Der Sündenfall von BP: "Das war menschliche Blödheit"

Protesters from the Greenpeace group are seen on a balcony at the BP headquarters in central London T
Protesters from the Greenpeace group are seen on a balcony at the BP headquarters in central London T(c) AP (Lefteris Pitarakis)
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Interne Emails von BP zeigen: Schlampereien, Zeitdruck und Gier gingen der Explosion der „Deepwater Horizon“ voraus. Den Betreiber Transocean trifft keine Schuld, sagt ein österreichischer Offshore-Pionier.

Wien. „Das war keine Katastrophe, kein Unglück, sondern menschliche Blödheit“, wettert der Ölveteran und ehemalige OMV-Manager Wolfgang Zimmer über den britischen Ölkonzern BP.  Tatsächlich bringen die Ermittlungen des US-Kongresses Erstaunliches zu Tage. Interne BP-Mails (siehe Faksimile) zeugen von Zeitdruck, Gier und Schlampereien, die der Explosion auf der Bohrinsel „Deepwater Horizon“, bei der elf Arbeiter ums Leben kamen, vorangegangen sind. Seither haben sich hunderte Mio. Liter Öl ins Meer ergossen.

Der Konzern verzichtete etwa auf übliche Dichtungsringe und überlappende Verrohrung. Stattdessen verließ sich BP auf ein einziges Transportrohr und auf eine Zementschicht, die den Eintritt von Gas verhindern sollte. „Drei Tage“ würden dadurch gespart, rühmt sich ein Mitarbeiter in einem Email. Schulterklopfen dürfte ihm gewiss gewesen sein, war jeder Tag Zeitersparnis doch 1,5 Mio. Dollar wert. Halliburton, eine Firma, die die Zementarbeiten ausführte, warnte vor „schwerwiegenden Gas-Problemen“. Auch sie wurde nicht gehört. Vier Tage vor dem Unglück gab BP noch weitere Änderungen bekannt. Statt das Teleskoprohr mit branchenüblichen 20 „Centralizern“ zu stabilisieren, mussten sechs ausreichen.

Die Zeit drängte. Als BP das Bohrloch zum Test frei gab, war die Zementschicht noch nicht ausgehärtet. Jene Firma, die das hätte überprüfen sollen, schickte BP unverrichteter Dinge nach Hause – elf Stunden vor der Explosion.

So konnte eine Gasblase in den Zement sickern und sich am Hauptrohr vorbei nach oben schleichen. Der „Blow Out Preventer“, die letzte Schutzvorrichtung, die das Gas am Austreten hindern sollte, sprang nicht an.

Schwache Batterien und die billigste Ausführung wurden vor dem Kongress dafür als Gründe genannt. An der Oberfläche angelangt, war die Blase auf das 400fache angewachsen und verursachte die Explosion auf dem „Alptraum-Rig“, wie BP-Mitarbeiter die Plattform zuvor in Emails nannten.

„Transocean war nur der Maurer“


„Ein derartiges Design ist Standard für seichte Offshore-Bohrungen“, sagt Paul Fink, Zimmers Kompagnon bei der gemeinsamen Ölbohrfirma ADX Energy, zur „Presse“. Für Bohrungen in 1500 Meter Tiefe wie im Golf von Mexiko aber sei es sicher nicht geeignet. Der Schweizer Firma Transocean, Betreiber der Plattform, trifft in Finks Augen keine Schuld. „Sie waren nur der Maurer, der Bauherr war BP.“ Und wenn der Bauherr nach den billigen Ziegeln verlange, dann würden eben die billigen Ziegeln verwendet. 

Die Kritik aus der Branche hat freilich auch mit der Sorge um das eigene Geschäft zu tun. Zimmer und Fink bohren mit ihrem Unternehmen selbst in der Tiefsee. Auch die US-Firma Anadarko hat gute Gründe, den Briten „Fahrlässigkeit“ vorzuwerfen. Der Ölförderer ist zu einem Viertel am Macondo-Ölfeld im Golf von Mexiko beteiligt. Die Ölpest wäre zu verhindern gewesen, klagt der BP-Juniorpartner heute. Schließlich droht ein Teil der Kosten an ihm hängen zu bleiben.

Korrekt durchgeführt seien Offshore-Bohrungen sicher, versuchen die Ölveteranen zu beruhigen. Vom BP-Vorschlag eines branchenweiten Katastrophenfonds, der vor allem auch kleineren Ölfirmen die Bohrungen auf hoher See ermöglichen soll, hält Zimmer nichts. „Warum soll ich zahlen, wenn BP schlampig ist? Wir könnten uns so ein Vorgehen ohnehin nie leisten“. Jede Versicherung wäre längst ausgestiegen. Schon jetzt fordern Versicherer fast drei Mal mehr als vor der Ölpest. BP versichert sich hingegen selbst.

Fink erwartet auch schärfere Sicherheitsauflagen. „Künftig wird jeder nachweisen müssen, dass er sofort eine Entlastungsbohrung durchführen kann“. BP hatte Glück, im Golf von Mexiko tummeln sich genügend Bohrinseln, die helfen konnten. Ein taiwanesischer Ölförderer wartete jüngst bei einem ähnlichen Unfall vor Australien zwei Monate auf Material.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2010)

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