Arbeitsrecht: Shopping im Krankenstand

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Warum Arbeitgeber Arztbestätigungen ausdrücklich verlangen sollten - und Sporteln während des Krankenstands nicht immer ein Entlassungsgrund ist.

Wien. Die Grippewelle ist noch nicht ausgestanden, allein in Wien gab es in der Vorwoche 12.700 Neuerkrankungen. Wartezimmer von Ärzten sind voll, Unternehmen schlagen sich mit Personalengpässen herum.

Auch ein seit Jahren zwischen Arbeiter- und Wirtschaftskammer schwelender Streit ist neu aufgeflammt. Die Arbeiterkammer wirft Unternehmen vor, kranke Mitarbeiter zu einvernehmlichen Auflösungen des Dienstverhältnisses zu drängen. Von tausenden Betroffenen ist die Rede: Den Mitarbeitern werde die Wiedereinstellung versprochen, sobald sie gesund sind, zum Teil müssten sie beim Jobantritt sogar Blanko-Auflösungsvereinbarungen unterschreiben, heißt es. Die Wirtschaftskammer bestreitet das vehement und spricht von Einzelfällen.

Was müssen Arbeitnehmer und -geber beim Krankenstand berücksichtigen? Welche arbeitsrechtlichen „Mythen“ sind im Umlauf? „Die Presse“ gibt Antwort.

1 Braucht man wirklich erst nach drei Tagen eine Arztbestätigung?

Nein, auch wenn es in vielen Unternehmen so gehandhabt wird. Grundsätzlich muss man eine Arztbestätigung vorlegen, wenn der Arbeitgeber es verlangt, das kann auch schon für den ersten Tag im Krankenstand sein. Aus Arbeitgebersicht sei es aber meist ratsam, „eher weniger zu fordern als zu viel“, meint Stephan Nitzl, Leiter der Arbeitsrechtsgruppe bei DLA Piper Weiss-Tessbach: Wer wegen eines Schnupfens daheimbleibt, kommt oft nach ein, zwei Tagen wieder. Muss man aber sofort zum Arzt, wird man meist „vorsorglich“ gleich für die ganze Woche krankgeschrieben. So gesehen, hat die „Drei-Tage-Regel“ für beide Seiten etwas für sich. Sie findet sich auch oft als Klausel in Dienstverträgen.

2 Muss der Arbeitnehmer die Bestätigung von sich aus bringen?

Genau genommen nicht. Der Arbeitgeber muss die Arztbestätigung verlangen, und zwar, so Julian Feichtinger, Partner bei CHSH, „ausdrücklich und immer im jeweiligen Anlassfall“. Nur dann verliert der Arbeitnehmer seinen Entgeltanspruch für die betreffenden Tage, wenn er die Bestätigung nicht bringt. Selbst eine Klausel im Dienstvertrag – siehe oben – ändert daran laut OGH und herrschender Lehre grundsätzlich nichts. Trotzdem ist es für Arbeitnehmer ratsam, sich an eine solche Vereinbarung zu halten.

3 Ist es ein Entlassungsgrund, wenn jemand sich zu spät krank meldet?

Normalerweise nicht, zumindest nicht, wenn man wirklich krank ist. Ein „an sich nicht pflichtwidriges Dienstversäumnis“ werde dadurch nicht in ein pflichtwidriges verwandelt, sagt der OGH. Theoretisch könnte ein Arbeitnehmer (abgesehen von Ausnahmefällen) sogar einfach daheimbleiben und nach ein paar Tagen mit einem ärztlichen Attest wiederkommen. Er verliert dann aber – außer eine Verständigung war nicht möglich – seinen Entgeltanspruch für den betreffenden Zeitraum. Und wenn man deshalb auch nicht sofort seinen Arbeitsplatz räumen muss, ist man wahrscheinlich trotzdem seinen Job bald los: durch reguläre Kündigung, der man dann wenig entgegenzusetzen hat.

