ÖNORMEN: Architekten entwerfen Normengesetz

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Das Wirtschaftsministerium feilt an einem neuen Normengesetz, die Architektenkammer legt einen eigenen Vorschlag vor. Sie möchte die „Normenflut“ eindämmen.

Wien. Einig sind sie sich schon seit Längerem nicht, die Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten (bAIK) und das Austrian Standards Institute (ASI, ehemals Normungsinstitut). Schon Anfang 2014, als es kostenpflichtig wurde, am Normungsprozess mitzuarbeiten, gingen zwischen ihnen die Wogen hoch.

Jetzt hat sich die bAIK auf die „Normenflut“ eingeschossen. Via ORF-Radio warnte Kammerpräsident Christian Aulinger vor einem drohenden Normenkollaps: Rund 25.000 Normen gebe es in Österreich schon, 2000 neue kämen Jahr für Jahr dazu – das sei selbst für Fachleute kaum mehr zu überblicken. Zudem kritisierte er, die Normenerstellung laufe hinter verschlossenen Türen ab, es fehle an Transparenz. Ein weiterer Kritikpunkt: Die Komitees, in denen die Normung stattfindet, würden von Industrieunternehmen dominiert – während Kleinunternehmen und unabhängige Experten sich Arbeitsaufwand und Kosten der Teilnahme nicht mehr leisten können.

Stimmt nicht, kontert ASI-Direktorin Elisabeth Stampfl-Blaha: Weder dominiere die Industrie, noch finde Normung hinter verschlossenen Türen statt: „Bei jedem Komitee kann man auf der Homepage nachlesen, wer Teilnehmer entsendet.“ Von Normenflut will sie ebenfalls nicht sprechen: Niemand könne sich anmaßen zu beurteilen, wie viele Normen eine andere Branche braucht. Was es aber zweifellos gebe, seien Normen, die man besser machen kann. Um da „von Worten zu Taten zu kommen“, will sie eine Dialogplattform schaffen, mit KMU, gemeinnützigen Bauträgern, Architekten. „Dass die Planer dabei sind, ist wichtig“, sagt sie.

Wunsch: Andere Rechtsform

Aulinger wiederum bestreitet nicht, dass er sich der Debatte über Einzelnormen derzeit verweigert. Bei der Vielzahl der Normen sei es Zeitverschwendung, „nach der einen, ganz bösen Norm zu suchen und auf die dann einzuprügeln“. Vielmehr gehe es um das System – auch wenn er betont, das sei nicht als Kritik „an der Art, wie das ASI seine Geschäfte führt“, zu verstehen.

Mit ihren Reformwünschen ist es den Architekten sichtlich ernst. Wohl wissend, dass das Wirtschaftsministerium zurzeit am Entwurf für ein neues Normengesetz feilt, hat die bAIK in Zusammenarbeit mit dem Rechtswissenschaftler Konrad Lachmayer, Privatdozent an der Uni Wien, einen eigenen Gesetzesvorschlag ausgearbeitet. Dieser ist nun fertig und liegt der „Presse“ vor. Die wichtigsten Eckpunkte: Das ASI soll von einem Verein zu einer GmbH im Eigentum von Bund und Ländern werden, mit gesetzlichen Berichts- und Auskunftspflichten gegenüber Parlament und Öffentlichkeit. Öffentlich werden soll auch, wer in den technischen Komitees sitzt. Die Aufsicht durch das Wirtschaftsministerium soll ebenfalls detaillierter geregelt werden. Und: Es soll eine Pflicht zur „wirkungsorientierten Folgenabschätzung“ von Normen geben. Heißt: Wenn Normenentwürfe zur Diskussion gestellt werden, soll auch darzulegen sein, welche Kosten dadurch auf Unternehmen und Konsumenten zukommen.

Fenster jährlich warten?

Aulinger erläutert das anhand eines Beispiels – der ÖNORMB5305 für die Instandhaltung von Fenstern. „Dort heißt es, dass einmal pro Jahr eine Wartung durch fachkundiges Personal durchgeführt werden muss. Demnach müsste jeder, auch jeder Privathaushalt, jährlich eine solche Wartung in Auftrag geben.“ Was ordentlich ins Geld ginge. „Natürlich macht das kein Mensch“, räumt Aulinger ein. Man muss es auch nicht, weil ÖNORMEN an sich nicht rechtsverbindlich sind. Aber: Kommt es zu einem Rechtsstreit, etwa wegen der Gewährleistung, könnte das vor Gericht zum Thema werden.

Auch hier wünschen sich die Architekten eine gesetzliche Klarstellung. Nämlich, dass bei Normen, die nicht von Bund oder Ländern für verbindlich erklärt wurden, die Befolgung freiwillig ist und in Rechtsstreitigkeiten der Stand der Technik auch auf andere Weise nachgewiesen werden kann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2015)

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