Ein Zwangsbeitrag, den niemand braucht

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Wenn Länder mit Wohnbaugeld vorzugsweise nur noch herumzocken, gibt es keinen Grund mehr, Arbeitnehmern einen "Wohnbauförderungsbeitrag" abzuknöpfen. Dieser beträgt ein Prozent des Bruttolohns.

In der Diskussion um die Einführung einer Vermögenssteuer wird gelegentlich der Schmäh vom Umbau des Steuersystems ins Treffen geführt: Vermögen soll stärker, die überproportional mit Steuern und Abgaben beladene Arbeit im Gegenzug geringer belastet werden.

Dass das nicht ernst gemeint ist, sieht man ja schon daran, dass die noch lange nicht beschlossene Vermögenssteuer von diversen Regierungs- und Sozialpartnerfraktionen schon mehrfach anderwertig verplant ist. Etwa für die Pflege.

Es hat nämlich außerhalb salbungsvoller Sonntagsreden niemand wirklich die Absicht, an den steuerlichen Stellschrauben der viel zu hohen Arbeitskosten nennenswert zu drehen. Die Regierung nicht, die Länder nicht und auch die Sozialpartner, die gern die zu hohen Nebenkosten bejammern, nicht.

Gelegenheit dazu hätten sie nämlich längst: Es gibt einen „Wohnbauförderungsbeitrag“, den alle Arbeitnehmer als Zuschlag zum Gehalt entrichten müssen. Das heißt, nicht alle: Auch hier gibt es natürlich ein Agrar-Privileg. Arbeitskräfte in landwirtschaftlichen Betrieben sowie deren Dienstgeber sind davon (ebenso übrigens wie Diplomaten und Hausmeister) per Gesetz befreit. Warum, ist nicht ganz klar. Vielleicht, weil Knechte ohnehin im Stall schlafen und deshalb keinen Wohnraum brauchen? Wir wissen es nicht, ist aber auch nicht so wichtig.

Dieser Wohnbauförderungsbeitrag beträgt jedenfalls ein Prozent des Bruttolohns, ist je zur Häfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern abzuliefern – und war eine Zeitlang Kern eines sehr klugen Systems: Aus diesem Steuertopf wurden günstige Wohnbaudarlehen finanziert. Deren Rückflüsse sorgten dann in Kombination mit den Beiträgen dafür, dass die Wohnbauförderungskasse immer gut gefüllt war.

Das System hat sich aber überlebt: Ein Großteil der durch einen die Lohnnebenkosten erhöhenden Zuschlag eingehobenen Wohnbauförderung wird unterdessen nämlich zweckwidrig zum Stopfen allgemeiner Budgetlöcher verwendet. Und zwar ganz legal, denn die Zweckbindung wurde längst aufgehoben. Die Höhe der eingesetzten Mittel hat mit der Abgabe direkt nichts mehr zu tun.

Bleiben die Rückflüsse aus bestehenden Wohnbaukrediten, die ja auch beträchtlich sind. Die werden aber von den Ländern massiv für wohnbaufremde Zwecke missbraucht. Auch ganz legal natürlich. Die meisten Bundesländer haben Forderungen gegen ihre Kreditnehmer längst „verkauft“ und verwenden das Geld jetzt als Spielmasse für (meist ziemlich missglückte) Spekulationen auf internationalen Finanzmärkten oder zum Stopfen ihrer immer größer werdenden Landesbudgetlöcher. Oder für beides.

Diesen Forderungsverkauf haben, wie gesagt, die meisten Bundesländer schon ausprobiert. Zu einer wahren Meisterschaft haben es dabei die Niederösterreicher gebracht: Die haben Darlehensforderungen im Volumen von mehr als sieben Mrd. Euro um 4,4 Mrd. Euro „verkauft“ und das Geld „veranlagt“. Zuletzt waren noch 3,8 Mrd. Euro im Topf. Nicht nur, weil die erzielte Verzinsung erbärmlich ist, sondern weil das Land Niederösterreich auch noch jährlich rund eine Viertelmillion zur Budgetabdeckung aus dem Topf holt. Und dabei mangels Veranlagungserfolgs die Substanz anzapfen muss.

Die damit wieder einmal dokumentierte wirtschaftliche Unfähigkeit unserer politischen Eliten ist aber nicht der Punkt. Der ist vielmehr, dass diese Zockerei mit öffentlichen Mitteln aus Beiträgen gespeist wird, die Arbeitnehmer Monat für Monat von ihrer Gage abzwicken müssen. Und von deren Existenz viele nicht einmal wissen, weil sie auf vielen Lohnzetteln nicht extra ausgewiesen ist und beispielsweise auch im Brutto-Netto-Rechner des Finanzministeriums nicht vorkommt.

Wenn es stimmt, dass hohe Lohnnebenkosten Arbeitsplätze gefährden, und wenn es weiter stimmt, dass politischer Konsens darüber herrscht, dass die Abgabenbelastung der Arbeit gesenkt werden muss – dann böte sich hier gute Gelegenheit: Durch eine schlichte Abschaffung dieses für den Wohnbau ganz offensichtlich nicht mehr benötigten Zwangsbeitrags.

Wenn Ihnen also nächstens der Sozialpartner oder Politiker ihres Vertrauens über den Weg läuft und irgendetwas von „Lohnnebenkosten“ murmelt, kontern Sie ganz trocken mit „Wohnbauförderungsbeitrag“. Damit er weiß, dass Heuchelei nicht immer durchgeht.


E-Mails: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2011)

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