Vatikan: Geld und Geheimnis

(c) REUTERS (MAX ROSSI)
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Mit den internationalen Regeln gegen die Geldwäsche ist der Vatikan heute im Reinen. Und nach drei Jahren schreibt der Kirchenstaat mit Papst Benedikt XVI. an der Spitze auch wieder schwarze Zahlen.

Endlich hat der Vatikan sein Geld zurück. Neun Monate lang hatten Vertreter des Kirchenstaats die italienische Justiz angefleht, mit der Bankenaufsicht verhandelt, ihre Unschuld beteuert und Besserung versprochen. Aber die Gerichte ließen sich zunächst nicht erweichen. Jene 23 Millionen Euro, auf die Italiens Staatsanwaltschaft im September 2010 ihre Hand gelegt hatte, blieben gesperrt: Verdacht der Geldwäsche.

Es war nicht das erste Mal, dass die Vatikanbank, das „Institut für religiöse Werke“ (IOR), in die Schlagzeilen geriet. Vor dem Gedächtnis Italiens erstanden in diesen peinlichen neun Monaten die Skandale der Achtzigerjahre neu, als sich das von niemandem kontrollierte IOR unter der Regentschaft eines Erzbischofs Marcinkus in zwei betrügerische Bankpleiten hineinziehen ließ und der Vatikan anschließend eine „freiwillige“ Buße von 244 Millionen US-Dollar leisten musste. Aber nicht nur die Vergangenheit kochte hoch: Just in den Wochen der Beschlagnahmung tobte ein neuer Skandal in Italien.


„Don Bancomat“. Um Aufträge bemühte Bauunternehmer hatten Schwarz- und Bestechungsgeld in der Vatikanbank versteckt – auf dem Nummernkonto eines Priesters zum Beispiel, den sie „Don Bancomat“ nannten. Für Wirbel sorgte auch ein Spitzenfunktionär des italienischen Staates, der als führender „Immobilienberater“ und „Ehrenmann des Papstes“ gleichzeitig im Vatikan saß und damit nach beiden Seiden klüngeln konnte.

Dieser Skandal harrt zwar noch der endgültigen gerichtlichen Klärung, aber Papst Benedikt XVI. hat bereits mit ungeahnter Härte durchgegriffen. Er schickte seinen „Ehrenmann“ in die Wüste und erließ für den Vatikan eines der härtesten Gesetze gegen die Geldwäsche, das die Welt so kennt. Seit April ist es in Kraft – und nachdem sie sich von der Ernsthaftigkeit der päpstlichen Bemühungen überzeugt haben, haben Italiens Gerichte die 23Millionen Euro des IOR wieder freigegeben.

Die Vatikanbank galt bisher als eine der geheimsten Einrichtungen der Weltfinanz. Sie veröffentlicht keine Bilanzen; über ihre Rücklagen (angeblich sind es fünf Milliarden Euro und eine Tonne Gold) sowie die Zahl ihrer Kunden (vermutlich 44.000) gibt es nur Schätzungen.

Unter Berufung auf den Sonderstatus der Kirche im Allgemeinen und des Heiligen Stuhls im Besonderen hat das IOR auch jede Öffnung zur „Welt“ vermieden. Bisher.
Statt Kriminalität mehr Ehrlichkeit. Jetzt aber soll das IOR nach dem ausdrücklichen Willen des Papstes mit internationalen Kontrollbehörden zusammenarbeiten, wenn es um die Bekämpfung von Finanzkriminalität und Terrorismus geht; diese nämlich – so Benedikt XVI. – bedrohen den Weltfrieden. Und natürlich, so fügt Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone ausdrücklich hinzu, darf der Vatikan die vom eigenen Chef gepredigten „Prinzipien der Sozialethik, Transparenz, Ehrlichkeit und Verantwortung niemals außer Acht lassen“.

Die Grauzone international anrüchiger Finanzparadiese hat der Vatikan also verlassen. Und jetzt, nach drei roten Jahren, ist er auch noch sein Haushaltsdefizit losgeworden. Zwar hat der „Kardinalsrat zum Studium der Organisations- und Finanzprobleme des Heiligen Stuhls“ vorab recht düstere Worte gesprochen: Man spüre „die Unsicherheiten des globalen Wirtschaftssystems und der steigenden Betriebskosten“. Außerdem gingen die Spenden, „dieser für den Heiligen Stuhl unersetzliche Quell der Unterstützung“, wegen der Krise schwer zurück.

Aber trotzdem: Nach den gerade vorgelegten Zahlen hat der Heilige Stuhl (bilanztechnisch sind das der Papst, die Kurie und sonstige Einrichtungen der weltweiten Kirchenleitung) im Vorjahr einen Überschuss von 9,85 Millionen erzielt. Die Einnahmen lagen bei 245,2 Millionen Euro; ausgegeben wurden 235,35 Millionen Euro. Am teuersten war dabei das Personal: Die Kirchenleitung beschäftigt 2806 Personen.

