Ebola: Pharmafirmen fürchten Risiko, sie wollen Rechtsschutz

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Die WHO möchte in der gegebenen Notsituation noch nicht ausgetestete Impfstoffe einsetzen. Aber wer trägt das Haftungsrisiko?

London/Genf. Schon im Dezember könnten im Westen Afrikas erste Tests mit einem Ebola-Impfstoff starten, kündigte Marie-Paule Kieny, Vizedirektorin der Weltgesundheitsorganisation WHO, Ende der Vorwoche in Genf an. Sogar im ersten Halbjahr des kommenden Jahres könne ein Impfstoff großflächig zur Verfügung stehen. Ein Hoffnungsschimmer. Jene Pharmafirmen aber, die an der Entwicklung der Impfstoffe arbeiten, sehen sich dadurch mit bisher unbekannten rechtlichen Risken konfrontiert und fordern dafür Rechtsschutz von Regierungen und Gesundheitsbehörden. Dass Unternehmen von der WHO aufgefordert werden, innerhalb von Monaten statt Jahren neue Impfstoffe zu liefern, versetze sie in eine einmalige Situation, sagte der Chef des größten britischen Pharmakonzerns, GlaxoSmithKline (GSK), Andrew Witty. Er sprach sich für eine Art Haftungsschutz aus – denn der Impfstoff werde „in einer Notfallsituation eingesetzt, bevor wir alle die Gelegenheit hatten, sein genaues Profil zu bestätigen“. Bei einem hochrangigen Treffen der WHO mit Vertretern von Industrie, Behörden und betroffenen Ländern ging es daher auch um Haftungsfragen.

Rund 10.000 Menschen haben sich laut WHO inzwischen mit Ebola angesteckt. Rund die Hälfte der Erkrankten überlebte die Infektion nicht. Bisher gibt es weder ein zugelassenes Medikament noch einen zugelassenen Impfstoff dagegen. Mehrere Pharmafirmen arbeiten an der Entwicklung von Vakzinen. Von jenem von GSK sollen noch heuer erste Dosen verfügbar sein. Die US-Firma NewLink Genetics hat jüngst klinische Studien mit ihrem Impfstoff gestartet. Der US-Pharmariese Johnson & Johnson will im Jänner sein Vakzin erstmals klinisch am Menschen erproben. Aus Kanada soll der WHO bereits ein experimenteller Impfstoff zur Verfügung gestellt worden sein.

„Das rechtliche Risiko ist hoch“

„Die Pharmafirmen, die den Ebola-Impfstoff entwickeln, gehen ein hohes Risiko ein. Sie werden von der WHO und der Weltöffentlichkeit dazu gedrängt, ihr Produkt auf den Markt zu bringen, bevor sie wissen, ob die Impfung auch ausreichend sicher beziehungsweise wirksam ist“, sagt Rechtsanwältin Francine Brogyányi. Allerdings würden die Herstellerfirmen nach Produkthaftung, allgemeinen Schadenersatzregeln oder sogar nach den Strafgesetzen haften. Und zwar unabhängig davon, welche Vorgaben und Zugeständnisse die WHO macht, so Brogyányi. „Im Endeffekt könnte es also sein, dass das Risiko, das der Einsatz der Impfung allenfalls mit sich bringt, den möglichen wirtschaftlichen Vorteil um ein Vielfaches überwiegt.“ Dieser sei im Übrigen nicht zu hoch einzustufen. „Ebola kommt vor allem in Afrika vor, wo die Gesundheitssysteme nicht entsprechend ausgeprägt sind. Die Kosten für den Impfstoff müssten wohl mittelfristig von anderen Ländern übernommen werden. (Reuters/cka)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2014)

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