Die Regionen driften auseinander - nur in Österreich nicht

(c) Clemens Fabry
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Die Produktivitätsunterschiede zwischen den OECD-Staaten sind kleiner geworden, innerstaatlich wird das Stadt-Land-Gefälle aber größer.

Wien/Berlin. Die OECD-Länder nähern sich in Sachen Arbeitsproduktivität – ein wesentlicher Faktor für künftigen Wohlstand – an. Innerhalb der Mitgliedsländer geht die Schere aber auseinander. Besonders jene zwischen ländlichen und städtischen Regionen. Zu diesem Schluss kommt eine am Dienstag veröffentlichte Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit („OECD Regional Outlook 2016“).

Konkret zieht eine relativ kleine Gruppe von Regionen davon: Lag der Abstand im BIP pro Beschäftigtem zwischen dem obersten Zehntel der produktivsten Regionen und den unteren 75 Prozent zu Beginn des Untersuchungszeitraums im Jahr 1995 bei 15.200 Dollar, so erreichte die Differenz zum Ende des Zeitraums (2013) schon 24.000 Dollar. Bei dieser Entwicklung werden Aufholprozesse schwierig: Das untere Viertel der Regionen müsste seine Produktivitätssteigerungsrate vervierfachen, um bis 2050 zu den besten Regionen aufzuschließen.

Was aber ohnehin illusorisch ist: Im vergangenen Vierteljahrhundert ist die Arbeitsproduktivität in den leistungsstärksten Regionen im Schnitt um 1,6 Prozent gewachsen, in den wachstumsschwächsten dagegen nur um 1,3 Prozent.

Stadt gewinnt, Land verliert

Was die OECD-Experten überrascht hat: Während die Produktivitätsunterschiede zwischen den Ländern kleiner werden, wird die Kluft innerhalb der Länder größer. „Die zunehmenden regionalen Unterschiede gehen in den meisten Ländern mit einer wachsenden Ungleichheit zwischen städtisch und ländlich geprägten Regionen und mit einem insgesamt zunehmenden Einkommensgefälle innerhalb der Bevölkerung einher“, heißt es. Das betrifft besonders das Pro-Kopf-Einkommen.

Interessant: Regionen, die gegen den Trend in Sachen Produktivitätsentwicklung aufholen konnten, sind vorwiegend jene, die stärker dem globalen Wettbewerb ausgesetzt sind. Dort sorgt der internationale Wettbewerbsdruck offenbar für eine effiziente Produktivitätspeitsche. Schlecht entwickelt haben sich dagegen Regionen, die sich schwerpunktmäßig auf die Förderung der Landwirtschaft konzentriert haben. „Politik zur Entwicklung der ländlichen Räume muss mehr beinhalten als die Förderung der Landwirtschaft“, so die Studie. „Andernfalls besteht angesichts der demografischen Entwicklung die Gefahr, dass sich in ländlichen Regionen nur wenig produktive Tätigkeiten konzentrieren.“

Deutlich besser als im OECD-Raum verläuft die Entwicklung in Österreich. Hier sind die Unterschiede zwischen produktiven und weniger produktiven Regionen im vergangenen Vierteljahrhundert nicht gewachsen, sondern kleiner geworden. Und es gibt nur ein OECD-Land, in dem die Ungleichheit zwischen den Regionen noch kleiner als hierzulande ist.

Einkommensmäßig bescheinigen die OECD-Experten den Österreichern eine Spitzenstellung unter den 35 Mitgliedstaaten. Mit einem kaufkraftbereinigten Pro-Kopf-BIP von 48.000 Dollar liegt das Land an siebenter Stelle der OECD-Rangliste – und um 17 Prozent über dem OECD-Schnitt.

Viel mehr Arbeitslose in Wien

Und, wie schon erwähnt, die schwächeren Regionen holen in Sachen Arbeitsproduktivität gegenüber den Spitzenreitern auf. Das gilt freilich nicht für alle Bereiche: Bei den Forschungsausgaben, bei der Lebenserwartung, der Arbeitslosenrate und bei der Partizipationsrate von Frauen am Arbeitsmarkt gibt es große, vor allem aber wachsende Unterschiede zwischen den Regionen.

Man kann das sehr schön an der Arbeitslosenrate (siehe Grafik) festmachen: Sie war zum Ende des Beobachtungszeitraums in Wien mehr als dreimal so hoch wie beim Bestperformer Tirol. Noch größer ist der Unterschied, wie die OECD-Experten kritisieren, bei der Jugendarbeitslosigkeit, wobei diese freilich insgesamt im OECD-Vergleich gering sei.

Generell fällt auf, dass die Werte für Gesamtösterreich in fast allen Punkten – vom Einkommen über die Arbeitslosenrate und die Bildung bis zur Lebenserwartung – besser als im OECD-Schnitt sind, dass die jeweils schlechtesten heimischen Regionen aber in fast allen Punkten schlechter als der OECD-Schnitt dastehen.

Die Empfehlungen, die die OECD aus der Studie ableitet, klingen vertraut: Strukturreformen unter anderem auf dem Arbeitsmarkt und die Konzentration auf Produktivitätstreiber. (red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2016)

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