Der Rat des Experten: "Buy the Dips"

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Symbolbild(c) ASSOCIATED PRESS (SETH WENIG)
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Der neue Goldrausch dauert unvermindert an: Die Rolle von Gold als Wertaufbewahrungsmittelist auch nach dem Kurseinbruch von vergangener Woche ungebrochen. Der längerfristige Trend soll weiter nach oben zeigen.

Ist sie nicht seltsam, die Gier nach Gold? „Man gräbt es irgendwo aus der Erde, schmilzt es zu einem Barren und vergräbt es in einem Tresor“, meinte der legendäre Investor Warren Buffett. Buffett hat recht: Das ist tatsächlich eigenartig.

Der neue Goldrausch dauert unvermindert an: Auch wenn der Goldpreis vergangene Woche in nur zwei Tagen um 160 Dollar abgestürzt ist – vom Allzeithoch von 1911,46 Dollar/Unze am Montag auf ein Tagestief von 1750,55 Dollar am Mittwoch. Das war der größte Preissturz beim Edelmetall seit 1980: 8,4 Prozent ist Gold in diesen zwei Tagen gefallen. Experten rechnen aber nicht damit, dass nun ein Abstieg des Goldpreises beginnt.

In den vergangenen Jahren, insbesondere seit der Panik von September 2008, hat Gold seine lange verloren geglaubte Position im Portfolio der Anleger zurückerobert. Gold wird in Onlineshops vertrieben und dann per Werttransport geliefert. „Gold-to-go“- Goldautomaten der Firma „ex oriente lux“ spucken kleinere Mengen des Edelmetalls aus. Die Standorte sind wohl ausgesucht: Für Jet-Setter wurde der erste Prototyp im Juni 2009 am Flughafen Frankfurt aufgestellt, für jene, die besonders hoch hinaus wollen, gibt es einen der mit 24-karätigem Gold überzogenen Gold-Dispenser, der aussieht wie ein Edel-Getränkeautomat, auf der Aussichtsplattform „At the Top“ des 828 Meter hohen Hochhausturms Burj Khalifa in Dubai. Dort kann man in der 124. Etage (auf 452 Meter) spezialangefertigte Goldbarren mit Burj-Khalifa-Siegel bis zum Gewicht von einer Unze (31,1 Gramm) kaufen. Einigermaßen „over the top“.
Der heutige Gold-Boom folgt auf eine Zeitspanne, in der die alte, traditionelle Rolle des Goldes als Wertaufbewahrungmittel beinahe in Vergessenheit geraten war. 1999 hatte der damalige Schatzkanzler und spätere britische Premier Gordon Brown 400 Tonnen Gold aus dem Staatsschatz verkauft, andere Finanzminister taten es ihm nach. Gold schien seinen Glanz verloren zu haben. Am 26. September 1999 wurde sogar eine Vereinbarung getroffen, in der die Notenbanken ihre Goldverkäufe auf maximal 500 Tonnen pro Jahr beschränkten. Doch kaum hatten die Notenbanken einen Teil ihrer Schätze verramscht, brach ein neuer Superzyklus für Gold an.
Die Psychologie von Anlegern ist ein stetes Abwägen zwischen Gier und Angst: Überwiegt der Optimismus, dann wird kein Risiko gescheut, um höhere Renditen zu erzielen. Überwiegt die Angst, dann geht es vor allem um eines: Sicherheit. Und die ultimative Sicherheit bietet das traditionelle Wertaufbewahrungsmittel „Gold“. Im Gegensatz zu fast allen anderen Anlagemöglichkeiten gibt es keine „Counterparty“, kein „Gegenüber“ und somit auch keine Gefahr eines Schuldnerausfalls. Keine Bank wie im Falle eines Bankguthabens, kein Unternehmen, kein Staat, wie im Falle einer Anleihe, und keine AG, wie im Falle einer Aktie stehen für den Wert des Goldes, das man in Händen hält – noch ist Gold durch Inflation gefährdet.

Nach Jahren des „irrationalen Überschwangs“ (© Alan Greenspan) ist Sicherheit wieder in: Solche Stimmungsumschwünge sind es auch, die in jüngster Zeit die Gold-Rallye beflügelten.

Gold könnte auch wieder eine Rolle im internationalen Währungssystem spielen: Unmittelbar vor dem G20-Gipfel im Herbst 2010 schrieb Weltbankpräsident Robert Zoellick in einem viel beachteten Essay in der „Financial Times“, dass ein Währungsregimewechsel bevorsteht: „Dieses Währungssystem sollte auch Gold als internationalen Referenzpunkt für Markterwartungen über Inflation, Deflation und den zukünftigen Wert von Währungen beinhalten.“ Eine Rückkehr zum Goldstandard, wie er bis 1971 bestanden habe, sei damit freilich aber nicht gemeint.

