Nach BMW kündigt auch Ford an, bis 2021 serienmäßig selbstfahrende Autos anzubieten. Die Pläne zeigen, wohin die Reise ohne Lenkrad geht.
Mark Fields scheut sich nicht, die große Geschichte seiner Firma zu beschwören: „Autonomes Fahren könnte eine so starke Auswirkung auf die Gesellschaft haben wie die Ford-Fließbandfertigung vor 100 Jahren.“ Aber wie sehr sich die Zeiten geändert haben, ersieht man daran, wo der Ford-Chef seine Pläne verkündete: nicht in den Fabriken von Detroit, sondern in einem Forschungslabor im Silicon Valley.
Innerhalb von fünf Jahren will Ford selbstfahrende Autos in Serie auf den Markt bringen – und reagiert damit auf eine Ankündigung von BMW. Der bayerische Autobauer hatte Anfang Juli als erster Hersteller ein fixes Datum genannt, und zwar ebenfalls 2021. Ford will sich aber nicht auf ein Rennen einlassen, wer nun wirklich als Erster ins Ziel gelangt. Aber das Signal ist klar: „Wir sagen unseren Partnern, dass sie mit uns auf der Seite des Siegers stehen“, verspricht Forschungschef Yet Kenn Washington. Siegen wollen freilich auch die Konkurrenten: General Motors, Toyota, Nissan, Volkswagen, Tesla – sie alle haben auf die vermutete Technologie der Zukunft gesetzt, sich aber noch nicht auf ein fixes Datum festgelegt.
Freilich: In Serie zu gehen bedeutet nicht, dass die Gefährte ohne Lenkrad und Pedale gleich für den Massenmarkt taugen. Dazu wären sie bis 2021 noch zu teuer. Erst bis frühestens Mitte des kommenden Jahrzehnts sollen die Kosten dafür weit genug sinken. Die Strategie ist bei allen Mitstreitern die gleiche: Die ersten Käufer sollen Fahrdienstvermittler (wie Uber, Lyft, Gett), Taxiunternehmen und Car-Sharing-Dienste sein – also lauter Geschäftskunden, die ihr Service in großen Städten anbieten. Aus gutem Grund: Nur die Metropolen sind von elektronischen Kartendiensten schon genau genug vermessen. Wenn sich die Stadtbewohner ohne eigenes Auto erst einmal an die Robotertaxis gewöhnt haben, könnten sie auch die erste Zielgruppe unter den Individualkunden sein. Die Grenzen zwischen den Sektoren verschwimmen: General Motors kaufte im Jänner um eine halbe Milliarde Dollar Anteile am Uber-Konkurrenten Lyft, Volkswagen setzt auf Gett. Uber hingegen bastelt auf eigene Faust an einem selbstfahrenden Auto. Und Ford hält sich die Option offen, seine eigene Taxi-Flotte aufzustellen.
Tesla-Unfall führt zu Umdenken
Die Goldgräberstimmung mag verwundern. Hatte nicht der tödliche Unfall eines Tesla-Fahrers, der seinem Autopiloten zu sehr vertraut hatte, den kühnen Plänen einen herben Rückschlag versetzt? Die Branche hat daraus gelernt. Ford will weitere Zwischenstufen teilautonomen Fahrens, bei denen der Fahrer in bestimmten Situationen noch die Kontrolle übernehmen soll, ganz auslassen (der Tesla-Autopilot hat Level zwei, das vollständig selbst fahrende Auto Level fünf). Der US-Autobauer scheut vor allem die unklare Rechtslage: Es steht bei bei den teilautonomen Systemen nicht fest, wer bei einem Zwischenfall die Verantwortung trägt.
Für den Erfolg entscheidend sind auch Lieferanten als Partner, wie Kartendienste, Bildauswertung für Kameras, Selbstlernprogramme und künstliche Intelligenz, die das Verhalten menschlicher Verkehrsteilnehmer voraussieht. Vor allem aber geht es um Sensoren, die das Umfeld abtasten. Ford setzt dabei auf Laser-Radare von Velodyne und hat nun 75 Mio. Dollar in das kalifornische Start-up investiert, parallel zum chinesischen Internetgiganten Baidu. Noch sind die wuchtigen Geräte am Autodach zu montieren; das erste Modell hat 75.000 Dollar gekostet. Ziel ist, Größe und Kosten herunterzubringen. Wenn dieses mögliche Herzstück des Roboterautos nur noch 300 bis 500 Dollar kostet, wäre ein wichtiger Schritt zur Massentauglichkeit geschafft.
Ein klein wenig stiller wird es nun um den Pionier Google, der schon seit 2009 sein selbstfahrendes Auto entwickelt. Google wollte sein Know-how allen großen Herstellern andienen. Aber nur Fiat Chrysler hat jüngst eine Kooperation gestartet. Die anderen entwickeln lieber selbst und setzen auf kleine Partner, weil sie der immensen Macht des Internetkonzerns misstrauen. (gau)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2016)