Wie Personalpolitik wirklich funktioniert

E-Control-Vorstand Walter Boltz darf bleiben.
E-Control-Vorstand Walter Boltz darf bleiben.(c) Michaela Bruckberger
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Bei der E-Control gibt es zwei Vorstände, deren Verträge zur Verlängerung anstehen. Beide sind fachlich unumstritten, dennoch wackelt ein Sessel. Des Rätsels Lösung: Die SPÖ streitet über einen ihr genehmen Kandidaten.

Das Hearing fand am 2. Dezember statt. Die Postenvergabe ist aber immer noch nicht entschieden. Weil alles so kompliziert ist? Weil die Faktenlage noch eingehend studiert werden muss? Weil es andere Prioritäten gibt? Mag alles sein. Ehrlicherweise muss aber schon betont werden: Die Sache verzögert sich, weil es sich um eine politische Entscheidung handelt. Und da müssen eben alle möglichen Interessen berücksichtigt werden.

Es geht um zwei Vorstandsposten beim Energieregulator E-Control. Eine höchst spannende Geschichte. Jedenfalls ist für sie kein besonderes Interesse an der heimischen Energiebranche erforderlich. Eher daran, wie Personalpolitik in Österreich funktioniert. Die Verträge der beiden amtierenden E-Control-Vorstände Walter Boltz und Martin Graf laufen Ende März aus. Ein an sich einfacher Sachverhalt, könnte man meinen: Die Verträge werden verlängert oder auch nicht, je nachdem.

Weit gefehlt. Im Jahre 2016 regiert in Österreich ja immer noch vielerorts der strenge Proporz. Auch bei der offiziell politisch unabhängigen E-Control. Walter Boltz ist also der schwarzen, Martin Graf der roten Reichshälfte zuzuordnen. Und da beginnen die Dinge, kompliziert zu werden. Denn damit dürfen beide Regierungsparteien mitreden.

Dazu kommt, dass die beiden Jobs durchaus begehrt sind. Nicht nur, weil die Regulierungsbehörde rund 100 Mitarbeiter zählt. Sondern vor allem deshalb, weil sie ganz schön mächtig ist: Offiziell hat die E-Control darüber zu wachen, dass der Wettbewerb in der Energiebranche funktioniert. Inoffiziell macht sie in gewisser Weise aber auch Energiepolitik. Diese wird nämlich vom eigentlich zuständigen Wirtschaftsministerium sträflich vernachlässigt. Minister Reinhold Mitterlehners Prioritäten liegen anderswo.

Vier Kandidaten haben sich also Anfang Dezember einem Hearing im Wirtschaftsausschuss des Nationalrats unterzogen. Neben den amtierenden Vorständen Walter Boltz und Martin Graf waren das E-Control-Jurist Wolfgang Urbantschitsch und ein gewisser Andreas Eigenbauer – seines Zeichens Leiter der Wiener Magistratsdirektion Strategische Energieangelegenheiten.

So wie die Sache aussieht, ist die Vertragsverlängerung von Boltz sicher. Der schwarze Posten ist also kein Thema mehr. Dafür gibt es auf der roten Seite brutale Graben- und Machtkämpfe um „ihren“ Kandidaten. Heißt: In der SPÖ rebellieren die Wiener. Fazit: Martin Graf muss um seinen Job zittern. Er könnte durch Andreas Eigenbauer ersetzt werden. Für Eigenbauer ist es der zweite Anlauf. Vor rund fünf Jahren schon wollte er E-Control-Vorstand werden. Und schon damals gab es innerhalb der SPÖ massive Konflikte: Die Niederösterreicher befürworteten Martin Graf, das rote Wien machte sich für Eigenbauer stark. Der seinerzeitige SPÖ-Sozialminister Rudolf Hundstorfer – damals das SPÖ-Gegenüber von Mitterlehner – war für Martin Graf, der ja schon jahrelang in der E-Control gearbeitet hatte. Damit hatte Eigenbauer das Nachsehen.

Jetzt ist dieser Streit in der SPÖ wieder entbrannt. Mit dem kleinen Unterschied, dass Hundstorfer mittlerweile anderes zu tun hat und die Wiener somit ihre Stunde gekommen sehen. Nicht, dass sich Martin Graf fachlich etwas vorzuwerfen hätte – im Gegenteil. Aber es muss für die Wiener halt ein Mann her, auf den Verlass ist. Auf Martin Graf traf dies offenbar weniger zu, und so haben die Wiener mit ihm noch eine Riesenrechnung offen. Vor Jahren gab es nämlich Streit um die Netztarife, die die E-Control festlegt.

