ausland produziert werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.03.2009)

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