Der langsame Tod der Zinsen

US-Präsident Donald Trump reizt die Fed mit seinen Attacken.
US-Präsident Donald Trump reizt die Fed mit seinen Attacken.REUTERS
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US-Präsident Donald Trump hat mit seinen Attacken die unabhängige US-Notenbank unter Druck gesetzt. Die Abkühlung der Wirtschaft ließ der Fed keine Wahl, sie senkte die Zinsen.

Wien/New York. Acht Jahre steht Mario Draghi an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB), wenn er im Oktober die Führung an Christine Lagarde übergibt. Acht Jahre, in denen er nicht ein einziges Mal die Zinsen erhöht hat. Im Gegenteil: Unter seiner Ägide ging es stetig runter, von einem Prozent bis auf null (2016), wo der europäische Zinssatz seitdem verharrt.

Von dieser Bilanz ist Draghis US-Pendant, Jerome Powell, weit entfernt: Seitdem er am 5. Februar 2018 zum Präsidenten der Federal Reserve gekürt worden ist, hat die US-Notenbank viermal den Leitzins erhöht. Aber auch vor Powell ging es mit den Zinsen in den USA nach oben. Nach der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 senkte die Fed den Satz aggressiv auf 0,25 Prozent, um die Wirtschaft zu stabilisieren. 2015 kam die Kehrtwende. Seither stieg der Leitzins in neun Schritten auf 2,5 Prozent.

Nun hat die Fed, wie von den meisten Experten erwartet, die Zinsen gesenkt – Mittwochabend wurde der Leitzins, die Fed Funds Rate, um 0,25 Prozentpunkte auf 2,00 bis 2,25 Prozent reduziert. Eine Zinssenkung – erstmals nach zehn Jahren – stellt eine historische Zäsur in der Geldpolitik der Vereinigten Staaten dar. Und sie verheißt nichts Gutes. Die Notenbank will damit die drohende Abschwächung der US-Wirtschaft „im Lichte der globalen Entwicklung“ auffangen, wie sie betonte.

Die US-Wirtschaft ist zwar im Vergleich zu Europa robust – im zweiten Quartal gab es im Jahresvergleich ein Plus von 2,1 Prozent –, aber die Indizien für eine Schwäche mehren sich: Im Auftaktquartal ist die US-Wirtschaft um 3,1 Prozent gewachsen. Im zweiten Quartal fielen die Exporte um 5,2 Prozent. Der private Konsum wuchs im Juni nur um 0,3 Prozent im Vergleich zum Mai, wo es ein Wachstum von 0,5 Prozent gegeben hat. Auf den privaten Verbrauch entfallen zwei Drittel des BIPs der weltgrößten Volkswirtschaft. Die Inflationsrate liegt mit 1,6 Prozent konstant unter dem von der Fed – und der EZB – angestrebten Ziel von zwei Prozent.

„Immun“ gegen Politdruck

Powell, der noch zum Jahreswechsel 2018/19 weitere Zinserhöhungen in Aussicht gestellt hatte, ist zuletzt massiv zurückgerudert. Er hat mehrfach eine Lockerung der Geldpolitik ins Spiel gebracht. Wobei der Fed-Chef in einer Zwickmühle ist. Denn mit der Senkung tut er US-Präsident Donald Trump einen Gefallen – was der Fed angesichts ihrer Unabhängigkeit gar nicht zupasskommt.

Trump hat die Fed mehrfach harsch kritisiert und eine Zinssenkung eingefordert. Mit seiner Aussage, die Fed sei „völlig ahnungslos“ und das „hartnäckigste Problem“ der Wirtschaft, hat er sich bei den Notenbankern keine Freunde gemacht. Zumal er auch drohte, Powell degradieren zu können. Dieser betonte daraufhin, die Fed sei „immun“ gegen kurzfristigen politischen Druck.

Am Dienstag ritt Trump eine weitere Attacke und legte nach: Eine Zinssenkung um 0,25 Prozentpunkte sei nicht genug, es brauche „eine große Absenkung“, erklärte der Präsident. Die Fed müsse auch ihre Anleihenkäufe wieder ausweiten. Diese herunterzufahren und gleichzeitig die Zinsen zu erhöhen sei „ein großer Fehler“ gewesen, so Trump.
Kein Wunder, dass im Juni nicht alle Fed-Mitglieder eine Zinssenkung goutierten, wie aus den Sitzungsprotokollen hervorgeht. Jetzt waren zwei dagegen.

Dass Trump, der nun enttäuscht sein dürfte, selbst mit dem von ihm angezettelten Handelskonflikt mit China die globale Konjunktur und den Welthandel unter Druck setzt, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Das will Trump aber nicht wahrhaben, vielmehr erwägt er ununterbrochen neue Zölle. Er will 2020 wiedergewählt werden und setzt darauf, dass die Wirtschaft zumindest kurzfristig floriert und die Finanzmärkte, die wegen des Handelskonflikts und anderer politischer Krisen volatil sind, nicht nachhaltig abstürzen.

Nächster Schritt im Herbst?

Die Frage, die Ökonomen beschäftigt, lautet nun: War es das schon oder ist das der Auftakt zu einer Serie von Zinssenkungen? Powells Aussagen deuten auf eine weitere Lockerung hin, auch weil die Fed die Drosselung des Anleihenprogramms im August beenden wird, zwei Monate früher als geplant. Die Fed wolle „angemessen handeln“, um das Wachstum zu stützen, hieß es. Volkswirte halten die nächste Zinssenkung im September für möglich.

Volkswirte reagierten unterschiedlich: „Das ist keine Reaktion auf Trumps verbale Interventionen, sondern auf seine folgenschwere und für die USA hochgradig schädliche Handelspolitik“, sagte Friedrich Heinemann von ZEW. Anders Otmar Lang von der Targobank: „Eine unnötige Zinssenkung, die aber keinem schadet. Sicher ist, dass die Entscheidung den amerikanischen Präsidenten nicht zufriedenstellen wird.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2019)

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