Produktion. Auto-, Elektronik- und Stahlindustrie sind von der Katastrophe schwer getroffen, die meisten Fabriken stehen still. Die Regierung wirft die Geldmaschine an, obwohl die Schulden extrem hoch sind.
Tokio/Wien. Das verheerende Erdbeben und der folgende Tsunami hätten eigentlich schon gereicht, um Japan wanken zu lassen. Die von der Explosion im Atomkraftwerk Fukushima ausgelöste Nuklearkatastrophe trifft die drittgrößte Volkswirtschaft der Erde aber so sehr ins Mark, dass sich die gesamte Welt auch um die wirtschaftlichen Auswirkungen Sorgen macht. Täglich müssen Experten ihre Einschätzungen revidieren – leider nicht zum Positiven.
Das Land, das seit vielen Jahren als verlässlicher Handelspartner gilt, liefert nicht nur Sojasauce in die Millionen Sushi-Restaurants rund um den Globus. Elektronik, Autos, Maschinen, medizinische Geräte und Stahl sind die Top-Exportgüter des Inselstaates. Jetzt stehen – fast – alle Räder still, und damit droht die Exportmaschine, aus der das hochindustrialisierte Land seinen Wohlstand lukriert, zum Stillstand zu kommen.
Geschlossen sind inzwischen nicht nur jene Fabriken, die vom Erdbeben und Tsunami direkt beschädigt wurden. Wegen der Strahlungsgefahr werden auch andere Fabriken evakuiert. Ohne Strom sieht es aber für die gesamte Industrie finster aus. Betroffen ist die Autoindustrie, das Rückgrat der japanischen Wirtschaft, genauso wie die Elektronik-Produzenten mit Sony an der Spitze.
Milliardenschaden für Autobauer
Der weltgrößte Autobauer Toyota hat angekündigt, am Montag alle zwölf Fabriken stillzulegen. Zwei Werke, die zusammen jährlich 420.000 Kleinwagen vorwiegend für den Export produzieren, sind schon zu. Auch Nissan und Honda arbeiten eingeschränkt. Aber auch die Zulieferer stehen weitgehend still. Der Stahlkonzern Nippon Steel liefert nicht mehr, die Reifenproduzenten Toyo Tire&Rubber und Sumitomo Rubber Industries haben den Betrieb gestoppt. Ebenso die GS Yuasa Corp, die Autobatterien erzeugt. Fuji Heavy Industries hat acht der zehn Fabriken geschlossen, darunter alle fünf Auto- und Autoteilwerke für die Marke Subaru.
Der Stillstand in der Autoindustrie könnte bis zu drei Monate dauern, meint der deutsche Experte Ferdinand Dudenhöffer. Das entspräche einem Produktionsausfall von 2,5Millionen Fahrzeugen, der nur zu rund 30 Prozent durch Ausweitungen in Werken außerhalb Japans ausgeglichen werden könnte. Dudenhöffer schätzt diesen Schaden auf 25Milliarden Euro.
Der Londoner Thinktank Capital Economics sagt es klar heraus: „Durch die Produktionsausfälle droht Japan eine Rezession.“ Das bedeutet, dass die Wirtschaft in mindestens zwei aufeinander folgenden Quartalen schrumpfen werde. Einen Rückgang gab es schon im vierten Quartal 2010, nachdem sich die Wirtschaft in den ersten drei Quartalen etwas erfangen hatte. „Das Timing der Katastrophe hätte nicht schlimmer sein können“, heißt es daher bei Capital Economics. Ökonomen hatten schon im Dezember Japan keine großen Sprünge zugetraut. „Die Weltwirtschaft wächst deutlich langsamer, weshalb die Exporte von Jänner bis März stagnieren dürften“, sagte der Chefvolkswirt des Instituts Norinchukin, Takeshi Minami, damals.
Österreich exportiert Holz
Unmittelbar zu spüren bekommen wird das Desaster China, der größte Handelspartner Japans (siehe Grafik). Aber auch die USA als zweitwichtigste Export- und Importnation dürfte betroffen sein. Das Handelsvolumen mit Österreich ist gemessen an der japanischen Außenwirtschaft gering. Für Österreich ist Japan jedoch der drittwichtigste Überseehandelspartner. 2010 kletterten die Exporte um ein Drittel auf eine Milliarde Euro, die Importe legten um 17Prozent auf 1,8 Milliarden zu. Der Großteil der Importe sind Autos, exportiert werden vor allem Holz und Maschinen. Einige Exporteure würden die Auswirkungen der Katastrophe spüren, erwartet der Handelsdelegierte Martin Glatz.
Japans Regierung will nun die Geldmaschine anwerfen, um die Stabilität des Landes zu gewährleisten. Bis Sonntag versorgte sie 13Finanzinstitute mit insgesamt rund 55Milliarden Yen (483Millionen Euro) an Sonderhilfen. Für heute, Montag, hat die japanische Notenbank ein Sondertreffen angesetzt. Da sollen alle möglichen Maßnahmen erörtert werden. Dazu gehört auch ein Sonderbudget oder mögliche Steuererhöhungen.
Das bedeutet für das Land einen Kraftakt: Denn die Zinsen liegen de facto bei null. Und die Staatsverschuldung hat mehr als 200Prozent erreicht. Dennoch gehen Volkswirte davon aus, dass der Staat neue Anleihen begeben wird müssen.
Auf einen Blick
Die Autoindustrie ist am stärksten betroffen. Fast alle japanischen Fabriken stehen still. Nur ein Drittel des Ausfalls könnte in Werken im Ausland wettgemacht werden. Autoexperte Dudenhöffer schätzt den Schaden auf 25 Milliarden Euro. Japan droht die Rezession.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2011)