Österreichs Wettbewerbshüter ermitteln gegen Amazon

NIEDEROeSTERREICH: EROeFFNUNG 'AMAZON VERTEILZENTRUM' IN GROSSEBERSDORF
NIEDEROeSTERREICH: EROeFFNUNG 'AMAZON VERTEILZENTRUM' IN GROSSEBERSDORFAPA/HANS KLAUS TECHT
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Die Bundeswettbewerbsbehörde will wissen, ob Amazon seine Marktmacht missbraucht, und hat Hunderte Auskunftsverlangen verschickt. Die Ermittlungen laufen in engem Kontakt mit dem deutschen Bundeskartellamt.

Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) hat im Ermittlungsverfahren gegen den US-amerikanischen Online-Händler Amazon nun eine Marktbefragung gestartet. "Es wurden mehrere 100 Auskunftsverlangen an die umsatzstärksten Händler durch die BWB ausgesandt", hieß es am Dienstag auf APA-Anfrage.

"Die Ermittlungen der BWB gehen zügig voran. Nach Auswertung der Marktbefragung und Gesprächen mit Amazon wird eine erste Einschätzung der Sachlage möglich sein", sagte BWB-Generaldirektor Theodor Thanner.

Die BWB eröffnete Mitte Februar ein Ermittlungsverfahren gegen Amazon. Die Wettbewerbshüter reagierten damit auf zahlreiche Beschwerden österreichischer Händler, die vom Handelsverband im Dezember 2018 eingereicht wurden. In den Beschwerden war die Rede von unbegründeten und plötzlichen Sperren von Händlerkonten sowie von der Verpflichtung, die Einkaufspreise offenzulegen. Zudem habe Amazon falsche Lieferangaben hinzugefügt und Produktrankings seien ohne Begründung verloren gegangen.

Die Bundeswettbewerbsbehörde will mit dem aktuellen Auskunftsverlangen die Marktposition von Amazon feststellen. Außerdem sind die von Amazon gegenüber den Marktplatzhändlern gesetzten Praktiken im Fokus, wie etwa Kontosperren, Ausschluss vom Handel mit bestimmten Produkten bzw. von Produktgruppen, Zustandekommen von Produktrankings, Manipulation betreffend Angaben zur Lieferzeit und Angaben über Einkaufspreise der Händler.

Die Wettbewerbshüter rechnen mit Ergebnissen der Marktbefragung im Laufe des nächsten Monats. Die derzeitigen Ermittlungen würden in engem Kontakt und Abstimmung mit dem deutschen Bundeskartellamt durchgeführt, hieß es am Dienstag.

Kurz will "faire Bedingungen" im Handel

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sieht im Match globale Online-Händler versus stationäre heimische Händler deutlichen Handlungsbedarf. Man versuche "faire Bedingungen" für die Handelsbranche zu schaffen, sagte Kurz am Dienstag beim Handelskolloquium des Handelsverbandes in Wien. "Da haben wir einiges zu tun."

Die ÖVP-FPÖ-Regierung hat Anfang April im Ministerrat neue Steuern für Internet-Unternehmen auf den Weg gebracht. Die Pläne umfassen eine Abgabe auf Online-Werbeumsätze in Höhe von 5 Prozent, eine Ausdehnung der Einfuhrumsatzsteuer im Online-Handel sowie eine Haftungsklausel für Online-Vermittlungsplattformen. Für den Pakethandel für Lieferungen außerhalb der EU will Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) den Zollwert unter 22 Euro "ab dem ersten Cent" besteuern, um "eine faire Basis zwischen traditionellem Handel in Österreich und dem Online-Handel" zu schaffen. Wirksam könnte laut Stöger die Besteuerung im Handel im Jänner 2021 werden.

Kurz begründete am Dienstag die von der Regierung geplante Digitalsteuer mit "Steuergerechtigkeit". In der EU würden Gewinne von Unternehmen im Schnitt mit 20 bis 22 Prozent besteuert, bei digitalen Unternehmen liege die Besteuerung aber unter 10 Prozent. Es müsse "ein Maximum an Gerechtigkeit" geben und Innovation müsse "unter denselben Regeln stattfinden".

Im Hinblick auf die geplante Steuerreform kündigte der Bundeskanzler Senkungen bei der Sozialversicherung sowie Lohn- und Einkommenssteuer für kleine und mittlere Einkommen an. Von der gestärkten Kaufkraft werde auch der Handel profitieren. "Da fließt wieder viel in den Konsum. Das ist positiv für den Handel", so Kurz.

10.000 Geschäfte geschlossen

Der Präsident des Handelsverbandes, Stephan Mayer-Heinisch, verwies bei seiner Eröffnungsrede ebenfalls auf die steuerlichen Vorteile von Amazon, Alibaba, Facebook und Google. Amazon würde etwa in den USA keinen Cent Steuer zahlen. Derzeit gebe es keine Steuergerechtigkeit und "Fairplay" im Online-Handel. Mayer-Heinisch lobte die nationalen Alleingänge bei Digitalsteuern in Frankreich, Großbritannien und Österreich. Es sei aber eine gesamteuropäische Lösung notwendig. Wenn nicht bald gehandelt werde, dann würden viele Strukturen im Handel kaputt gehen.

In den vergangen zehn Jahren ist laut dem Handelsverband die Zahl der Handelsflächen in Österreich "extrem zurückgegangen". Es hätten 10.000 Geschäfte geschlossen, so Mayer-Heinisch. Aktuell würden noch rund 90 Prozent der einzelhandelsrelevanten Einkäufe im stationären Handel getätigt, aber rund zwei Drittel der Einkäufe seien digital beeinflusst.

(APA)

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