Im Währungskrieg kommen nur die Schwächsten durch

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China, Japan und Brasilien drücken die Kurse ihrer Währungen. Das kritisiert jetzt Ökonom Stiglitz. Der IWF warnt: Der Abwertungswettlauf wird zur Gefahr für die Weltwirtschaft. Das erste Opfer könnte Europa sein.

Wien. Ein neues apokalyptisches Modewort ist geboren: der Währungskrieg. Die Waffe in diesem Krieg ist eine durch Interventionen schwach gehaltene Währung, die so die Exporte beflügelt und den heimischen Aufschwung beschleunigt – auf Kosten der übrigen Welt. Bei der am Freitag beginnenden IWF-Herbsttagung wird der Abwertungswettlauf ein beherrschendes Thema sein. Und IWF-Chef Dominique Strauß-Kahn will als Mahner den Kriegsausbruch verhindern: „Es breitet sich ganz deutlich die Idee aus, dass Währungen als politisches Druckmittel genutzt werden können“, sagte er zur „Financial Times“. Das gefährde die Erholung der Weltwirtschaft und würde zudem „einen sehr schädlichen Langzeiteffekt“ haben.

Der wichtigste, aber nicht mehr der einzige Brandherd ist der Konflikt zwischen China und den USA. Amerika wirft China schon lange vor, den Yuan künstlich niedrig zu halten – um bis zu 27 Prozent, wie die aktuellste internationale Studie im Auftrag der G20 errechnet hat. Das sei eine Exportsubvention, erkannte der US-Kongress, und beschloss, mit Strafzöllen auf chinesische Importprodukte zu antworten. Bei so viel Säbelgerassel will auch die EU nicht zurückstehen: Auf dem China-Gipfel in dieser Woche fanden Eurozonen-Chef Jean-Claude Juncker und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel deutlich forschere Worte als bisher. Ihre Geduld, wollten sie dem stets freundlich lächelnden chinesischen Premier Wen Jiabao zu verstehen geben, ist am Ende.

Es geht nicht nur um China: Ostasiatische Tigerstaaten, allen voran Südkorea, halten ihre Währungen im Gleichschritt mit dem Yuan. Doch damit nicht genug. Die japanische Regierung hat ihrer Notenbank das erste Mal seit sechs Jahren den Auftrag gegeben, auf dem Devisenmarkt zu intervenieren und Dollar zu kaufen, um so die Aufwertung des Yen stoppen. Am Dienstag entschied sich die Bank of Japan zudem dazu, die Geldpolitik weiter zu lockern.

Auf diese Ausweitung der Geldmenge – etwa durch Ankauf von Staatsanleihen – setzt auch die US-Notenbank Fed. Offiziell, um damit die viel zu schwach anlaufende Konjunktur zu beleben. Inoffiziell, wie viele Ökonomen vermuten, um die Last der Staatsschulden durch Inflation erträglicher zu machen und zugleich den Dollar gezielt zu schwächen. Präsident Obama hat angekündigt, die US-Exporte innerhalb der nächsten fünf Jahre zu verdoppeln – ohne die dazugehörige Strategie zu verraten.

Stiglitz wechselt den Kurs

Die lockere Hand der Zentralbank wird nun selbst Joseph Stiglitz unheimlich. Überraschend hat der Wirtschafts-Nobelpreisträger, bislang ein großer Freund der Konjunkturstützung durch billiges Geld, die Fed kritisiert: Ihre „Liquiditätsflut“ drohe die Devisenmärkte zu destabilisieren und so die Welt ins Chaos zu stürzen. Was ein Wertverlust des Greenback provozieren kann, davon gibt Brasilien schon heute einen Vorgeschmack.

Weil die Investoren massenweise aus dem schwachen Dollar in den starken Real flüchten, fürchtet Brasiliens Regierung um die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Exporteure – und macht mobil. Die erste Waffengattung, die Finanzminister Mantega nun auffahren ließ, sind höhere Steuern: Ausländische Investoren werden damit abgeschreckt, dass sie nun vier statt zwei Prozent zahlen müssen, wenn sie heimische Anleihen kaufen. Wenn das nicht genügt, will auch Brasilien auf den Währungsmärkten intervenieren.

Einzig Europa hält sich bislang friedlich zurück. Zwar hat auch die Europäische Zentralbank die Krise durch massive Injektionen von Geld in den Bankensektor bekämpft, aber anders als Japan und die USA sieht sich die EZB schon längst auf dem Exit-Pfad. Zu stark ist hier eine Tradition, die geringe Inflation, stabile Kurse und eine starke Währung als Tugenden an sich erkennt. Dadurch droht Europa freilich zum ersten Opfer des Währungskrieges zu werden: Der Euro liegt bereits wieder bei 1,39 Dollar und könnte nach Modellberechnungen der Société Generale auf bis zu 1,65 Dollar steigen. Das wäre wohl der Todesstoß für den neuen deutschen Exportboom.

Worin könnte der Ausweg liegen? Etwa am Verhandlungsweg. So könnte der IWF einen Deal zwischen China und den USA vermitteln: Peking lockert seinen Schutz vor Kapitalimporten, was (siehe Brasilien) automatisch zu einer Aufwertung des Yuan führen würde. Im Gegenzug könnten sich die USA zur Haushaltsdisziplin verpflichten und auf eine Inflationsstrategie verzichten. Davon sollte niemand mehr profitieren als die Chinesen: Sie zittern ja vor einem massiven Wertverlust der 2500 Mrd. Dollar an Währungsreserven, die sie gebunkert haben.

Aber auch wenn diese diplomatische Lösung scheitert, sehen Experten Möglichkeiten, durch geschickte Gegenmaßnahmen auf den Devisenmärkten Frieden zu stiften. Schlechte Karten sehen sie für die Strafzölle, die die USA auffahren wollen – sie haben, als „diskriminierende Maßnahmen“, nur geringe Chancen, vor der Welthandelsorganisation WTO zu bestehen. Und über eine Rückkehr zu fixen Wechselkursen fantasieren zur Zeit nur China und der französische Präsident Sarkozy. Keinesfalls dorthin zurück will der IWF – obwohl er einst eben zum Schutz eines solchen Systems gegründet wurde.

Auf einen Blick

Einen „Währungskrieg“ befürchtet IWF-Direktor Strauss-Kahn. Die halbe Welt befindet sich im Abwertungswettlauf: China hält den Yuan niedrig, die Tigerstaaten folgen. Japan interveniert für einen schwächeren Yen, Brasilien wehrt sich gegen Kapitalimporte. Die lockere Geldpolitik der Fed führt indirekt zu einem schwächeren Dollar, was der US-Exportindustrie zugute kommt. Die EU kritisiert zwar China, aber die Europäische Zentralbank bleibt auf ihrem Stabilitätskurs. Das führt zu einem wieder stark steigenden Euro, der die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Exporteure gefährdet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2010)

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