Argentinier flüchten in den Schwarzmarkt

Argentinier können sich einen normalen Einkauf kaum mehr leisten. Sie flüchten in die Tauschwirtschaft. Am 15. September sollte der IWF frisches Geld nachschießen. Aber ob und wann der Hilfsfonds das tatsächlich tut, bleibt ungewiss. Geäußert hat er sich noch nicht.
Argentinier können sich einen normalen Einkauf kaum mehr leisten. Sie flüchten in die Tauschwirtschaft. Am 15. September sollte der IWF frisches Geld nachschießen. Aber ob und wann der Hilfsfonds das tatsächlich tut, bleibt ungewiss. Geäußert hat er sich noch nicht.(c) APA/AFP/RONALDO SCHEMIDT (RONALDO SCHEMIDT)
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Argentinien ist zum dritten Mal in diesem Jahrhundert pleite. Das trifft vor allem arme Menschen. Sie können sich kein Essen mehr leisten und helfen sich mit Tauschgeschäften.

Buenos Aires/Wien. Gestürmte Einkaufsläden, Wartelisten für Suppenküchen, Arbeitslosigkeit, Armut: Argentinien ist im Ausnahmezustand.

Jetzt flüchten immer mehr Menschen in den Schwarzmarkt. In WhatsApp-Gruppen organisieren Hunderte private Flohmärkte. Dort tauschen sie das, was sie noch haben, gegen das, was sie am ehesten gebrauchen können. Viel ist es nicht. Denn ein Drittel der Argentinier lebt an der Armutsgrenze. Für sie sind Lebensmittel zu einem Luxusgut geworden. Die Bürger können sich den normalen Einkauf nicht mehr leisten und flüchten daher in Tauschgeschäfte. Die immer professioneller organisiert werden. Für viele ist es die einzige Chance zu überleben.

Eine Hungersnot droht

Denn in den wenigen Suppenküchen gibt es inzwischen Wartelisten. Eine Hungersnot droht. Deswegen fordert die Opposition das Ausrufen eines Lebensmittelnotstands. Aktivisten haben wichtige Straßen blockiert, Regierungsgebäude belagert und Einkaufszentren gestürmt.

Doch die Regierung bleibt untätig. In den vergangenen Wochen hat sich die Lage zugespitzt, nachdem der amtierende Präsident, Mauricio Macri, bei der Präsidentschaftsvorwahl gegen den Oppositionskandidaten Alberto Fernandez eine herbe Niederlage erlitten hatte. Der Wahlausgang führte zu einem massiven Verkauf der argentinischen Vermögenswerte. Investoren befürchten, dass Macri seine marktfreundliche Haltung aufheben und eine populistische Wirtschaftsagenda umsetzen wird. Die offizielle Abstimmung für das Präsidentenamt findet nun am 27. Oktober statt.

Die starke Abwertung des Peso ließ die Inflation im August in die Höhe schnellen. Die Preise stiegen im August um vier Prozent gegenüber dem Vormonat. Bei dem Versuch, die Abwertung zu bremsen, verlor die argentinische Zentralbank rund zehn Milliarden Dollar, knapp 20 Prozent der Devisenreserven. Die Analysten gehen nun davon aus, dass die Inflation im September weiter ansteigen wird. Ein herber Rückschlag für Macri. Er hatte seit seiner Machtübernahme 2015 wiederholt versprochen, dass es „einfach“ sein würde, die Inflation zu senken, und dass die hohe Inflation ein Zeichen für eine inkompetente Regierung gewesen sei. Die jährliche Inflation hat sich von rund 25 Prozent im Jahr 2015 auf 54,5 Prozent in den letzten zwölf Monaten mehr als verdoppelt.

Dritte Pleite in diesem Jahrhundert

Argentinien steckt in der Schuldenfalle. Die Staatsverschuldung entspricht inzwischen beinahe 90 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Kurse argentinischer Staatsanleihen stürzten ab, die Zinssätze, die das Land für neue Schulden zahlen muss, schossen in die Höhe. Es ist nach 2001 und 2014 die dritte Pleite Argentiniens in diesem Jahrhundert.

Die Schulden in Höhe von 101 Milliarden Dollar beim Internationalen Währungsfonds (IWF) und anderen Gläubigern werden umgeschichtet, also können sie wohl kaum zurückbezahlt werden. Es war die bisher größte Rettungsaktion in der Geschichte des IWF.

Frisches Geld sollte der IWF am 15. September nachschießen. Geäußert hat sich der Hilfsfonds aber noch nicht dazu, wann die nächste Kredittranche in Höhe von 5,4 Milliarden Dollar ausgezahlt wird. Wird es überhaupt zu einer Auszahlung kommen? Die populistische Haltung Macris dürfte auch dem US-amerikanischen Ökonomen David Lipton, der seit dem Rücktritt von Christine Lagarde den Fonds leitet, nicht entgangen sein. Wahrscheinlich wird der IWF Maßnahmen zur Restrukturierung verlangen.

Sollte die Kreditgeberin nicht zahlen, dürfte das die Regierung Macris weiter unter Druck setzen. Egal ob Macri oder Fernandez die Regierung fortsetzt, es wird keine leichte Aufgabe sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.09.2019)

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