Für Internethändler ist es oft günstiger, Retourware zu vernichten, als sie weiter zu verkaufen. In Deutschland soll diese Praxis nun eingeschränkt werden. Die Regierung will demnächst ein Gesetz vorlegen.
Wien/Berlin. Diese Geschichte bot reichlich Stoff für Kapitalismuskritik: Vor einem Jahr deckten deutsche Medien auf, dass bei Amazon in Deutschland jeden Tag Hunderte neuwertige Produkte in der Müllpresse zerstört und dann entsorgt werden. Was rein wirtschaftlich betrachtet nachvollziehbar ist, sorgt in Zeiten von Klimawandel und Umweltverschmutzung für große Empörung. Die Entsorgung kommt Unternehmen oft günstiger, als retournierte Turnschuhe und Kaffeemaschinen neu aufzubereiten und wieder zu verkaufen. Kaputte Dinge zu reparieren zahlt sich oft nicht aus.
Künftig soll es in Deutschland nicht mehr so leicht sein, Retourware großflächig zu verschrotten. Das Umweltministerium arbeitet an einem Gesetz, mit dem die Vernichtung zurückgegebener Waren eingeschränkt werden soll. Geplant ist eine „Obhutspflicht“ mit dem Ziel, rechtlich gegen die „unmittelbare Vernichtung von Retouren oder sonstiger Neuware vorgehen zu können“, so ein Sprecher.
Die deutschen Grünen hatten am Wochenende gefordert, es Internethändlern gänzlich zu verbieten, retournierte neuwertige Waren zu vernichten. „Wir erleben eine Perversion der Wegwerfgesellschaft“, sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Sie schlug vor, dass Produkte, die zurückgeschickt wurden und nicht mehr verkauft werden können, verschenkt werden, zum Beispiel über Sozialkaufhäuser. Nun prüft das Umweltministerium laut seinem Sprecher eine Umsatzsteuerbefreiung von Sachspenden. Derzeit fällt nämlich – wie auch in Österreich – Umsatzsteuer an, wenn Händler die Produkte spenden wollen. Außerdem fordern die Grünen, dass die Händler dafür sorgen, dass die Rohstoffe von schadhaften Produkten zurück in den Wertstoffkreislauf kommen.
Mehr Retouren in Österreich
Amazon, der Riese unter den Onlinehändlern, arbeitet nach eigenen Angaben daran, die Zahl der vernichteten Produkte zu reduzieren. Laut einer Studie der Universität Bamberg wird in Deutschland bei Onlinebestellungen jedes sechste Paket wieder zurückgeschickt. Im Vorjahr waren das 280 Millionen Pakete und 487 Millionen Artikel. Bei Kleidung und Schuhen wird sogar fast die Hälfte der Pakete retourniert. Vier Prozent der Retourwaren landen den Forschern zufolge im Müll. 79 Prozent werden als A-Ware wieder verkauft, 13 Prozent als B-Ware. Drei Prozent werden den Erhebungen zufolge gespendet oder an industrielle Verwerter verkauft.
In Österreich gab es voriges Jahr einen kräftigen Anstieg auf dem Paketmarkt. Zusteller wie die Post, DHL, Hermes und DPD stellten fast 228 Millionen Pakete zu, um neun Prozent mehr als ein Jahr davor. Die Zahlen stammen aus einer Analyse, die Branchenradar Ende Februar veröffentlicht hat. Das trieb auch die Retouren: Sie stiegen um 16 Prozent auf rund 28 Millionen Pakete. (hie)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2019)