Wer im Onlinehandel reich wird

GERMANY RETAIL AMAZON
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Amazon ist inzwischen das Synonym für Internet-Shopping. Dieses verhilft Post- und Logistikkonzernen zu neuen Höhenflügen.

Washington/Wien. Wem in den USA das Klopapier ausgeht, die Windeln oder die Kaffeekapseln, der muss seit dem Frühjahr nicht mehr in den Supermarkt pilgern. Er muss nicht einmal den Webbrowser auf seinem Computer oder Smartphone öffnen und eine Bestellung ins digitale Suchformular eines Versandhändlers tippen. Es reicht ein Fingerdruck auf einen daumengroßen Plastikknopf, der auf der Waschmaschine oder dem Eiskasten klebt, und schon übermittelt der „Dash Button“ über eine drahtlose Internetverbindung die Bestellung an Amazon.

Bequemlichkeit ist Trumpf im Ringen des Einzelhandels um den amerikanischen Kunden. Mit dem „Dash Button“, der anfänglich für einen Aprilscherz gehalten wurde, versucht Amazon, seine Kunden noch fester an sich zu binden. Die Strategie scheint aufzugehen, und sie formt die Zukunft des Einzelhandels nicht nur in den USA, sondern weltweit: Man kauft zusehends im Internet, nicht in Geschäftslokalen, rund um die Uhr, nicht zu Ladenöffnungszeiten, und man tut es immer öfter über Amazon. Am vergangenen Thanksgiving-Wochenende haben mehr als 151 Millionen Amerikaner eingekauft, also ungefähr jeder zweite Bewohner der Vereinigten Staaten. 103 Millionen kauften im Internet, 102 Millionen in Geschäftslokalen (die 151 Millionen kommen zustande, weil viele Menschen beide Varianten wählten). Knapp die Hälfte der Amerikaner sagte in einer Umfrage der Beratungsfirma Kantar Retail, dass sie heuer Weihnachtsgeschenke über Amazon kaufen wollten. Im Vorjahr waren es 41 Prozent. „Die Firma hat einen Status wie Kleenex erreicht“, resümiert die Nachrichtenagentur Bloomberg. „Amazon ist für viele Menschen Online-Shopping.“

Das Erstarken des Interneteinkaufs erklärt, wieso der „Black Friday“ – jener Tag nach Thanksgiving, an dem die Amerikaner ihr Geld mit vollen Händen in den Einkaufszentren für Sonderangebote ausgeben – an Bedeutung verliert. Wenn man nicht mehr darauf angewiesen ist, dass man die Kunden zum physischen Erscheinen am Ladentisch an einem bestimmten Tag bewegen muss, kann man schon früher zur Rabattschlacht blasen und Schnäppchenpreise länger als nur einen Freitag lang gelten lassen. Das Internet und die fast über das gesamte Jahr gestreuten Ausverkaufsaktionen der US-Einzelhändler haben die Bedeutung traditioneller Einkaufstage wie des „Black Friday“ stark minimiert – mit einer Ausnahme: Der umsatzstärkste Tag dürfte auch weiterhin der 23. Dezember bleiben, schätzt der Kreditkartenkonzern Mastercard. Weihnachten ist schließlich nur einmal im Jahr – und das kann nicht einmal Amazon ändern.

Hartes Match der Logistiker

Amazon ist überall – auch in Österreich. Auch hierzulande wächst das Onlinegeschäft. Wer davon profitiert? Die Logistiker, in erster Linie – noch – die Österreichische Post. So wie alle Postkonzerne verliert sie jährlich rund fünf Prozent des Briefvolumens – wer schreibt noch Briefe in Zeiten des Internet? Aber der Onlinehandel beschert dem gelben Riesen unglaubliche Zuwächse im Paketbereich: 74 Millionen Pakete hat die Post im Vorjahr zugestellt, 2013 waren es 70 und 2012 erst 65 Millionen. Heuer geht Generaldirektor Georg Pölzl von 80 Millionen aus – obwohl die heimischen Postler seit 1. September mit der Deutsche-Post-Tochter DHL einen harten Konkurrenten haben.

Die Deutschen, die einen dreistelligen Millionenbetrag investieren, um hierzulande Fuß zu fassen, würden dies nicht tun, wenn sie nicht überzeugt wären, dass sich das lohnt. Faktum ist: Postgesellschaften und Logistikfirmen sind die Gewinner des Onlinehandels. An der Spitze ihrer Kunden stehen Amazon und Zalando, aber auch Nespresso sorgt dafür, dass die Kassen klingeln. Dazu kommen die Versandhändler, die nicht mehr vorrangig auf dem Land reüssieren. So zynisch es klingen mag – aber der Onlinehandel profitiert auch von der Angst vor Terror. „Sofa statt Stadtbummel“ lautet die Devise, die sich weit über Weihnachten hinaus halten dürfte. Zumal das Smartphone das Einkaufen im Internet zusätzlich erleichtert.

Um die Großen, zu denen auch Versandhändler wie die Unito-Gruppe (Otto, Universal, Quelle) gehören, ist naturgemäß das G'riss am größten: So will DHL der Post vor allem Amazon abspenstig machen. Unito schwört weiter auf die Post. Durch deren Technologieschub habe sich die Laufzeit eines Pakets in den vergangenen drei Jahren um 50 Prozent verringert, sagt Unito-Geschäftsführer Harald Gutschi. Inzwischen stellt die Post in Ballungsgebieten auch am Samstag zu.

AUF EINEN BLICK

Der Onlinehandel hat auch Gewinner: Postgesellschaften und Logistiker. Die Österreichische Post wird heuer 80 Millionen Pakete ausliefern, um gut fünf Millionen mehr als im Vorjahr. Auch sie profitiert vom rasanten Wachstum des dominanten Anbieters Amazon. Auch im Weihnachtsgeschäft hat der US-Konzern die Nase vorn: Rund die Hälfte der Amerikaner will die Weihnachtsgeschenke bei Amazon ordern. Im Vorjahr waren es noch 41 Prozent. Couch-Shopping erhält in Zeiten des Terrors zudem einen völlig neuen Aspekt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2015)

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