Judikatur: „Strengste Einschränkungen“ für Unterhaltspflichtige

Man muss „nach Kräften“ zum Unterhalt beitragen. Und den Unternehmerberuf eventuell aufgeben.

Wien. „Die Presse“ fragte im Justizministerium nach, welche Regeln für die Anwendung des Anspannungsgrundsatzes (siehe Artikel oben) gelten. Dass Selbstständige generell anders behandelt werden als Angestellte, bestätigte das Ministerium nicht. Wohl aber, dass die Latte für alle sehr hoch liegt.

Der Anspannungsgrundsatz wird demnach aus der ABGB-Regel abgeleitet, dass die Eltern „nach ihren Kräften anteilig“ zum Unterhalt ihres Kindes beizutragen haben. Man habe alle seine persönlichen Fähigkeiten dafür einzusetzen. Unterlässt man das vorsätzlich oder fahrlässig, wird man so behandelt, als bezöge man Einkünfte, die man bei zumutbarer Erwerbstätigkeit hätte erzielen können. Insbesondere gelte das, wenn man grundlos keinem Erwerb nachgeht, sich mit einem geringeren Einkommen begnügt, als möglich wäre, eine gut belohnte Beschäftigung ohne triftigen Grund aufgibt oder wenn man es unterlässt, eine öffentlich-rechtliche Leistung zu beantragen. Bei der Befriedigung seiner eigenen Bedürfnisse muss sich der Unterhaltspflichtige „strengste Einschränkungen gefallen lassen, um die Unterhaltsberechtigten an den zur Verfügung stehenden Ressourcen teilhaben zu lassen“. Leistungsgrenze ist der Betrag, der zur Erhaltung der Körperkräfte und der geistigen Persönlichkeit des Unterhaltspflichtigen notwendig ist (das sogenannte Unterhaltsexistenzminimum).

Die Selbstständigkeit muss man laut OGH eventuell sogar aufgeben: Wenn ein Unternehmen lange Zeit passiv ist, sei der Unterhaltspflichtige zunächst auf eine zumutbare Nebenbeschäftigung anzuspannen, in weiterer Folge müsse er eine zumutbare unselbstständige Beschäftigung annehmen, deren Entlohnung seinen Unterhaltspflichten gerecht wird (RS0105668). Das sprach das Höchstgericht etwa im Fall eines Landwirts aus, der Einkünfte bis 700 Euro pro Monat erzielte, im erlernten Beruf als Tischler jedoch monatlich 1500 Euro netto verdienen könnte (6 Ob 164/13f). (cka)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2015)

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