Erst die Reaktion der Finanzmärkte wird zeigen, ob der Test erfolgreich war. Analysten und Ökonomen setzten ihre Kritik an den Kriterien des Tests fort und hinterfragten seine Aussagekraft.
wien(Bloomberg/Reuters/jaz). Die Reaktionen auf den am Freitagabend veröffentlichten Stresstest waren über das Wochenende geteilt. Bankmanager, Politiker und Notenbankpräsidenten freuten sichüber das Ergebnis – wie berichtet fielen nur sieben von 91 europäischen Instituten durch den Test. Analysten und Ökonomen setzten indes ihre Kritik an den Kriterien des Tests fort und hinterfragten seine Aussagekraft.
„Das war nur eine Operation zur Beruhigung der Märkte“, meinte sogar Jochen Sanio, Chef der deutschen Finanzmarktaufsicht Bafin. Ob dies gelungen ist, lässt sich jedoch erst nach Öffnung der Börsen am Montagmorgen sagen. Daher sind viele Analysten wegen der Ergebnisse skeptisch, die „nichts Neues“ gebracht haben, so der Tenor. Durchgefallen seien nämlich nur jene Institute, bei denen allgemein klar war, dass sie massive Probleme haben und die oftmals, wie die deutsche Hypo Real Estate, schon verstaatlicht worden sind.
Zwei Punkte werden hauptsächlich kritisiert: Erstens sei die mindestens notwendige Kernkapitalquote mit sechs Prozent zu gering angesetzt gewesen. Diese sollte laut Experten höher angesetzt werden. Wie berichtet lagen 17 Institute zwischen sechs und sieben Prozent – schrammten also nur knapp an einem Scheitern vorbei.
Höhere Abwertung möglich
Zweitens wurde die hypothetische Abwertung von Staatsanleihen nur im sogenannten Handelsbuch der Banken durchgeführt. Laut einer Studie von Morgan Stanley haben die Banken Staatsanleihen aber zu 90 Prozent im sogenannten Bankbuch liegen. Sollte es zu den im Stresstest unterstellten Problemen kommen, wären die Abwertungen somit deutlich höher.
Im Vorfeld des Tests wurde von Analysten ein Rekapitalisierungsbedarf zwischen 38 und 85Mrd. Euro angenommen. Bei dem Stresstest in den USA von vor einem Jahr fiel etwa die Hälfte der Banken durch und benötigte in Summe 74,6Mrd. Dollar (57,8 Mrd. Euro). Laut dem Test brauchen die sieben durchgefallenen Banken jedoch nur 3,5 Mrd. Euro. „Ich glaube nicht, dass der Markt so dumm ist und glaubt, dass die Analysten so falschgelegen sind“, sagt Jason Brady von Thornburg Investment.
Der heimische Notenbank-Chef, Ewald Nowotny, erklärte den geringeren Kapitalbedarf in Europa damit, dass es ja bereits staatliche Kapitalspritzen im Ausmaß von rund 200 Mrd. Euro gegeben habe. Das war in den USA bei dem dortigen Test vor einem Jahr noch nicht der Fall gewesen.
Siehe Leitartikel, Seite 23
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2010)