Fall Madoff: Die bisher größte Klage

(c) AP (Stuart Ramson)
  • Drucken

Sachwalter Picard fordert neun Milliarden Dollar. Im Zentrum steht die britische HSBC, die das Schneeballsystem aktiv ermöglicht habe. Doch auch Bank Medici, Bank Austria und Sonja Kohn werden explizit genannt.

Wien. Wenige Tage vor Ablauf einer Zweijahresfrist für das Einbringen von Forderungen im Betrugsfall Madoff hat dessen Sachwalter, Irving Picard, die bislang größte Klage eingebracht. Der New Yorker Jurist beschuldigt die britische Großbank HSBC, Madoffs gigantisches Schneeballsystem aktiv ermöglicht zu haben. In dem 165 Seiten dicken Papier ist von Finanzbetrug die Rede. Der Gesamtumfang der Klage: neun Milliarden Dollar (6,7 Milliarden Euro).

Im Zentrum des Rechtsstreits stehen die sogenannten „Feeder-Fonds“. Das sind Finanzprodukte, die laut Picard gegründet worden waren, um die Investmentgesellschaft von Bernard Madoff zu „füttern“. HSBC habe durch die Gründung, Vermarktung und Unterstützung dieser Fonds den Skandal maßgeblich mitzuverantworten, so der Vorwurf. Nur so sei es möglich gewesen, das Schneeballsystem trotz hoher Verluste über Jahrzehnte aufrechtzuerhalten.

Heimische Anwälte rüsten sich

Madoff, Ex-Chef der Technologiebörse Nasdaq, hat Anleger weltweit jahrelang betrogen, indem er ihnen hohe Gewinne vorgegaukelte. Diese Profite schienen aber nur auf den Kontoauszügen auf. Tatsächlich stopfte der einst angesehene Investor finanzielle Löcher mit den Geldern neuer Kunden. Im Dezember 2008 flog der Skandal auf, Madoff wurde zu 150 Jahren Haft verurteilt. Der Schaden beläuft sich auf 65 Milliarden Dollar. Auch zahlreiche Anleger aus Österreich wurden Opfer des Betrügers. Viele von ihnen steckten ihr Geld in Fonds, die von der ehemaligen Bank Medici sowie der Bank Austria aufgelegt worden waren.

Diese Fonds investierten in die Investmentgesellschaft von Madoff. Beide Institute werden in der nun eingebrachten Klage explizit erwähnt, ebenso wie Sonja Kohn, die Mehrheitseigentümerin der Bank Medici.

Von den österreichischen Geklagten fordert Picard die Rückzahlung von Gebühren, die im Zuge der Fondsverkäufe kassiert wurden. Kohn sei an der Ausgabe der Fonds „Primeo“ und „Herald“ maßgeblich beteiligt gewesen, die Unicredit-Tochter Bank Austria an dem Fonds „Alpha Prime“. Insgesamt fordert der New Yorker Jurist von den Beteiligten die Rückgabe von zumindest 500 Millionen Dollar.

Sämtliche genannten Unternehmen sowie Sonja Kohn bestreiten die Vorwürfe. Man habe von dem Betrug Madoffs nichts gewusst und selbst im Zuge des Skandals Geld verloren. Die Bank Austria will offiziell keinen Kommentar zu der in Manhattan eingebrachten Forderung abgeben. Man habe seine Anwälte aber in Stellung gebracht und werde darum kämpfen, die Unschuld zu beweisen, verlautet es aus der Firma.

Für österreichische Anleger, die von dem Skandal betroffen sind, könnte die aktuelle Klage positive Folgen haben. Sollte Picard Erfolg haben und HSBC sowie die anderen Geklagten Strafen zahlen, würden die Geschädigten direkt davon profitieren – sofern sie beziehungsweise ihre Anwälte entsprechende Ansprüche bei dem US-Anwalt einbringen.

Freiwillige Zahlungen möglich

Bislang konnte Picard rund 1,5 Milliarden Dollar sichern. Als er vor zwei Jahren zum Sachwalter bestellt worden war, gab er an, bis zu 20 Milliarden Dollar für Geschädigte des Betrugsfalles wiedergutmachen zu wollen. Die Frist der US-Justiz zum Einreichen weiterer Forderungen läuft Samstag aus. Insgesamt reichte Picard in den vergangenen Tagen mehr als 100 Klagen ein. Jene gegen HSBC stellt den vorläufigen Höhepunkt dar.

Obwohl die Banken angekündigt haben, ihre Unschuld vor Gericht beweisen zu wollen, dürfte es nur in wenigen Fällen zum Prozess kommen. Vielmehr wird erwartet, dass die Institute außergerichtliche Vergleiche anstreben. Die freiwilligen Zahlungen in Millionenhöhe schaden den Unternehmen weniger als eine Rufschädigung durch jahrelangen Rechtsstreit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Finanzinstitute Handel Madoffs Schuld
International

Gekaufte Forderungen: Der Handel mit Madoffs Schuld

Große Finanzinstitute kaufen geprellten US-Investoren ihre Forderungen gegen den Betrüger ab. Sie hoffen, dass die Nachkommen eines Großinvestors Gewinne zurückgeben müssen.
MadoffKlagen Sachwalter schlaegt sich
International

Madoff-Klagen: Ein Sachwalter schlägt um sich

Der vom Gericht bestellte Irving Picard fordert 6,4 Mrd. Dollar von JP Morgan. Der Rechtsstreit überrascht nicht, die Höhe des Betrages schon. Viele weitere Klagen werden in den kommenden Tagen folgen.
Wall Street Bann Insiderhandels
Geld & Finanzen

Wall Street im Bann des Insiderhandels

US-Behörden ermitteln großflächig gegen Banker und Hedgefonds-Manager, die sich mit verbotenen Insiderinformationen hohe Gewinne erschlichen haben sollen. Ermittlungenen laufen bereits seit drei Jahren.
Madoff-Treuhänder klagt JPMorgan
International

Madoff-Treuhänder klagt JPMorgan

Der Treuhänder für Madoffs Finanzfirma wirft der US-Bank vor, Madoff bei seinen Machenschaften geholfen zu haben. Er reichte eine Klage über 6,4 Milliarden Dollar ein.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.