Das sieht schon besser aus als die Bilanz 2009, als der Heilige Stuhl bei 250,2Millionen Euro an Einnahmen einen Verlust von 4,2 Millionen Euro gebaut hat. Das Jahr zuvor lag das Defizit bei nur 0,9 Millionen; 2007 allerdings bei neun Millionen Euro. Der Gewinn von 15,2 Millionen Euro aus den „fetten“ Jahren 2004, 2005 und 2006 jedenfalls war dahin.


Glänzende Kommunalbilanz. Noch glänzender als der Heilige Stuhl indes präsentiert sich der Vatikanstaat, also praktisch Benedikts „Kommunalverwaltung“, die getrennt von der Weltkirchenleitung bilanziert. Sie behielt 2010 bei Einnahmen von 255,9 Millionen Euro und Ausgaben von 234,85 Millionen Euro einen Gewinn von mehr als 21 Millionen in der Kassa.

Diese „Kommunalbilanz“ hat aber eine regelrechte Achterbahnfahrt hinter sich: Nach einem Überschuss von 6,7 Millionen Euro im Jahr 2007 stürzte sie 2008 in ein Loch von 15,3 Millionen Euro, sparte, sanierte und reformierte die Bürokratie aber so weit, dass sie 2009 die Hälfte dieses Defizits wieder hereinarbeitete. Leider fällt die Veröffentlichung der Vatikanbilanzen von Jahr zu Jahr magerer aus – und so erklärt sich immer weniger, wie Rom zu seinen Einnahmen kommt.

Der wohl größte Brocken war bisher der „Peterspfennig“. 2009 hat diese jährliche Kollekte bei den Gläubigen in aller Welt 57,8 Millionen Euro eingebracht. 2010 aber ist die Spendenbereitschaft massiv, nämlich um fast ein Viertel, eingebrochen.

Die neue Bilanz weist nur mehr 44,6 Millionen Euro aus. Zu den Ursachen gibt es keine Angaben: Sie können in der allgemeinen Wirtschaftskrise ebenso liegen wie in dem massiven Vertrauensverlust, den die katholische Kirche just im Jahr 2010 durch das weltweite Auffliegen unzähliger Missbrauchsskandale erlitten hat.

Auf den ersten Spenderplätzen beim „Peterspfennig“ liegen traditionell die USA und Italien; an dritter Stelle stand – jedenfalls bis 2007, neuere Ranglisten gibt es nicht – Deutschland mit 2,8Millionen Euro. Gerade in Deutschland aber geht die Spendenbereitschaft seit Jahren stetig zurück; das Jahr 2010 mit seinen Zehntausenden von Kirchenaustritten dürfte den historischen Tiefpunkt darstellen.

Aber was die Spenden vermissen lassen, das schießt in wachsendem Umfang die Vatikanbank aus ihren Finanzgeschäften zu. Wie viel von seinen sprudelnden Überschüssen das IOR dem Papst „schenkt“ – so der offizielle Ausdruck –, das ist erst seit vergangenem Jahr bekannt. 2009 hat das IOR demnach 50 Millionen Euro „zu den religiösen Tätigkeiten des Heiligen Vaters“ beigesteuert.

2010, während weltliche Banken ächzten und seufzten, schüttelte das IOR gar zehn Prozent mehr, also 55 Millionen Euro, aus dem Ärmel.

Ferner „sollen“ die Bischöfe der Welt – laut Kirchenrecht – „aufgrund des Bandes der Einheit und der Liebe gemäß den Möglichkeiten ihrer Diözese“ den Dienst des Papstes mitfinanzieren. Im Jahr 2009 hat der Vatikan aus dieser Bestimmung 22,1 Millionen Euro gewonnen; 2010 waren es nur mehr 18,8 Millionen Euro. Den Spitzenplatz bei diesen „Unterstützungszahlungen“ nimmt das kirchensteuerreiche Deutschland ein. Es steuerte 2007 ein Drittel zu den Jahreseinnahmen von 20,7Millionen Euro bei; neuere Ranglisten liegen nicht vor.


Radio als größter Verlustbringer. Während Radio Vatikan als größter Verlustbringer in der Bilanz steht, zählen zu den herausragenden Einnahmequellen die Vatikanischen Museen mit ihren unaufhaltsam wachsenden Besuchermassen: 4,4 Millionen waren es 2009, dieses Jahr werden sich Schätzungen zufolge schon fünf Millionen durch die Sixtinische Kapelle zwängen.

Hohe Gewinne zieht der Vatikan ferner aus dem Verkauf von Briefmarken und Münzen. Bedeutend sind auch die Einnahmen aus den Immobilien. „Die Kirche“ in verschiedenen Gliederungen ist der mit Abstand größte Grund- und Hauseigentümer in Rom. 2007 hat der Vatikan daraus 36,3Millionen Euro bezogen, 2006 waren es 32,3 Millionen Euro. Auch hier schweigt sich die Bilanz über neuere Zahlen aus.

Und dann – ein Gewinn für den Heiligen Stuhl par excellence – arbeitet der Chef auch noch eigenhändig, im wahrsten Sinne des Wortes: Sämtlicher Gewinn aus den Büchern, die Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. schreibt oder je geschrieben hat, fließt dem Vatikan zu. Wenig kann das nicht sein: Allein die beiden Jesus-Bücher und der Interviewband „Licht der Welt“ galten international als Bestseller.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.07.2011)

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