Für die meisten modernen Ökonomen erscheint eine solche Entwicklung ebenfalls unrealistisch. Nouriel Roubini, der die Weltwirtschaftskrise korrekt vorhergesagt hatte und seither respektvoll Dr. Doom (Dr. Untergang) genannt wird, schreibt in seinem Buch „Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft: Crisis Economics“: „Gold mag kurzfristig Schutz vor einem Zusammenbruch des Dollars bieten, doch sein steigender Wert ist in erster Linie ein Ergebnis der Angst und der Zukunftssorgen.“ Roubini sieht aber eine Bewegung weg vom Dollar und von „ungedecktem Papiergeld“.


Gold – Investment für Exzentriker?
Gold war bis vor ein paar Jahren ein Investment für seltsame Vögel, Verrückte und Exzentriker, die die Apokalypse, Armageddon oder Schlimmeres erwarteten. Für die meisten Wirtschaftswissenschafter war Gold ein Relikt aus dem ökonomischen Mittelalter.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Die Anleger suchen verzweifelt nach Möglichkeiten, ihr Vermögen vor den Unwägbarkeiten des Marktes und den Unvorhersehbarkeiten von Regierungsentscheidungen zu schützen. „Es gibt nur eine vernünftige und liquide Investition, die es jemandem erlaubt, sein Vermögen den Finanzmärkten zu entziehen: Gold. Gegen die Regierung zu wetten – und damit auf ein schnelles, starkes Ansteigen der Inflation – macht bei all den rasch ansteigenden Defiziten der westlichen Regierungen Sinn“, schreibt Shayne McGuire in seinem Buch „Hard Money – Taking Gold to an Higher Investment Level“. McGuire, Fondsmanager beim GBI Gold Fund und Head of Global Research beim Teacher Retirement System of Texas, meint in seinem Buch zwar, dass Hyperinflation derzeit nicht zu erwarten sei. Was ihn aber stutzig macht ist, dass von den 30 dokumentierten Fällen von Hyperinflation – also Preissteigerungen von mehr als 50 Prozent im Monat – alle durch ein Aus-dem-Ruder-laufen der staatlichen Defizite ausgelöst worden seien.

Goldfans wie McGuire argumentieren, dass jede Währung in der Geschichte im Vergleich zu Gold gefallen sei. Gold sei zudem die einzige Währung, die nicht einfach auf Knopfdruck vermehrt werden kann, nur damit die Regierungen ihre Schulden abzahlen können: Der Wert von Gold steigt, je mehr die Papiergeldmenge steigt. McGuire rechnet damit, dass ein Teil der rund 30 Milliarden Dollar, die Pensionsfonds, Versicherungen, Banken und private Investoren in Staatsanleihen investiert haben, umgeschichtet werden. Doch wohin fließt das Geld dann? „Aktien? Immobilien? Davon haben die meisten Pensionsfonds schon genug im Portfolio. Daher ist anzunehmen, dass ein gewisser Teil dieses Geldes – vielleicht bis zu 500 Milliarden Dollar – in Gold angelegt werden könnte. Das ist freilich so, als wollte man einen Elefanten ins Postfach stopfen.“ Die Finanzexperten beharren aber freilich darauf, dass sich das Edelmetall auch in Zeiten des Goldfiebers längerfristig nie stärker als Aktien oder Anleihen entwickeln wird, weil Gold weder wächst noch einen Cashflow produziert.


Gold – bloß ein Stück Metall? Der Kauf von Gold – also die Spekulation darauf, dass ein Stück Metall an Wert gewinnen wird – macht einen modernen Investor ein wenig nervös.

Gold hat aber auch eine hochpolitische Dimension. Schließlich ist Gold mehr als ein Edelmetall, es ist gleichzeitig so etwas wie eine Währung. Spekuliert man mit Gold, dann schließt man gleichzeitig Wetten gegen von den Zentralbanken herausgegebenes Papier- oder „Fiat“-Geld ab: Man wettet gegen den Staat.

