Das Schlamassel mit der „Realverfassung“

INTERVIEW MIT JOSEF MOSER
INTERVIEW MIT JOSEF MOSER(c) APA/HERBERT PFARRHOFER
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Fehlende Transparenz bei der Rechnungslegung der Länder: Ist auch der Rechnungshof mit schuld? Kritisiert wurde das schon öfter, zuletzt wegen des Desasters um die Hypo Alpe Adria und die Haftung Kärntens.

Wien. „Doppelt gefesselt“ habe sich der Finanzminister, sagte Rechnungshofpräsident Josef Moser kürzlich im „Presse“-Interview. Passiert ist das vor 40 Jahren: Die Heiligenbluter Vereinbarung, die der damalige Finanzminister, Hannes Androsch, mit Ländern und Gemeinden schloss, nahm ihm faktisch die Möglichkeit, eine einheitliche Rechnungslegung durchzusetzen – obwohl er es laut Finanz-Verfassungsgesetz im Einvernehmen mit dem Rechnungshof könnte.

Kritisiert wurde das schon öfter, zuletzt wegen des Desasters um die Hypo Alpe Adria und die Haftung Kärntens. Transparentere Rechnungslegungsvorschriften hätten das Schlamassel vielleicht nicht verhindert, aber schon vor Jahren sichtbar gemacht. Nur gibt es solche bis heute nicht: Denn 1974 vereinbarten Bund, Länder und Gemeinden etwas anderes, als in der Verfassung steht. Nämlich, dass nur die Gebietskörperschaften selbst – einstimmig – die Regeln ändern können.

Ein „ständiges Komitee“ wurde eingerichtet, in dem Bund, Länder, Städte- und Gemeindebund vertreten sind. Mit dem Auftrag, mindestens einmal jährlich zu tagen und Empfehlungen für Anpassungen der Voranschlags- und Rechnungsabschlussverordnung (VRV) auszuarbeiten. Diese müssen laut Geschäftsordnung einstimmig beschlossen und von Bund, Ländern, Städte- und Gemeindebund abgesegnet werden. Dann muss der Komitee-Vorsitzende die Empfehlungen sammeln und – so heißt es wortwörtlich – deren „allfälligen Vollzug in die Wege leiten“. Also: sie an den Finanzminister weiterreichen, der die VRV im Einvernehmen mit dem Rechnungshof entsprechend ändern „darf“.

„Realverfassung“ nannte das Moser. Aushebeln einer Verfassungsbestimmung könnte man auch dazu sagen. Dabei ist die Heiligenbluter Vereinbarung laut Verfassungsjuristen rechtlich unverbindlich. Und wäre sie das nicht, müsste sie kündbar sein. Dass sie trotzdem seit vier Jahrzehnten eisern eingehalten wird, spiegelt die Machtverhältnisse zwischen Bund und Ländern wider. Und trug nun dem Rechnungshof mediale Schelte ein: Man könnte zu der Rechtsansicht gelangen, er hätte „als Prüfgremium des Finanzministeriums die Verpflichtung gehabt, dem Minister zu empfehlen, schleunigst eine neue, geeignete VRV in Kraft zu setzen, der er zustimmen kann“, stand am Montag im „Profil“.

Kritik in Prüfberichten

Rechnungshof-Sprecherin Doris Grabherr will das so nicht stehen lassen: Man habe die sehr allgemeinen Regelungen in der VRV immer wieder kritisiert und empfohlen, sie zu ändern, sagte sie auf „Presse“-Anfrage und verwies auf das Positionspapier zur Verwaltungsreform aus dem Jahr 2007. Es sei nötig, alle Gebietskörperschaften in eine Haushaltsrechtsreform einzubeziehen, heißt es da. Die Rechnungslegungsvorschriften der Länder und Gemeinden (VRV 1997) seien neu zu gestalten, „wobei einheitliche und verbindliche Kontierungsrichtlinien die bessere Vergleichbarkeit der Gebarung sicherstellen sollen“. Auch in Länder-Prüfberichten sei immer wieder auf die Unzulänglichkeiten und die Notwendigkeit einer Anpassung hingewiesen worden, sagt Grabherr. Aber: Die Initiative müsse vom Finanzminister ausgehen.

Bleibt die Frage, wann das endlich geschieht. Die Hypo Alpe Adria selbst hat der Rechnungshof übrigens 2003 geprüft – damals war er für sie aufgrund der Eigentumsverhältnisse noch zuständig, nach 2005 nicht mehr, wie Moser im „Presse“-Interview sagte. Das Risikomanagementsystem wäre „auszubauen bzw. zu verbessern“, hieß es damals im Bericht. Risikotragfähigkeit sowie adäquate Eigenmittelausstattung seien zu beachten. Und: Man habe ausländische Töchter aus rechtlichen Gründen nicht prüfen können. „Ausfallshaftungen österreichischer Bundesländer für öffentliche Kreditinstitute“ waren da auch schon ein Thema – aber nicht so sehr wegen der Risken, sondern vor allem wegen einer Prüfung durch die EU-Kommission, ob sie mit EU-Wettbewerbsrecht vereinbar seien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2014)

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