Parallelwährungen als Ausweg aus der Eurokrise

Parallelwaehrungen Ausweg Eurokrise
Parallelwaehrungen Ausweg Eurokrise(c) EPA (ARNO BURGI)
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Soll Griechenland im Euroraum bleiben oder die Drachme wieder einführen? Es gibt auch einen dritten Weg: Die Einführung einer Parallelwährung.

Der Wert des griechischen Staatsvermögens wird auf mindestens 150 Millilarden Euro geschätzt. Dieses Staatsvermögen wird als Eigenkapital in ein Sondervermögen eingebracht und als Wertdeckung einer griechischen Parallelwährung „Neue Drachme“ unterlegt. Das Sondervermögen darf die „Neue Drachme“ nur bis zur Höhe seines durch unabhängige Dritte testierten Eigenkapitalwertes ausgeben; darüber hinaus darf das Sondervermögen „Neue Drachmen“ nur gegen Hinterlegung werthaltiger Sicherheiten ausgeben. Dem griechischen Staat bleibt das kostenlose Nutzungsrecht der in das Sondervermögen eingebrachten Vermögenswerte (z.B. Straßen, Land, Gebäude, Wasserwerke, Stromleitungen, Dividenden aus Beteiligungen); im Gegenzug ist der griechische Staat verpflichtet, den Vermögenswert durch Instandhaltung und Modernisierung zu erhalten. Den Gläubigern griechischer Staatsschulden wird angeboten, ihre Euro-Forderungen in „Neue Drachmen“ umzutauschen, und zwar zum Nominalwert und ohne Abschlag. Bei einem Staatsvermögen von mindestens 150 Mrd. Euro können Euroschulden bis zu dieser Höhe abgelöst werden. Diese Euro-Staatsanleihen sind damit getilgt, scheiden aus der auf Euro lautenden Geldmenge aus und befreien Griechenland zudem von diesen auf Euro lautenden Zinsbelastungen.

Den Gläubigern eröffnet eine Rückzahlung in „Neuer Drachme“ die Chance einer Wertsicherung ihrer Forderungen. Nicht durch Schuldenrückkäufe verausgabte „Neue Drachmen“ darf der griechische Staat für Staatsausgaben einsetzen, um zunächst von einer Aufnahme neuer Schulden unabhängig zu sein. Neue, auf „Neue Drachme“ lautende griechische Staatsanleihen, die nur ein Schuldversprechen darstellen und – anders als das Sondervermögen – nicht durch vorhandene Vermögenswerte wertgedeckt sind, darf das Sondervermögen nicht als Sicherheit für die Ausgabe der „Neuen Drachme“ akzeptieren (Hartwährung statt Weichwährung). Die Möglichkeiten privater Banken zur Giralgeldschöpfung in „Neuer Drachme“ bleiben erhalten, denn andere Sicherheiten als neue griechische Staatsanleihen können die Banken durch Hinterlegung beim Sondervermögen in „Neuer Drachme“ monetisieren.

Die Neue Drachme ist frei in Euro und andere Währungen konvertibel; ab dem Tag der Einführung der Neuen Drachme wird der Markt einen Wechselkurs ermitteln. Es gibt keinen rechtlichen Zwang, auf Euro lautende Konten auf „Neue Drachme“ umzustellen. Staatliche Leistungen wie Renten oder Gehaltszahlungen für öffentliche Bedienstete sowie Steuerrückzahlungen werden ab der Einführung in Neuer Drachme geleistet; Zahlungen an den griechischen Staat, insbesondere Steuerzahlungen, werden nur noch in neuer Drachme angenommen. Private, griechische Inländer haben einen sog. Annahmezwang für die Neue Drachme; d.h., der Zahlende darf wahlweise mit Neuer Drachme oder Euro bezahlen; der Verkäufer muss die „Neue Drachme“ akzeptieren. Für die Umrechnung gilt der Marktwechselkurs zwischen „Neuer Drachme“ und Euro zum Zeitpunkt der Zahlung. Im Außenwirtschaftsverkehr kann für auf Euro lautende Altverträge der Annahmezwang des griechischen Verkäufers in Neuer Drachme bei Einvernehmen der Vertragpartner ausgeschlossen werden; bei Neuverträgen im Außenwirtschaftsverkehr müssen die Vertragspartner entscheiden, welche Währung sie vereinbaren.

Die griechische Zentralbank kann als nationale Euro-Notenbank erhalten bleiben; Griechenland kann sich aber auch entscheiden, die griechische Zentralbank abzuwickeln. Der Kosovo hat z.B. den Euro als Währung eingeführt, ohne eine eigene Zentralbank zu haben und ohne Euro-Mitglied zu sein. Eine solche Regelung bedarf der Zustimmung der Europäischen Währungsunion. Insbesondere falls Griechenland Euro-Mitglied bleiben möchte, spricht sehr viel dafür, dass die Neue Drachme als umlauffähige, vom Sondervermögen emittierte Inhaberschuldverschreibung (Bargeld in Form von Kassenscheinen) in Umlauf gebracht wird (keine zwei griechischen Zentralbanken). Der Ansatz „Kassenscheine“ hätte auch Vorteile mit Blick auf Artikel 128 Absatz 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union, der festlegt: „Die von der Europäischen Zentralbank und den nationalen Zentralbanken ausgegebenen Banknoten sind die einzigen Banknoten, die in der Union als gesetzliches Zahlungsmittel gelten.“ Eine Änderung (Einschränkung) dieser Regelung setzt ein Vertragsänderungsverfahren im Konsens aller EU-Mitgliedstaaten voraus. Es dürfte ausreichend rechtlichen Interpretationsspielraum geben, umlauffähige Sondervermögensinhaberschuldverschreibungen, die als gesetzliches Zahlungsmittel ausschließlich in Griechenland gelten würden, in der Europäischen Union konsensual auch ohne aufwändiges Vertragsänderungsverfahren als vertragskonform zu qualifizieren.

