Kiew und Moskau haben sich über Gaslieferungen bis Juli geeinigt. Langfristig will man freilich immer weniger miteinander zu tun haben.
Wien. Im letzten Moment haben die Ukraine und Russland eine neuerliche Eskalation des Gasstreits am Donnerstag verhindert. Wie das Energieministerium in Kiew mitteilte, habe man die Versorgung des Landes mit russischem Gas für das zweite Quartal vertraglich gesichert. Konkret werde die Ukraine nur noch 248 Dollar (230,59 Euro) statt der bisherigen 329 Dollar je 1000 Kubikmeter zahlen.
Der niedrigere Preis verdankt sich nur zum Teil dem Entgegenkommen Russlands. Zum anderen Teil gründet er auf der Tatsache, dass der Preis für russisches Gas nun mit mehrmonatiger Verzögerung den gefallenen Ölpreis abbildet, was fortan auch den europäischen Abnehmern zugutekommt. Abgesehen von der Auswirkung dieses Preismechanismus setzt Russland freilich den Verzicht auf die Einhebung von 100 Dollar Exportzoll auf 1000 Kubikmeter fort, wie es das schon vor dem Winter getan hatte. So war das sogenannte Winterpaket zustande gekommen, das Versorgungsengpässe für die Ukraine und für Europa abgewendet hatte und nun ausgelaufen ist.
Dass es nun freilich schon in zwei Wochen eine Regelung bis März 2016 geben könnte, wie der ukrainische Energieminister, Wladimir Demtschischin, am Mittwoch angedeutet hatte, wird in Russland anders gesehen. Im Moment ziehe man eine solche nicht in Betracht, erklärt eine Sprecherin des russischen Energieministeriums auf Anfrage der „Presse“: Zu viele Fragen seien ungeklärt.
Gestärkte Verhandlungsposition
In der Tat hat die Ukraine die Frage offener Schulden bei Russlands Gaskonzern Gazprom vor das Schiedsgericht in Stockholm gebracht, wo erst 2016 entschieden wird. Auch ist offen, wie die separatistische Ostukraine mit Gas versorgt werden soll – Kiew weigert sich ja, dieses Gas zu zahlen und zu liefern. Und überhaupt ist für das dritte Quartal nicht ausgemacht, ob Russland dann wieder 100 Dollar je 1000 Kubikmeter an Rabatt gewährt, da ja der Gaspreis aufgrund der Ölpreisbindung auch so noch tiefer fallen wird.
Alles in allem ist die Verhandlungsposition Kiews gegenüber Moskau gestärkt, seit die Ukraine nun auch ausgiebig von Europa aus versorgt werden kann. Gazprom hat der Versuch, diese neue Versorgungsmöglichkeit zu unterbinden, viel Geld gekostet. Unterm Strich hat die Ukraine so aber auch an Bedeutung für Gazprom verloren. Nun will Gazprom der Ukraine auch als Haupttransitland für den russischen Gasexport nach Europa den Rücken kehren. Ab 2019 soll der Transit über die Türkei laufen. (est)