Konjunktur: „Europas Problem sind die Banken“

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Konjunktur bdquoEuropas Problem sind(c) AP (Petros Giannakouris)
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Der Internationale Währungsfonds kürzt die Prognose für Europa, sieht die Weltwirtschaft aber schneller wachsen. Experten warnen vor Gefahren durch unterkapitalisierte Euro-Banken.

wien (ju). Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat seine Wirtschaftsprognose (siehe Grafik) für Europa leicht gesenkt, für die Welt aber leicht angehoben. Die Weltwirtschaft wird also nach der gestern, Donnerstag, vorgelegten Prognose mit 4,3 Prozent in diesem und 4,6 Prozent im folgenden Jahr trotz der Turbulenzen in der Euro-Zone etwas schneller wachsen als zuletzt angenommen.

Allerdings: Wie alle Wirtschaftsprognosen der jüngsten Zeit trägt sie den Zusatz, sie sei mit „großen Risken“ behaftet, das „Abwärtsrisiko“ habe „scharf zugenommen“. Soll heißen, die Prognostiker gehen bei ihren optimistischen Vorschauen davon aus, dass in den konjunkturellen Risikoregionen – etwa in der staatsschuldengeplagten Euro-Zone – nichts mehr passiert. Das gilt unter vielen Experten derzeit aber als äußerst unwahrscheinliches Szenario.

Der renommierte Brüsseler Thinktank CEPS (Center for European Policy Studies) beispielsweise ist der Meinung, dass Europa nicht zuletzt durch eine falsche Reaktion auf die Staatsschuldenkrise in Südeuropa in ein ganz ernstes Problem schlittert. Die europäische Achillesferse sei sein unterkapitalisierter Bankensektor, schreibt CEPS-Direktor Daniel Gros in einem praktisch zeitgleich mit der IWF-Prognose veröffentlichten Kommentar. Europa werde nicht aus der Krise kommen, solange dieses Problem nicht repariert sei.

9000 Milliarden notwendig?

Gros macht sich Gedanken darüber, wieso die Märkte auch nach dem 750-Mrd.-Euro-Rettungsschirm für die bedrohten PIIGS-Länder (Portugal, Irland, Italien, Griechenland und Spanien) nicht beruhigt werden konnten, obwohl der Rettungsschirm beispielsweise ein schlimmes Szenario (griechische und spanische Staatsanleihen verlieren 50 Prozent ihres Werts, wodurch 450 Mrd. Euro Abschreibungsbedarf entsteht) locker verkraften könnte.

Und kommt zu dem Schluss, dass die Rechnung falsch aufgestellt ist, weil der Schutzschirm nicht zur Rettung bedrohter Banken, sondern zur Rettung bedrohter Staaten aufgespannt ist. Die Banken der Euro-Zone, so Gros, seien äußerst schwach kapitalisiert. Auf einen Euro Eigenkapital und Reserven fallen rund 20 Euro Verbindlichkeiten. Das bedeutet, so Gros, dass bei dem oben beschriebenen Szenario nicht 450 Mrd. Euro, sondern Garantien im Ausmaß der astronomischen Summe von 9000 Mrd. Euro benötigt würden, um das Bankensystem der Euro-Zone zu stabilisieren.

Gros schlägt vor, das Problem ernsthaft anzusprechen (was in Griechenland und Spanien derzeit nicht geschehe), die Banken-Stresstests in der Euro-Zone „rigoros“ durchzuführen (was nicht überall der Fall zu sein scheint) und unterkapitalisierte Banken nach Vorliegen der Stresstest-Ergebnisse zu ausreichender Rekapitalisierung zu verpflichten. Denn das größte Problem der Euro-Zone sei eben nicht die Staatsschuldenkrise in Südeuropa, sondern die Kapitalschwäche der in diese Schuldenkrise als Gläubiger verstrickten Banken.

Die Aussagen des CEPS-Experten spiegeln sich in der IWF-Weltwirtschaftsprognose wider: Dort ist zu lesen, es hänge im Wesentlichen vom Verhalten der europäischen Staaten und von der Wiederherstellung des Vertrauens in das europäische Finanzsystem ab, ob das globale Wachstum wirklich so vergleichsweise kräftig wie prognostiziert ausfallen wird.

Die verlangte „Wiederherstellung des Vertrauens“ in die staatliche Budgetpolitik und die Stabilität des Finanzsystems ist freilich selbst eines der Wachstumsrisken, wie der IWF konzediert. Der unbedingt notwendige Abbau der Staatsschulden dürfe etwa „nicht überhastet“ und nicht zu kräftig ausfallen, heißt es. Jedenfalls sollten keine teuren Konjunkturpakete mehr geschnürt werden, bei den Sparmaßnahmen müsse man aber die Konjunktur im Auge haben.

Bremsen werden aber auch die Finanzmarktreformen. Höhere Kapitalunterlegungsvorschriften bedeuten nämlich auch eine Einschränkung der Kreditvergabe. Das könnte sich unangenehm auswirken, wenn der Aufschwung tatsächlich stärker wird und damit auch die Nachfrage nach Unternehmenskrediten deutlich steigt.

Zu den Wachstumsmärkten, die die Weltwirtschaft aus der Krise ziehen, zählt der Währungsfonds vor allem Indien und China. Auch die US-Wirtschaft wird mit einem Wachstum von 3,3 Prozent in diesem und 2,9 Prozent im nächsten Jahr zu den schneller wachsenden Ländern gehören. Allerdings: Aus den USA kamen in den vergangenen Tagen auch Ökonomenstimmen, die vor einer deutlichen Wachstumsabkühlung im Herbst warnen.

Erholung in Osteuropa

Erholungszeichen sieht das österreichische Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) in Osteuropa. Allerdings verlaufe die Erholung in vielen Regionen eher schleppend. Weil sie von den Exporten getragen werde, seien vor allem jene Länder gut dran, die auf eine flexible Währungspolitik (sprich: kompetitive Abwertungen) zurückgreifen können.

„Wirtschaftsmotoren“ mit hohen Wachstumsraten dürften dort heuer die Türkei (plus 6,3 Prozent), Russland (plus vier Prozent) und die Ukraine (plus 3,8 Prozent) sein. In der Rezession bleiben heuer noch Lettland, Litauen und Kroatien stecken. Die Arbeitslosigkeit bleibt in Osteuropa hoch, dürfte aber heuer den Gipfelpunkt überschreiten.

APA

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2010)

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