Der konservative frühere Vorsitzende der Fed, Alan Greenspan, schreibt in seinen Memoiren: „Ich habe immer eine gewisse Nostalgie für den Goldstandard und seine Preisstabilität empfunden. Sein wichtigstes Ziel war eine stabile Währung. Aber ich habe mich längst mit der Tatsache abgefunden, dass der Goldstandard sich nicht mit den gegenwärtigen Ansichten über die Aufgaben einer Regierung vereinbaren lässt, ganz besonders mit der Vorstellung, dass der Staat ein soziales Netz bereitzustellen hat.“

Greenspan selbst war als Chef der Fed freilich eher ein Proponent des „billigen Geldes“, niedriger Zinsen und ausreichender Liquidität.



Der "Blowoff". Das Goldfieber ist noch nicht vorbei, davon ist der Goldexperte der „Erste“-Bank, Ronald Stöferle, überzeugt: „Gold war mit Abstand die beste Assetklasse der letzten Dekade und ich gehe davon aus, dass sich dieser Trend auch weiter fortsetzen wird, ehe er – so wie jeder Trend – in einem parabolischen Blowoff (also einem starken Anstieg innerhalb kürzester Zeit, Anm.) enden wird.“

Stöferle rattert seine Argumente herunter: „Ein klarer Vertrauensverlust in Papiergeldwährungen, negatives Realzinsniveau rund um den Globus, Notenbanken haben von der Verkäufer- auf die Käuferseite gewechselt, Investorennachfrage wird zunehmend wichtiger, weiterhin fragile geopolitische Situation, Schmucknachfrage aus den Emerging Markets in langfristigem Aufwärtstrend ... Alles in allem ein wesentlich breiteres und stabileres Fundament als bei der letzten Hausse Ende der 1970er/Anfang der 1980er Jahre.“

Von einer Goldblase will Stöferle nichts wissen: „Derzeit sind 0,9 Prozent aller weltweiten Assets in Gold angelegt – auf dem Höhepunkt des letzten Goldbullenmarktes 1980 waren es 26 Prozent. Auch wenn man die Marktkapitalisierung der Goldminen betrachtet, ist von einer Blase keine Spur zu entdecken. Der HUI – der Index der größten Goldminenaktien – hat eine Marktkapitalisierung von rund 245 Milliarden Dollar. Damit sind 16 große Goldproduzenten zusammen gleich viel wert wie beispielsweise Microsoft.“

Für Stöferle ist der Goldbullenmarkt „kein Sprint, sondern ein Marathon. Womit ich sagen will, dass wir noch eine ganze Weile einen Aufwärtstrend der Edelmetalle sehen werden.“

Zudem rechnet er mit einer Abwertung von Papiergeldwährungen: Anders könnten einzelne stark verschuldete Industrienationen ihre Schulden nicht mehr in den Griff bekommen. Die Geldmengenausweitung der letzten Zeit sollte weiterhin ein „positives Umfeld für Goldinvestments garantieren“. Die negativen Realzinsen (die niedrigen Zinsen sind unter Einbeziehung der Inflationsrate negativ) würden sich positiv auf den Goldpreis auswirken.

Ein weiteres Argument hat Stöferle auf Lager: Die Nachfrage sei in den letzten drei Jahren um 62 Prozent gestiegen, während das Angebot (in erster Linie Altgold) um nur 59 Prozent angewachsen sei. Steigende Nachfrage, mit der das Angebot nicht mithalten kann: Für Stöferle ein klares Signal für Preissteigerungen. Die Gold-Produktion stagniere weiterhin, zudem hätten nun Zentralbanken von der Angebots- auf die Nachfrageseite gewechselt – dieser Trend würde sich verstärken.

Korrekturen wie vergangene Woche seien „in einem Bullenmarkt etwas Normales und auch etwas Gesundes.“ Für Stöferle sind diese Korrekturen vor allem aber eine Chance. Sein Motto: „Buy the dips“ – man solle also nach einem kurzfristigen Preisrückgang zukaufen.

BuchtIpP

Brigitte Reisenberger/Thomas Seifert:
Schwarzbuch Gold – Gewinner und Verlierer im neuen Goldrausch. Deuticke-Verlag, Wien, 2011. 240 Seiten, 18,40 €


Zahlen

20 x 20 x 20 Meter
groß wäre ein Würfel, würde man das gesamte, bis 2009 geförderte Gold in einen Block gießen. Dieser Würfel würde 160.000 Tonnen wiegen. Gäbe man das 2010 geförderte Gold hinzu (2543 Tonnen, das wäre wiederum ein Würfel von ca. 5 x 5 x 5 Metern), würde sich die Kantenlänge des 20-Meter-Goldwürfels bloß um etwa 10 cm verlängern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2011)

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