Die Vorteile des Ansatzes

Durch die Monetisierung seines Staatsvermögens in Form einer „Neuen Drachme“ und Rückkauf der Staatsschulden mit einem entsprechenden Volumen von mindestens 150 Mrd. Euro würde der griechische Staat in diesem Umfang entschuldet. Der griechische Schuldenstand würde allein durch diese Maßnahme soweit sinken, dass Griechenland dann zu den mäßig verschuldeten europäischen Ländern gehören würde. Zieht man von der derzeitigen griechischen Neuverschuldung die durch den Schuldenrückkauf jährlich eingesparten Zinsen ab, sinkt zudem die griechische jährliche Neuverschuldung auf akzeptable Werte. Der durch den Schuldenrückkauf verminderte Schuldenstand sollte es Griechenland ermöglichen, sich zukünftig ohne Garantien Dritter am Kapitalmarkt zu refinanzieren. Die in „Neue Drachme“ getauschten Forderungspositionen können auf Grund deren Wertdeckung als werthaltig gelten; Abschreibungen können vermieden bzw. sogar rückgängig gemacht werden. Griechenland erhält eine abwertungsfähige Binnenwährung mit flexiblem Wechselkurs und kann so seine internationale Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellen. Griechenland kann Euro-Mitglied bleiben. Sollte sich Griechenland dennoch (später) entscheiden, aus dem Euro-Raum auszuscheiden, wäre dies ohne weitere Entschuldung möglich.

Da die Bedeutung der „Neuen Drachme“ als Währung für Transaktionen außerhalb Griechenlands gering sein wird, ist es für die Gläubiger am sinnvollsten, ihre Guthaben in „Neuer Drachme“ vor allem in Griechenland anzulegen, entweder durch Investitionen (z.B. in Liegenschaften oder Unternehmensbeteiligungen) oder Anlagen bei griechischen Banken. Eine kurzfristige Anlage dürfte die Abwertungsbelastung der Gläubiger verringern. Die griechischen Banken können durch die Einführung der „Neuen Drachme“ als saniert gelten, da ihnen Belastungen durch einen Schuldenschnitt ganz oder teilweise erspart werden, die von ihnen gehaltenen griechischen Staatsanleihen aufgewertet werden, der Niedergang der griechischen Wirtschaft gebremst und die Bereitschaft zur Einlagengewährung an griechische Banken gestärkt wird. Ein durch die Ausgabe der „Neuen Drachme“ erzeugter Nachfrageimpuls wirkt wie ein Konjunkturprogramm. Inflationäre Wirkungen in Griechenland sind wahrscheinlich, da illiquide, lang laufende griechische Staatsanleihen umgewandelt werden in liquides Geld. Angesichts des derzeit rezessiven, deflationären Umfelds in Griechenland kann dies als akzeptabel oder in dieser Ausnahmesituation als sogar eher hilfreich angesehen werden. Das Modell wäre im Bedarfsfall übertragbar auf andere Staaten; z.B. verfügt Italien über rd. 1800 Milliarden Euro Staatsvermögen und damit über eine ca. 100prozentige Vermögensdeckung seiner Staatsschulden. Monetisierungen im Umfang des Staatsvermögens gefährdeter Euro-Länder würden die im Worst-Case-Fall drohenden Verluste reduzieren um die Summe der Staatsvermögen dieser Länder. Mit einem solchen „Risikominderungspuffer“ sollte es möglich sein, auch der „Ansteckungs- und Dominosteinfurcht“ der Märkte zu begegnen.

Wer trägt die Lasten der Teilentschuldung?

Dem griechischen Staat bleibt die von Zinsen und Tilgungen entlastete, „ewige“ Weiternutzung seiner monetisierten Vermögenswerte. Die Gläubiger Griechenlands werden durch die Monetisierung deutlich weniger Lasten zu tragen haben, sofern sie ihre Neue-Drachme-Guthaben klug einsetzen und der anfängliche Abwertungsdruck mäßig ausfallen sollte. Der Annahmezwang griechischer, privater Inländer überträgt private griechische Vermögenswerte an die in Neuer Drachme zahlenden Gläubiger. Da die griechischen Privaten, die Neue Drachme annehmen müssen, damit selbst Zahlungen leisten können, verteilt sich der Vermögenseffekt auf alle Zahlungsempfänger.

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Der Autor

Dieser Artikel wurde für "Ökonomenstimme", die Internetplattform für Ökonomen im deutschsprachigen Raum, erstellt. Die Presse ist exklusiver Medienpartner der Ökonomenstimme. Udo Neuhäusser leitet im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi), Bonn, als Ministerialrat das Referat "Beteiligungs- und Mezzaninfinanzierung, Haushalt des ERP-Sondervermögen". In früheren Jahren arbeitete er im Bundesministerium für Bildung und Forschung in Bonn, an der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der Europäischen Union in Brüssel sowie im Nationalen Sekretariat von Amnesty International in Bonn. Er ist Diplom-Ökonom und hat im Landesdienst Baden-Württemberg in Stuttgart das Assessorexamen mit Schwerpunkt Verwaltungsrecht abgelegt.

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