Heftige Kontroversen rund ums Normenwesen

Reformvorhaben. Der Entwurf für ein neues Normengesetz lässt nach wie vor die Wogen hochgehen. Es geht um staatlichen Einfluss, rechtsstaatliche Grundsätze – und vor allem ums Geld.

Wien. Das Normenwesen gilt nicht als besonders emotionales Thema – – trotzdem gehen rund um seine geplante Reform die Wogen hoch. Was sich auch in einer Vielzahl von Stellungnahmen zum Entwurf für ein neues Normengesetz ausdrückt: Bis gestern Mittag waren 44 im Parlament eingelangt, mit zum Teil höchst kontroversiellem Inhalt. Auf nationaler Ebene läuft die Begutachtungsfrist noch bis kommenden Montag, auf europäischer bis 24. September.

Besonders harsche Kritik kommt von der betroffenen Institution – dem Austrian Standards Institute (ASI), ehemals Normungsinstitut. Laut ASI-Direktorin Elisabeth Stampfl-Blaha führe der Reformvorschlag geradewegs in die „staatlich gesteuerte Plannormungswirtschaft“. Zudem verstoße er gegen den Gleichheitsgrundsatz (weil er den Elektrotechnikbereich ausklammert), verletze die Vereinsfreiheit, die Erwerbsfreiheit, das Recht auf Eigentum. Und widerspreche – durch den vorgesehenen starken staatlichen Einfluss – europäischen Grundsätzen, wonach Normung vom Staat unabhängig sein muss.

Umstritten ist auch das Finanzierungsmodell: Laut dem Entwurf sollen für die Teilnahme am Normungsprozess keine Beiträge mehr verlangt werden dürfen. Statt dessen soll künftig derjenige, der eine Norm beantragt, die kalkulierten Kosten im Voraus erlegen müssen.

Auch das bisherige Beitragsmodell war auf Kritik gestoßen – unter anderem bei der Kammer der Architekten und Ingenieure (bAIK), die befürchtete, KMU würden dadurch von der Mitwirkung abgehalten. Das ASI wiederum meint, die geplante Neuregelung begünstige nun erst recht die Finanzkräftigen, denn nur sie würden es sich künftig leisten können, Anträge zu stellen. Stimmt nicht, kontert bAIK-Präsident Christian Aulinger: Es brauche nun eben ein kreatives Tarifsystem, das etwa Kleinunternehmen und NGOs entlastet. Überhaupt begrüßt die Kammer – die, wie berichtet, gemeinsam mit dem Rechtswissenschaftler Konrad Lachmayer einen eigenen Vorschlag für ein Normengesetz ausgearbeitet hat – den Ministerialentwurf als „Schritt in die richtige Richtung“. Aulinger spricht von einem Paradigmenwechsel, der natürlich nervös beobachtet werde. Und der noch Präzisierungen und „konstruktive Beiträge“ brauche. Beim ASI meint man dagegen, der Gesetzgebungsprozess müsse wohl zurück an den Start. Schützenhilfe erhält es von Verfassungsrechtler Heinz Mayer: Dieser erstellte im Auftrag des Normungsinstituts ein Gutachten, in dem es heißt, der Entwurf lasse dem Institut nur die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten: Verlust der bestehenden Befugnis – „oder der Verein ,Österreichisches Normungsinstitut‘ akzeptiert seine Verstaatlichung“.

Problem Verbindlichkeit

Heiß umstritten ist auch ein weiterer Punkt: Laut Verfassungsgerichtshof sind Normen, die der Staat für verbindlich erklärt, „freie Werke“ und müssen gratis zur Verfügung stehen. Hinsichtlich „nationaler Normen“ soll das künftig auch so im Gesetz stehen; der Normungsorganisation soll dafür eine Vergütung zustehen. Aber wie soll das etwa bei übernommenen europäischen Normen funktionieren, an denen die Urheberrechte außerhalb Österreichs liegen?

Für Rechtswissenschaftler Lachmayer gibt es faktisch nur einen Ausweg aus diesem rechtsstaatlichen Dilemma: „Der Staat darf dann eben auf solche Normen nicht verweisen.“ Überhaupt wird die Verbindlicherklärung von Normen zum Teil kritisch gesehen: Es könne einfach nicht sein, dass Normenausschüsse Gesetze beschließen, meint etwa Herbert Karrer, Architekt und langjähriger Kammerfunktionär. „Wenn überhaupt, sollten Normen nur in jener Fassung verbindlich sein, in der sie von der gesetzgebenden Körperschaft beschlossen wurden.“ Den „Stand der Technik“ könnten Universitäten definieren, schlägt er vor. Die Freiwilligkeit der Einhaltung von Normen zu betonen, hätte, wie er meint, einen weiteren Vorteil: „Dann müsste man das Normeninstitut gar nicht in Frage stellen.“ (cka)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2015)


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