Euro-Haushalte: Mit Mathematik gegen Schwindler

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Wie lassen sich die Haushalte auf ihre Richtigkeit überprüfen? Ein deutsches Ökonomenteam zeigt, wie man mit mathematischen Formeln gefälschte Daten entlarvt. Die Forscher haben ein Frühwarnsystem entwickelt.

Berlin. Wie kam Griechenland in die Eurozone? Athen übermittelte falsche Zahlen an die EU-Kommission in Brüssel und täuschte damit vor, die Maastricht-Kriterien zu erfüllen. Als die Trickserei aufflog, war es zu spät: Das Land stand kurz vor dem Bankrott. Künftig sollen solche Schummeleien unterbunden werden. Aber wie lassen sich die Haushalte auf ihre Richtigkeit überprüfen?

Ein deutsches Ökonomenteam hat ein Frühwarnsystem entwickelt, das fingierte Finanzen aufdecken soll. Die Forscher um den Ilmenauer Wirtschaftsprofessor Gernot Brähler untersuchten die Statistiken der EU-Mitgliedstaaten aus den vergangenen elf Jahren und verglichen Variablen wie Schulden, Bargeldbestände und Pensionsanwartschaften.

Bei ihrem Vorgehen stützten sich die Wissenschaftler auf das sogenannte „Benfordsche Gesetz“. Dieses besagt grob, dass die Ziffern von Zahlen nach einer bestimmten Regel verteilt sind. 30Prozent beginnen mit der Ziffer Eins, rund 17 Prozent mit Zwei, 12Prozent mit der Drei. Die Ziffer Neun dagegen taucht nur bei vier Prozent aller Ergebnisse auf. „Je höher die Ziffer, desto seltener tritt sie in der Wirklichkeit auf“, resümiert Brähler.

Das Gesetz gilt für jede Zahlengesamtheit, von der physikalischen Konstante bis zu persönlichen Daten. Für die Tatsache, dass die Ziffer Eins so häufig vertreten ist, gibt es eine Reihe von Erklärungen in der Literatur. Brähler verweist zum Beispiel auf Geburtstage: „Bei elf von 30Tagen kommt die eins vor.“ Das entspricht rund einem Drittel.

Natürliche Datensätze folgen also einer Benford-Verteilung – soweit die Theorie. Doch wie stellt man fest, ob Zahlen geschönt sind? „Künstliche oder manipulierte Datensätze lassen sich daran erkennen, dass sie von der Benford-Verteilung abweichen“, erklärt Brähler. „Können im Rahmen von statistischen Anpassungstests Abweichungen der Daten von der Benford-Verteilung nachgewiesen werden, liegt daher der Verdacht der Manipulation nahe.“ Zwar liege wie bei allen statistischen Tests damit noch kein endgültiger Beweis vor. Der Benford-Test könne aber „wichtige Hinweise für eine effiziente Prüfungsreihenfolge geben“, so der Ökonom.

Verdacht auch bei Belgien

Das Ergebnis der Studie entsprach den Erwartungen der Forscher: Bei den griechischen Fiskaldaten wichen die ersten Ziffern viel stärker von der Benford-Formel ab als bei anderen Euroländern. Auch Lettland, Belgien und Rumänien wiesen Unregelmäßigkeiten auf. Die Wissenschaftler werten diese Varianz als ein untrügliches Zeichen für kreative Buchführung.

Inzwischen besitzt die Statistikbehörde Eurostat umfassende Befugnisse für Prüfungen. Trotzdem wendet sie die Benford-Verteilung (noch) nicht an. Die Autoren halten das für einen Fehler: „Auch Eurostat sollte den Benford-Test anwenden“, empfiehlt Brähler. Schummelstaaten könnten so leichter entlarvt werden.

Auf einen Blick

Mit den Waffen der Mathematik: Ein deutsches Ökonomenteam hat ein Frühwarnsystem entwickelt, das fingierte Finanzen aufdecken soll. Dabei stützen sich die Wissenschaftler auf das sogenannte „Benfordsche Gesetz“. Dieses besagt grob, dass die Ziffern von Zahlen nach einer bestimmten Regel verteilt sind. Auf Basis dieser Theorie weisen griechische, lettische, belgische und rumänische Fiskaldaten Hinweise auf Manipulation auf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.09.2011)

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