Die meisten ausländischen Hartz-IV-Empfänger in Deutschland stammen aus der Türkei. Auch der Zuzug aus Osteuropa macht sich in der Statistik bemerkbar.
Wien/Berlin. Rund jeder vierte Hartz-IV-Bezieher in Deutschland stammt aus dem Ausland. Dies zeigen die jetzt veröffentlichten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. Zwar ist die Zahl der Grundsicherungsempfänger im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken, nämlich um 1,2 Prozent auf 5,9 Millionen Menschen. Doch bei den Personen mit einem ausländischen Pass gab es ein Plus von 12,4 Prozent auf 1,5 Millionen Menschen. Dies hängt mit den Flüchtlingen zusammen. So kletterte die Zahl der syrischen Hartz-IV-Bezieher um 195,1 Prozent auf mehr als 242.000. Doch auch die Zuwanderung aus Osteuropa macht sich bemerkbar. So gab es einen starken Anstieg bei den Bulgaren (plus 35,3 Prozent) auf mehr als 73.000 Hartz-IV-Empfänger und bei den Rumänen um 36,4 Prozent auf 60.000.
Ähnlich wie in Österreich wird in Deutschland darüber diskutiert, ob die Sozialleistungen einen Anreiz für den Zuzug von Menschen aus Osteuropa darstellen. So verlangen deutsche Städte und Gemeinden von der Berliner Regierung Maßnahmen, um die Einwanderung von osteuropäischen EU-Bürgern einzuschränken. Viele Arbeitsmigranten aus Osteuropa sind als Selbstständige gemeldet und beantragen wegen geringer Einkünfte zusätzlich Hartz IV.
Die Zahlen der deutschen Arbeitsagentur sind auch für Österreich interessant. Denn in Österreich liegen über die Nationalitäten der Bezieher der Mindestsicherung keine aussagekräftige Daten vor. Viele Bundesländer verweigern hier die Transparenz. Auch wenn Hartz IV nicht mit der Mindestsicherung vergleichbar ist, zeigen die deutschen Zahlen, bei welchen Ausländergruppen es auf dem Arbeitsmarkt Probleme gibt.
Geringe Qualifikation als Problem
Bei der Interpretation ist es zunächst wichtig, dass die Zahl der Hartz-IV-Empfänger einer bestimmten Nationalität in Relation zu den Menschen, die aus dem gleichen Herkunftsland stammen, gesetzt wird. Und hier besteht laut Karl Brenke, Ökonom beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, vor allem bei den Bulgaren Handlungsbedarf. Denn jeder dritte in Deutschland lebende Bulgare beziehe bereits Hartz IV, sagt Brenke zur „Presse“.
Anders sind die Hintergründe bei Menschen aus der Türkei. In absoluten Zahlen bezogen sie unter den Ausländergruppen am häufigsten Sozialleistungen. Laut Arbeitsagentur waren über 295.000 Türken auf Hartz IV angewiesen. Somit ist laut Brenke jeder vierte in Deutschland lebende Türke davon betroffen. Das Problem sei hier die geringe Qualifizierung. Viele Türken sind arbeitslos, weil es immer weniger Jobs für Geringqualifizierte gibt.
Nicht viel besser geht es den in Österreich lebenden Türken. Im Vorjahr lag in Österreich die Arbeitslosenquote von Ausländern bei 13,5 Prozent, bei den Türken waren es aber 19,8 Prozent. Abgesehen von den Flüchtlingen ist bei keiner großen Ausländergruppe die Arbeitslosenquote so hoch wie bei den Türken. Das zeigt, dass die Integration hier teilweise nicht funktioniert hat.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2016)