Stresstest: Analyse der Ergebnisse

Nun weiß Europa, in welcher Verfassung seine Banken sind. 91 Institute mussten sich einem Crashtest unterziehen. „Die Presse“ bringt eine Analyse der Ergebnisse.

Der Stress ist vorbei. Fast alle europäischen Großbanken können aufatmen: Am Freitagabend wurden gegen 18 Uhr (unmittelbar nach Börsenschluss) die Ergebnisse der Bankenstresstests veröffentlicht. Nur sieben Institute sind durchgefallen. „Die Resultate sind extrem positiv“, sagt Erste Bank-Chef Andreas Treichl. Der Test habe gezeigt, „dass die Kapitalisierung des Bankensystems wesentlich besser und stärker ist als angenommen“.  Seinen Angaben zufolge würden mindestens 60 Prozent des europäischen Finanzsystems eine neue harte Krise aushalten. Die Belastungsprobe für die Banken ist mit einem Crashtest für Autos vergleichbar. Die Behörden untersuchten, wie stark die Institute bei einer neuerlichen Krise unter Druck gerieten. Dazu die wichtigsten Fragen und Antworten:

Was bringt der ganze Aufwand?

Ziel von Politikern und Aufsichtsbehörden ist es, das Vertrauen in die europäischen Banken wiederherzustellen. Stresstests sind allerdings keine Erfindung der Krise. Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) kontrolliert die Banken zweimal im Jahr. Neu ist, dass die Resultate veröffentlicht werden. Vorbild sind die USA, die im Vorjahr Testergebnisse publizierten. Damals reagierten die Finanzmärkte positiv. Denn es wurden alle Problemfälle identifiziert.

Welche Banken wurden getestet?

Kontrolliert wurden 91 Großbanken. Das Komitee der Europäischen Bankenaufseher (Cebs) in London hat vorgeschrieben, dass in allen Ländern jene Institute „gestresst“ werden, die zusammen 50 Prozent des nationalen Finanzsektors abdecken. Im stark zersplitterten spanischen Markt wurden 27 Institute überprüft, in Deutschland waren es vierzehn. In Österreich gab es mit Erste Bank, Raiffeisen Zentralbank und Bank Austria nur drei Teilnehmer.

Was wurde genau geprüft?

Am Computer wurden drei Szenarien durchgespielt. Beim Basisszenario wurde untersucht, wie sich das Eigenkapital der Banken entwickelt, wenn die Wirtschaft in der Eurozone bis 2011 genauso stark wächst, wie es die EU-Kommission zuletzt erwartet hat.
Beim zweiten Szenario wird es ernst. Hier simulierte die Aufsicht einen Konjunktureinbruch um bis zu drei Prozentpunkte mit vielen Kreditausfällen.
Im dritten Szenario wird noch ein Crash auf dem Staatsanleihenmarkt angenommen. Es wurde ein Schock simuliert, wie er sich Anfang Mai auf dem Höhepunkt der Griechenland-Krise ereignete.

Wann ist eine Bank durchgefallen?

Durchgefallen ist eine Bank, wenn die Kernkapitalquote, im Fachjargon „Tier 1“ genannt, unter sechs Prozent gesunken ist. Die Kernkapitalquote gibt das Verhältnis des Kernkapitals (das von den Eigentümern eingezahlte Kapital plus einbehaltene Gewinne – sozusagen die eiserne Reserve für Notfälle) zur Summe der Kredite an.

Welche Banken sind durchgefallen?

Eine deutsche, eine griechische und fünf kleine spanische Banken sind durchgefallen. In Deutschland krachte es bei der Hypo Real Estate (HRE) – das ist keine Überraschung. Denn die HRE wurde im Herbst 2008 mit der Verstaatlichung vor der Pleite gerettet.

Was passiert mit den Problemfällen?

Nach Angaben der europäischen Bankenaufseher brauchen die sieben Problemfälle 3,5 Milliarden Euro, allein bei der deutschen HRE sind zwei Milliarden Euro notwendig. Für den Geldbedarf werden die jeweiligen Staaten aufkommen. Noch am Freitag hat die EU das Hilfsprogramm für die spanische Finanzbranche verlängert.

Sind die Tests aussagekräftig?

Kritiker bemängeln, dass die Annahmen für den Test nicht streng genug sind. „Das Ganze ist eher eine PR-Maßnahme für den Finanzsektor“, meint der prominente Vermögensverwalter Jens Ehrhardt. Denn die Auswirkungen einer Pleite von Griechenland wurden nicht geprüft. Außerdem mussten die Banken griechische und andere europäische Staatsanleihen nur dann im großen Stil abwerten, wenn sich diese im Handelsbuch befunden haben. Das Handelsbuch ist jener Bereich in der Bilanz, in dem Wertpapiere gehalten werden, die jederzeit verkauft werden können. Nicht getestet wurde allerdings das Bankbuch. Dort liegen die meisten Griechenland-Papiere bis zur Fälligkeit, sprich: Sie sind nicht für den Verkauf bestimmt. Die Banken gehen davon aus, dass Griechenland die Schulden bedienen kann. s

Wie sind die Resultate zu bewerten?

Banken, die beim Test besonders gut abgeschnitten haben, sind nicht automatisch die Besten. Die „Royal Bank of Scotland“ liegt nur deswegen weit vorn, weil sie vom britischen Staat im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise mit Milliarden unterstützt wurde.

Zu beachten ist außerdem das Geschäftsmodell der Institute. So ist eine Kernkapitalquote von sechs Prozent für Retail-Banken, die sich auf das klassische Spar- und Kreditgeschäft konzentrieren, ein komfortabler Polster. Anders sieht die Lage bei Investmentbanken aus. Diese sind auf riskante Börsen- und Wertpapiergeschäfte spezialisiert. Sie sollten mehr als sechs Prozent haben.

Laut OeNB-Chef Ewald Nowotny wären in der EU ohne Staatshilfen deutlich mehr Institute durchgefallen. Seiner Ansicht nach sind die Ergebnisse der Europäer „vergleichsweise besser als die der amerikanischen Banken 2009, weil der US-Test durchgeführt wurde, bevor es dort zu Kapitalzuführungen durch den Staat kam.“

Was bedeutet der Test für Österreich?

Die drei geprüften österreichischen Banken liegen im Mittelfeld. Bei der Erste Bank würde im Krisenszenario die Kernkapitalquote von 9,2 Prozent auf 8,0 fallen, bei der RZB von 9,3 Prozent auf 7,8 Prozent. Die Bank Austria ist im Ergebnis der italienischen UniCredit enthalten und wird nicht extra ausgewiesen. Die UniCredit kommt im Krisenfall auf eine Kapitalquote von 7,8 Prozent.

In Österreich gibt es aber sechs systemrelevante Banken, die im Notfall vom Staat aufgefangen werden müssten. Viel besser wäre es gewesen, auch die Bawag, das Volksbanken-Spitzeninstitut ÖVAG und die Hypo Alpe Adria zu stressen. Diese haben zuletzt Verluste erwirtschaftet.

("Die Presse" Printausgabe vom 24. Juni 2010)

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