Salzburger Trilog: "Bereit sein für nächste Krise"

Salzburger Trilog Bereit sein
Salzburger Trilog Bereit sein(c) APA/BUNDESHEER/DRAGAN TATIC (BUNDESHEER/DRAGAN TATIC)
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Hochkarätige Gäste diskutierten die Grenzen des Wachstums. Der Hauptstrang des Salzburger Trilogs, die Debatte über "ethische Marktwirtschaft", verlief zum Teil leidenschaftlich.

Salzburg. Kann es auch Wohlstand ohne Wirtschaftswachstum geben – oder ist das nur eine Schimäre grüner Träumer? Ist das Bruttoinlandsprodukt ein geeigneter Indikator, um den Glücks- und Fortschrittspegel einer Gesellschaft zu messen? Oder muss das BIP durch andere Faktoren wie soziale oder ökologische Nachhaltigkeit ergänzt werden? Diese Fragen diskutierte am Wochenende beim Salzburger Trilog auf Einladung der Bertelsmann-Stiftung eine hochkarätige Runde.

Pascal Lamy, Chef der Welthandelsorganisation WTO, saß ebenso am Tisch wie OMV-Chef Wolfgang Ruttenstorfer, Rewe-Vorstand Werner Wutscher, Zukunftsforscher Jerome Glenn oder der chinesische Großinvestor Victor Chu. Dazu hatte Kogastgeber Außenminister Michael Spindelegger seine Kollegen aus der Ukraine (Grischtschenko), Bulgarien (Mladenow), Aserbaidschan (Mammadjarow), Georgien (Vaschadze) sowie den griechischen Vize-Außenminister Droutsas nach Salzburg gelotst. Das ist Teil seiner Schwarzmeer-Offensive, die er zu Sommerbeginn mit der Eröffnung einer neuen Botschaft in Baku gestartet hat und vorantreiben will.

Vom Schwarzmeer aus nimmt sich jeder Zweifel am Wachstumsmodell wie eine Luxusdiskussion aus. Zuerst brauchen wir erfolgreiche Märkte, dann können wir über ethische Märkte reden, sagte einer der Außenminister in der Debatte. (Zitate durften Journalisten laut Chatham-Rules nicht zuordnen.)

Nicht Nachhaltigkeit, sondern politische Stabilität ist das grundlegende Thema für die spannungsreiche Region, die noch vor zwei Jahren einen Krieg zwischen Russland und Georgien erlebt hat. Für Österreich ist die Erschließung der (Wachstums-)Märkte in der Region interessant, im Gegenzug bietet es sich als Fürsprecher in der EU an. Nächstes Frühjahr ist eine Konferenz in Wien geplant, auch Russland und Türkei sollen vertreten sein, die Big Player in der Region. Derzeit lähmen interne Konflikte den Schwarzmeer-Rat. Die in Salzburg anwesenden Außenminister plädierten dafür, die Blockade durch gemeinsame Projekte zu durchbrechen, etwa eine Autobahn rund ums Schwarzmeer.

„Radikales Umdenken nötig“

Der Hauptstrang des Trilogs, die Debatte über „ethische Marktwirtschaft“, verlief zum Teil leidenschaftlich. Zwei Narrative prallten aufeinander. Die einen meinten, das jetzige globale System sei auf Dauer nicht aufrechtzuerhalten. Es erzeuge zu viel Stress, betreibe Raubbau an knappen Ressourcen und gefährde die Umwelt: Ein radikales Umdenken sei erforderlich. Ohne Kapitalismus, ohne Wachstum, ohne Innovation könne es keinen Fortschritt und keinen Wohlstand geben, sagte die Gegenseite. „Wollen wir jetzt den Armen in Pakistan oder Afrika sagen, ihr braucht unser unmoralisches Wachstum nicht?“, fragte ein Verfechter des Marktliberalismus. Aber es gab auch Positionen der Mitte, die einem „anderen Wachstum“ das Wort redeten, das weniger Rohstoffe verschlingt. Auch da stellte sich die Frage nach der Umsetzung.

Weitgehende Übereinstimmung bestand in der Analyse der Finanzkrise: Man war sich einig, dass eine bessere Aufsicht der Finanzmärkte nötig sei. Ausgerechnet im globalisiertesten Bereich der Weltwirtschaft, der Finanzwirtschaft, gebe es immer noch ein schwarzes Loch in der Regulierung. Aber auch hier warnten Stimmen vor einer Überregulierung.

Dass der Aufschwung Deutschlands auf die gute alte Realwirtschaft, auf Industrieproduktion und auf Exporte zurückzuführen ist, nahmen viele Diskutanten als ermutigendes Zeichen dafür, dass es auch ohne Finanzblasen aufwärts gehen kann. Und erleichtert stellte man im Rückblick auf die Lehman-Krise fest, dass es im Welthandel keinen zerstörerischen Protektionismus wie in den 30er-Jahren gibt. „Wir lernten von früheren Krisen, aber wir lernten noch nicht aus dieser Krise“, sagte ein Teilnehmer. „Wir sollten bereit sein für die nächste Krise.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2010)

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