Beben im Herzen der Hightechbranche

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Der Stillstand in Japan bedroht die Lieferkette der Elektronikindustrie. Für zwei Wochen reichen die Chips in den Lagern noch aus. Die Preise stiegen um ein Fünftel an.

Wien/Auer/Bloomberg. Japan steht auch als Herz der globalen Elektronikindustrie knapp vor dem Stillstand. Das gewaltige Beben, die darauf folgende Flutwelle und die geplante Abschaltung der Stromversorgung bringen die weltweite Lieferkette in der Hightechbranche in Gefahr. Aus Angst vor Versorgungsengpässen schießen die Preise für Speicherchips in die Höhe.

Japan liefert Großteil der Chips

Zwar wird das Gros der Elektronikprodukte längst nicht mehr in Japan, sondern in China zusammengeschraubt. Das Herzstück für viele Mobiltelefone, Kameras und Computer wird aber weiterhin vom asiatischen Inselstaat zugeliefert. Nippon bleibt der Nabel der Elektronikwelt.

Jeder fünfte Speicherchip weltweit ist „Made in Japan“. Bei sogenannten Nand-Flash-Speicherchips, die in Smartphones oder Tabletcomputern zum Einsatz kommen, ist der Anteil sogar doppelt so hoch. Am stärksten ist die Abhängigkeit der Elektronikkonzerne aber in einem anderen Bereich: Sechs von zehn Siliziumscheiben, die für die Produktion eines jeden Halbleiters gebraucht werden, kommen aus Japan.

Derzeit sind die meisten Chip-Fabriken noch in Betrieb. Der Großteil von ihnen steht im Süden, weit weg vom Epizentrum des Bebens im Nordosten des Landes. Dennoch warnen die Analysten des Marktforschers IHS iSuppli bereits vor Lieferengpässen. Allein die Sorge vor Stromabschaltungen, wie sie der größte Stromversorger, Tokyo Electric Power, angekündigt hat, könnte die Produktion bald zum Erliegen bringen.

Stromausfall zerstört Produktion

Denn die Herstellung einer Siliziumscheibe dauert im Regelfall drei Wochen. Kommt es in dieser Zeit zu einem Stromausfall, war der ganze Prozess umsonst.

Erst Wochen nach einem Blackout kann das Werk wieder auf Normalbetrieb laufen. Zudem haben die Hersteller derzeit große Probleme, vorhandene Ware zu den Abnehmern zu bringen: Häfen, Straßen und das Eisenbahnnetz sind zerstört.

All diese Sorgen schlagen sich auch auf die Preise nieder. Seit dem Wochenende verteuerten sich etwa Nand-Chips um knapp ein Viertel. Die Preise für DRAM-Chips, die in Computern verwendet werden und zu 15Prozent aus Japan kommen, stiegen um mehr als sieben Prozent an.

Noch sind die Lager für zwei Wochen voll, sagt iSuppli. Werden die Strom- und Transportprobleme in Japan aber nicht bald gelöst, prophezeien die Experten erste Engpässe Ende März und Anfang April. Vor allem die Nachfrage nach Nand-Chips ist zuletzt deutlich gewachsen – wegen des Tablet-Booms, den vor allem Apple mit seinem erfolgreichen iPad ausgelöst hat. Das werde den Preis für diese Chips bis ins dritte Quartal treiben, sagt iSuppli.

Die potenziellen Abnehmer müssen sich unterdessen nach alternativen Zulieferern umsehen. Am stärksten betroffen seien die Smartphone-Hersteller HTC, Apple, Nokia und RIM, vermutet die japanische Beraterfirma Nomura.

Koreaner springen ein

So musste etwa Toshiba, das ein Drittel aller Nand-Chips weltweit produziert, bereits drei Fabriken schließen. Den möglichen Ausfall der Japaner könnte der südkoreanische Branchenführer, Samsung, abfangen. Darauf dürfte auch Apple angewiesen sein. Wie viele Mitbewerber erwarten auch die Kalifornier Lieferungen von Toshiba. Da trifft es sich gut, dass Apple erst vor wenigen Wochen einen Deal über 7,8 Mrd. Dollar mit Samsung fixiert hat: Displays und Nand-Chips für das iPad und das iPhone5 sollen aus Südkorea kommen.

Auf einen Blick

Das Beben in Japan und die nun drohenden Stromausfälle bringen die Versorgung der weltweiten Elektronikindustrie in Gefahr. Das Land liefert 60 Prozent aller Siliziumscheiben, die zur Produktion von Halbleitern verwendet werden.
Die Preise für Speicherchips, die in Mobiltelefonen oder Digitalkameras verwendet werden, stiegen um 20Prozent an.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2011)

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