In aller Kürze: Die Wiener Netze wollten, dass ihre überbordenden Kosten für rund 3000 Pensionisten von der E-Control anerkannt werden. Sprich: Die Zeche für den finanziellen Ballast hätten die Kunden zahlen sollen. Doch die E-Control lehnte einen entsprechenden Aufschlag auf die Netztarife ab.

Vor rund zwei Jahren wandten sich die Wiener Netze also an das Bundesverwaltungsgericht – die Sache aber ist noch immer nicht entschieden. Dumm gelaufen, und für ihr Ungemach haben die Wiener Genossen schon längst den Schuldigen ausgemacht: nämlich Martin Graf. Jenen Mann, der zwar ein „Roter“ ist, aber einfach nicht „funktioniert“ hat. Das hat er jetzt davon: Angeblich macht hinter den Kulissen vor allem der neue Stadtwerke-Vorstand, Peter Weinelt, massiv Stimmung gegen Grafs Vertragsverlängerung. Strafe muss eben sein.

Nach Ansicht der Wiener ist die Zeit reif für einen Karrieresprung von Andreas Eigenbauer. Was ihm auch durchaus vergönnt wäre – hätte die Sache nicht einen höchst unangenehmen Beigeschmack. Als Magistratsdirektor und Energiebeauftragter der Stadt Wien ist er gleichsam ein Mann der Wiener Stadtwerke, vulgo der Wien Energie und der Wiener Netze.

Und das kommt ein bissl gar komisch daher: Es soll nämlich just ein Mann Kontrollor der Energiebranche werden, der ein Naheverhältnis zu einem zu kontrollierenden Unternehmen hat. Ein Mann, der hinter vorgehaltener Hand als „Diener der Stadt“ bezeichnet wird. Ein Mann, der als „Rathaus-getrieben“ beschrieben wird. Durchaus originell. Darauf muss man erst einmal kommen.

Unter einem Wirtschaftsminister Martin Bartenstein hätte es das nicht gegeben, zischelt es in der Branche. Stimmt: Bartenstein, der seinerzeit die E-Control aus der Taufe gehoben hatte, hat stets die Parole ausgegeben: Personen mit einem Naheverhältnis zu Energieversorgern dürften keinesfalls Regulatoren werden.

Auch der bleibende E-Control-Vorstand Walter Boltz soll über die Aussicht, die Chefetage in Hinkunft mit Andreas Eigenbauer teilen zu müssen, wenig erbaut sein.

Reinhold Mitterlehners Begeisterung soll sich ebenfalls in engen Grenzen halten. Er trifft zwar letztlich die Entscheidung, wer in die E-Control-Chefetage ziehen wird. Aber: Dem großkoalitionären Spiel des Gebens und Nehmens kann er sich halt auch nicht völlig entziehen.

Außerdem würde er Martin Graf eh liebend gern ablösen, weil dieser bei ihm total unten durch ist. Das wiederum liegt daran, dass Graf offenbar – obwohl unabhängiger Regulator – einen gewissen Hang zur (roten) Politik hat. Anfang 2015 beispielsweise war er im Personenkomitee von Wiener Neustadts SPÖ-Bürgermeisterkandidat Bernhard Müller.

Geht gar nicht, befindet der Wirtschaftsminister nicht ganz zu Unrecht. Aber was tun? Die Alternative ist ein Rathaus-Mann an Grafs statt in der E-Control.
Personalpolitik kann oft ganz schön kompliziert sein.

Auf einen Blick

Die E-Control wurde 2001 gegründet und ist als österreichische Regulierungsbehörde für die Aufstellung und Kontrolle von Wettbewerbsregeln in der heimischen Energiebranche zuständig. „Um im Interesse aller Marktteilnehmer handeln zu können, muss der Regulator politisch und finanziell unabhängig sein“, heißt es auf der Homepage der Behörde. Derzeit findet gerade eine politische Schlacht um die Besetzung der beiden Vorstandsposten statt. Sie werden nach den ungeschriebenen Gesetzen des Proporzes vergeben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2016)

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