Mindestlöhne zu umgehen kann legal sein

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Der Europäische Gerichtshof bestätigt die Praxis, bei öffentlichen Aufträgen Arbeiten in Billiglohnländer zu verlagern.

Wien. Eine aktuelle EuGH-Entscheidung (C-549/13) bremst Bestrebungen, bei öffentlichen Auftragsvergaben Lohndumping zu unterbinden. Nationalen Regelungen, wonach Mindestlöhne auch einzuhalten sind, wenn Arbeiten in EU-Länder mit niedrigerem Lohnniveau ausgelagert werden, erteilt sie eine Absage.

Konkret ging es um einen Auftrag zur Aktendigitalisierung und Konvertierung von Daten, den die Stadt Dortmund zu vergeben hatte. In Anwendung eines Landesgesetzes verlangte sie von den Bietern, dass alle Arbeitnehmer mindestens 8,62 Euro pro Stunde bezahlt bekommen müssen – auch wenn sie bei einem polnischen Subunternehmer beschäftigt sind und den Auftrag in Polen ausführen.

Ein Bieter zog die Vereinbarkeit dieser Regelung mit dem Unionsrecht, insbesondere der Dienstleistungsfreiheit, in Zweifel. Der EuGH bestätigte das nun: Eine solche Vorgabe könne die Erbringung von Dienstleistungen in anderen Mitgliedstaaten durch dort ansässige Subunternehmer behindern oder weniger attraktiv machen. „Zwar könnte eine solche Regelung laut EuGH grundsätzlich durch das Ziel des Arbeitnehmerschutzes gerechtfertigt sein, aber nicht, wenn sie nur öffentliche Aufträge betrifft und nicht auch private“, erklärt Katharina Trettnak-Hahnl, Vergaberechtsexpertin bei KWR.

„Inländerdiskriminierung“

Zu beachten ist, dass es hier um Arbeiten geht, die im Ausland verrichtet werden. Entsendet dagegen ein Subunternehmer Mitarbeiter in einen Mitgliedsstaat mit höherem Mindestlohn, wäre eine Vorschrift, wonach der Mindestlohn auch diesen Arbeitskräften zusteht, grundsätzlich nicht vergaberechtswidrig. Eine solche Regelung enthält zum Beispiel das österreichische Anti-Lohndumping-Gesetz (jedoch nicht nur für öffentliche Aufträge). Auch Bieter, die sich an österreichischen Vergabeverfahren beteiligen, haben es jetzt aber schwarz auf weiß, dass es legal ist, sich mit Hilfe ausländischer Zulieferer die österreichischen Mindestlöhne zu ersparen. Wirtschaftlich führe das „zu einer Inländerdiskriminierung“ sagt Trettnak-Hahnl. „Die jetzt ausdrücklich zugelassenen Entlohnungsunterschiede könnten auch Auswirkungen auf Konjunktur und Wertschöpfung haben.“ (cka)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2014)

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