Jimi Heselden: Der Mann, der Segway kaufte

Jimi Heselden Mann Segway
Jimi Heselden Mann Segway(c) AP (Frank Augstein)
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Jimi Heselden, ein einstiger Bergarbeiter aus dem englischen Leeds, hat den Scooter gekauft. Kostenpunkt: 1,5 Mio. Pfund Sterling, etwa 1,75 Mio. Euro.

LONDON/WIEN. Was die Scheu vor Kameras betrifft, schlägt er den 2003 verstorbenen Ölmilliardär und Kunstmäzen John Paul Getty II. um Längen: Es existiert nur ein einziges, mit Teleobjektiv aufgenommenes Foto, das einen besorgt blickenden, vierschrötigen, weißhaarigen Mann mit rechteckiger Metallbrille samt getönter Gläser zeigt – ein bisschen so, wie man sich pensionierte Spione vorstellen mag. Und man weiß auch nicht, ob seine Frau Julie ihn „Jimmy“ oder „Jimi“ nennt. Bekannt ist nur, dass er ihr im September 2008 bei einer Charity-Versteigerung einen Flug mit den „Red Arrows“, der Düsenjäger-Showtruppe der Royal Air Force, gekauft hat. Kostenpunkt: 1,5 Mio. Pfund Sterling, etwa 1,75 Mio. Euro.

Jimi Heselden hat eine unverkennbare Neigung zu Militärs, schließlich haben sie ihn zum Millionär gemacht. Er ist Gründer und Vorsitzender der Firma Hesco Bastion im englischen Leeds, die den bei Armeen weltweit begehrten „Concertainer“ herstellt.

Vom Golfkrieg bis zu „Katrina“

Der leicht transportierbare Rahmen mit „Wänden“ aus Spezialstoff wird an Ort und Stelle mit Sand oder anderem Material – auch Müll – gefüllt und verwandelt sich flugs in eine Befestigungsanlage. Die US-Truppen bedienten sich schon im Golfkrieg 1991 der „wandelnden Sandsäcke“. 2004 erteilte das Pentagon einen Dauerauftrag über 500 Mio. Dollar (375 Mio. Euro). Inzwischen wird Concertainer auch als Hochwasserschutz oder in New Orleans vor dem Hurrikan „Katrina“ für die Landbefestigung eingesetzt – und in der Abart „R-House“ als Notquartier für Flüchtlinge.

2009 setzte Hesco Bastion 111 Mio. Pfund um – ein Rückgang von 43 Prozent. Der Gewinn war laut „Yorkshire Post“ mit 27,1 Mio. Pfund dennoch beträchtlich.

Und Heselden wohl wieder zu hoch. Bereits im Jahr davor finanzierte er nicht nur den Millionenflug seiner Frau mit den „Red Arrows“, er spendete auch zehn Millionen an „The Leeds Community Foundation“, die Sozialeinrichtungen und das St. James's Hospital in der Bergwerks- und Industriestadt. „Es ist die größte Einzelspende, von der ich je gehört habe“, meinte Stiftungschefin Sally-Ann Greenfield. Heselden kletterte trotz der Spende in der „Sunday Times“-Liste der reichsten Briten mit einem Vermögen von 205 Mio. Pfund Sterling auf Rang 390.

„Inbegriff einer Legende“

Der Erfolg war Jimi Heselden nicht in die Wiege gelegt worden. Geboren und aufgewachsen im Armenviertel Halton Moor in Leeds, wurde er mit 15 Jahren Bergarbeiter. Der blieb er, je nach Quelle, bis 1973 oder 1984. Jedenfalls sei er nach einem Streik mit hunderten anderen gekündigt worden. Also kaufte er mit einem Freund eine gebrauchte Maschine, mit der Ölcontainer sandgestrahlt und damit rostfrei gehalten werden. Sand? Irgendwann kam ihm die Idee, wie das viele Rohmaterial am besten verstaut werden könnte – und schon war die Idee für Hesco Bastion geboren. Aus dem Zweimannbetrieb ist ein Unternehmen mit 350Mitarbeitern geworden.

Heselden riss Rebecca Burn-Callander, eine wegen ihrer scharfen Formulierungen gefürchtete Autorin der Online-Zeitschrift realbusiness.co.uk, zu Begeisterungsstürmen hin. Die Story sei „der Inbegriff einer Legende: einer jener unglaublichen britischen Unternehmenserfolge, die eine brillante Erfindung und ein Quäntchen Glück vereinen“. Sie verglich seine Öffentlichkeitsscheu nicht mit dem zum Sir geadelten John Paul Getty, sondern mit Osama bin Laden. Und zur „Schönheit des Systems“, das ihn reich gemacht habe: „Zwei Männer und ein Bulldozer können eine Einheit (vergleichbar mit 1500 Sandsäcken) in 20 Minuten füllen – die Sandsäcke aufzustapeln würde zehn Männer und sieben Stunden erfordern.“

Und jetzt hat der inzwischen 61-jährige fünffache Großvater einen neuen Deal geschlossen: Er hat Segway übernommen, just am Weihnachtsabend 2009. Eigens für diesen Zweck gründete Heselden die nach seinen Initialen benannte JWH Holdings. Diese soll aus der Idee eines elektrischen „Querrollers“, der zum Flop wurde, ein florierendes Unternehmen machen.

Die wichtigsten Förderer des Segway-Erfinders Dean Kamen waren die beiden Apple-Gründer: Nachdem das Gerät 2001 in der Sendung „Good Morning, America!“ vorgestellt worden war, meinte Steve Jobs, es sei „so signifikant wie der Personal Computer“. Und Steve Wozniak macht Werbung für Segway, indem er seit Jahren mit Freunden „Segway-Polo“ spielt (siehe Bild). Jeff Bezos, Chef des Onlinebuchhändlers Amazon, meinte damals: „Das ändert alles!“

Doch während Anhänger davon träumten, dass der Hightech-Scooter den Verkehr, das Klima und damit das Leben in den Städten verändern werde, mussten Ende 2006 alle bis dahin verkauften 23.500 Geräte zurückgerufen werden: Ein Softwarefehler konnte dazu führen, dass das Segway plötzlich in den Rückwärtsgang schaltet und man in hohem Bogen über das Gefährt fliegt. Was übrigens dem Ex-US-Präsidenten George W. Bush ganz ohne Softwarefehler passiert ist.

Bis März 2009 waren knapp 50.000 Segways verkauft, was nur zum Teil am Preis von 4000 bis 5500 Dollar lag, je nach Modell. Jimi Heselden will den Verkauf nun innerhalb weniger Jahre verzehnfachen.

AUF EINEN BLICK

Märchen oder Legende? Jimi Heselden, ein ehemaliger Bergarbeiter aus dem englischen Leeds, wurde durch die Erfindung des „mobilen Sandsackes“ zum Millionär. Jetzt hat er Segway gekauft und will das zweirädrige elektrische Fortbewegungsmittel vom Flop zum großen Geschäft machen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.04.2010)

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