Preissturz bei CO2-Zertifikaten: Österreich kauft sich frei

(c) EPA (Mario Behnke)
  • Drucken

Der CO2-Handel verfehlt sein Ziel, warnt die EU und will eingreifen. Statt 30 Euro, wie noch 2008, kostet das Recht, eine Tonne CO2-Äquivalent auszustoßen, derzeit nur noch fünf bis sechs Euro.

Wien. Das Timing ist perfekt. Österreich nutzt das Rekordtief der Preise für CO2-Zertifikate und kauft sich vergleichsweise günstig von seinen Klimaschutzverpflichtungen frei. Der Preissturz hat aber auch negative Seiten: Denn er ist ein weiteres Signal dafür, dass der CO2-Handel in der EU einfach nicht so funktioniert wie er sollte.

Hierzulande wurden am Mittwoch nur die Sonnenseiten des Preisverfalls gefeiert: „Wir haben die Kyoto-Lücke geschlossen“, frohlockte Umweltminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP). Selten hat sich ein österreichischer Minister so darüber gefreut, eben 160 Millionen Euro an Steuergeldern für Verschmutzungsrechte im Ausland ausgegeben zu haben. Doch er ist sicher, ein Schnäppchen gelandet zu haben. „Der Preis war mit fünf Euro pro Tonne so günstig, wir mussten handeln.“

Bekanntermaßen schafft es das Land nicht, bis Ende 2012 seine selbst gesteckten Reduktionsziele aus dem Kyoto-Protokoll zu erreichen. Da ein kompletter Ausstieg aus dem Kyoto-Protokoll, wie ihn etwa Kanada vor wenigen Monaten vorexerziert hat, für Berlakovich nicht infrage kommt, muss die Republik CO2-Zertifikate aus dem Ausland zukaufen. 530 Millionen Euro hat sie schon bisher dafür ausgegeben. Mit den zusätzlichen 160 Millionen soll nun auch die restliche Kyoto-Lücke von 32 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten geschlossen sein. Tatsächlich kommt Österreich damit deutlich billiger davon, als viele Experten befürchtet hatten.

(c) DiePresse

CO2-Handel der EU ist klinisch tot

Während sich Österreichs Umweltminister also zu Recht über die niedrigen CO2-Preise freuen kann, treiben sie den EU-Politikern Sorgenfalten auf die Stirn. Sieben Jahre nach der Einführung des Emissionshandelssystems der EU (ETS) wird immer klarer, dass es sein Ziel nicht erreicht. So ist die Tatsache, dass die 12.000 europäischen Unternehmen, die dem System unterworfen sind, im Vorjahr um 2,5 Prozent weniger Treibhausgase emittiert haben, kein Erfolg des Handelssystems. Im Gegenteil.

Denn die Gründe für die Reduktion liegen nicht in der umweltschonenderen Produktionsweise der Unternehmen, sondern im milden Winter und dem wirtschaftlichen Einbruch im Vorjahr. Die Folge: Rund fünf Prozent der CO2-Zertifikate, die ausgegeben wurden, werden nicht gebraucht und drücken nun die Preise. Statt 30 Euro, wie noch 2008, kostet das Recht, eine Tonne CO2-Äquivalent auszustoßen, derzeit nur noch fünf bis sechs Euro. Kann die Industrie aber zu so günstigen Preisen Verschmutzungsrechte einkaufen, droht die Logik des CO2-Handels in sich zusammenzubrechen. Die Umstellung auf eine „grünere“ Produktion lohnt dann schlichtweg nicht mehr.

Das hat auch die EU erkannt: Das CO2-Handelssystem erfülle derzeit seine Aufgabe, „ein klares Preissignal zu senden und damit Investitionen in CO2-arme Technik zu gewährleisten“ nicht, heißt es in einer Vorlage der dänischen Ratspräsidentschaft für das Treffen der Umweltminister der EU. Das EU-Parlament drängt seit Längerem darauf, die Anzahl der verfügbaren Zertifikate drastisch zu verringern. Auch ein Mindestpreis für CO2-Rechte ist im Gespräch.

Von der Idee, die Marktkräfte einzusetzen, um das Klima zu schützen, wäre man dann freilich ein gutes Stück entfernt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.