4 Muss man alle ärztlichen Therapieanweisungen befolgen?

Man muss grundsätzlich alles tun, um die Gesundheit wiederherzustellen, und darf den Krankheitsverlauf nicht verzögern. „Fitspritzen lassen muss man sich nicht, sinnvolle Medikamente nehmen schon“, so Nitzl. Wenn man aber lieber naturheilkundlichen Methoden vertraut? „Da wird es im Einzelfall darauf ankommen, ob es eine Alternativtherapie gibt, die für einen ähnlichen Heilungsverlauf sorgt“, sagt Feichtinger. Auch auf die Zumutbarkeit komme es an: Eine Operation mit hohem Risiko muss sich niemand aufzwingen lassen. „Aber wenn sich gegen eine Therapie weder medizinische noch religiöse – oder allenfalls gesellschaftlich anerkannte ethische – Gründe anführen lassen, wird die Verweigerung wohl arbeitsrechtlich unzulässig sein.“

5 Und wenn man im Krankenstand sportelt oder shoppen geht?

Das ist der Klassiker der Krankenstands-Streitfälle. Ein Entlassungsgrund sei aber selbst das normalerweise nur dann, wenn es geeignet war, den Heilungsverlauf negativ zu beeinflussen, sagt Feichtinger. Bei manchen Erkrankungen, von Gelenksproblemen bis Burn-out, kann etwas, was wie Freizeitvergnügen ausschaut – etwa ein Thermenbesuch oder Spaziergänge – sogar Teil der Therapie sein. Hier kann es, so Nitzl, für den Arbeitnehmer ratsam sein, den Arbeitgeber zu informieren.

An sich ist man nicht verpflichtet, ihm die Diagnose bekanntzugeben, in einem solchen Fall sollte man es aber tun. Das gilt auch dann, wenn man möchte, dass der Arbeitgeber seine Fürsorgepflicht wahrnimmt und krank machende Arbeitsbedingungen ändert – denn das kann er nur, wenn er Bescheid weiß.

6 Wer darf kontrollieren, ob ein Krankenstand gerechtfertigt ist?

Ob Arbeitsunfähigkeit vorliegt, stellt der Arzt fest. Bei einem konkreten Verdacht kann der Arbeitgeber aber eine Kontrolle durch die Krankenkasse anregen und auch selbst Nachforschungen anstellen. Er darf dann zum Beispiel die Social Media durchforsten oder einen Detektiv beauftragen. Wird dieser fündig, können laut OGH sogar die Kosten dafür dem Arbeitnehmer aufgebrummt werden. Und: Wer eine Krankheit vortäuscht und erwischt wird, ist seinen Job mit ziemlicher Sicherheit los. Das ist ein Entlassungsgrund, und in solchen Fällen wird, so Nitzl, „meist hart durchgegriffen“.

7 Wie ist das nun aber wirklich mit Kündigungen im Krankenstand?

Arbeitgeber können Mitarbeiter zwar während des Krankenstandes kündigen, der Entgeltfortzahlungsanspruch wird dadurch aber nicht verkürzt. Eventuell muss das Unternehmen das Entgelt sogar über das Ende der Kündigungsfrist hinaus weiterzahlen. Bei einvernehmlichen Auflösungen gilt das jedoch nicht: Der Mitarbeiter bekommt dann nach dem Ende des Dienstverhältnisses nur mehr das – geringere – Krankengeld von der Krankenkasse. Verboten ist es aber nicht, sich im Krankenstand einvernehmlich zu trennen – wenn das Einvernehmen ein echtes ist.

Lexikon

Entgeltfortzahlung. Arbeitgeber müssen erkrankten Mitarbeitern für einen gewissen Zeitraum, je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit, ihr Entgelt weiterzahlen: in den ersten fünf Jahren für (mindestens) sechs Wochen, nach fünf Jahren für acht, nach 15 Jahren für zehn und nach 25 Jahren für 12 Wochen. Danach gebührt noch für bis zu vier Wochen das halbe Entgelt.

Krankengeld. Mit dem Krankengeld springt die Krankenkasse ein, wenn kein Entgeltfortzahlungsanspruch mehr besteht. Anspruch hat man frühestens ab dem vierten Krankenstandstag. Es beträgt 50 Prozent, ab dem 43. Krankheitstag 60Prozent des Arbeitsverdienstes. Zahlt der Arbeitgeber nur mehr das halbe Entgelt, bekommt man das halbe Krankengeld dazu.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.03.2013)

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