Verwirrspiel um neues Vergaberecht

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Seit Monaten sollten EU-Richtlinien umgesetzt sein, der Entwurf für die Novelle lässt aber weiter auf sich warten. Die Rechtsunsicherheit ist enorm.

Wien. In einer Woche, am 13. und 14. Oktober, geht in Wien das 14. Vergabeforum über die Bühne. Erster Programmpunkt bei dieser – laut Eigendefinition – größten heimischen Plattform für öffentliche Auftraggeber und Bieter: „Das Bundesvergabegesetz 2016. Darstellung der wesentlichen Inhalte des Begutachtungsentwurfes.“

Auf diesen Entwurf, die sogenannte große Vergaberechtsreform, wartet das Fachpublikum mit Ungeduld. Denn damit sollen EU-Vorgaben umgesetzt werden – die Frist dafür hat im Frühjahr geendet, angekündigt wurde das Gesetz für den Herbst. Das sei auch immer noch so geplant, sagt der zuständige Legist im Bundeskanzleramt, Michael Fruhmann, zur „Presse“. Von seinem Vortrag nächste Woche darf man sich freilich keine Details erwarten: Denn wie Fruhmann ebenfalls bestätigt, gibt es den Entwurf noch nicht. Bei der Erstellung des Tagungsprogramms vor Monaten war man da wohl zu optimistisch.

Konkret diskutieren kann man vorerst nur über Eckpunkte der Reform, die von den EU-Vergaberichtlinien vorgegeben sind. Mit deren Umsetzung ist Österreich – wie einige andere Länder auch – seit 18. April im Verzug. „Für uns Praktiker ist das extrem unangenehm“, sagt der auf Vergaberecht spezialisierte Rechtsanwalt Stephan Heid. Große Probleme bereite etwa die Frage der unmittelbaren Anwendbarkeit des Unionsrechts. Ein Beispiel: Die Richtlinie sieht eine neue, 30-tägige Mindestangebotsfrist in Verhandlungsverfahren vor. „Darauf könnte sich jeder Bieter jetzt schon berufen“, sagt Heid. Auch Formales bereitet Kopfzerbrechen, etwa bei der sogenannten Eigenerklärung. Damit erklären Bieter, dass sie die Voraussetzungen für einen Auftrag erfüllen. Laut Heid ist aber unklar, inwieweit die einheitliche europäische Eigenerklärung schon jetzt verpflichtend einzusetzen ist.

Erleichterungen für KMU

Ganz generell sind die EU-Richtlinien immer dann unmittelbar anwendbar, wenn es um subjektive Rechte des Bieters geht. Faktisch heißt das: Jedes Vergabeverfahren, bei dem solche Rechte nicht gewahrt werden, wäre anfechtbar. Die Rechtsunsicherheit ist somit enorm. Öffentliche Auftraggeber können sich dagegen noch nicht auf die neuen Regeln berufen, solange die innerstaatliche Umsetzung aussteht. So gelten etwa die vorgesehenen Erleichterungen für Inhouse-Vergaben noch nicht. Das mag die Bieter weniger stören – unangenehm sei es dennoch, sagt Heid: „Wir wenden hier ein Recht an, das veraltet ist.“

Für die heimische Wirtschaft wäre es dabei durchaus von Vorteil, würden die neuen Regeln endlich umgesetzt. Eines der Ziele der EU sei es, KMU den Zugang zu Aufträgen zu erleichtern, sagt Vergaberechtsspezialistin Karin Rathkolb. Sie ist Juristin bei der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsolenten (bAIK) – einer Berufsgruppe mit vielen Kleinbüros, wie sie sagt.

Eine Regelung, die Kleinunternehmen das Mitbieten ermöglichen soll, ist etwa die Begrenzung des Mindestumsatzes, den Auftraggeber von den Bietern verlangen dürfen, auf maximal das Zweifache des Auftragswerts. „Für uns ist selbst das noch zu hoch gegriffen“, sagt Rathkolb: Kleinbüros arbeiten mitunter mehrere Jahre an einem Großauftrag, dann verteilt sich auch der Umsatz auf diese Zeit. Hier hänge nun alles von der nationalen Umsetzung ab, meint die Juristin. „Zumindest in den Erläuterungen sollte klar gesagt werden, dass es sich um eine Höchstgrenze handelt, die auch unterschritten werden kann.“

Schwächen beim Rechtsschutz

Eine weitere Erleichterung betrifft die Referenzen: Referenzprojekte für Dienstleistungen müssen nicht mehr unbedingt aus den letzten drei Jahren stammen. Für kleine Unternehmen sei es freilich auch wichtig, diese von der Nutzungsart her nicht zu eng einzugrenzen, sagt Rathkolb. Geht es etwa um ein Krankenhaus, „wäre es unreflektiert, als Referenzen drei Krankenhäuser in drei Jahren zu verlangen“.

Auch bei einem anderen heiklen Thema – dem Rechtsschutz – hofft die Ziviltechniker-Kammer auf das neue Gesetz. Denn Bieter nehmen ihre Rechte oft nicht wahr – wegen der hohen Verfahrenskosten, aber auch aus Angst vor negativen Folgen. Nicht ohne Grund, wie eine Studie zeigt, die die Innsbrucker Anwaltskanzlei CHG gemeinsam mit der Uni Innsbruck durchgeführt hat. Von den zum Thema befragten öffentlichen Auftraggebern antworteten 16 Prozent mit erfrischender Offenheit: „Wer streiten will, bekommt keinen Auftrag mehr von mir.“ Weitere elf Prozent stimmten folgender Aussage zu: „Zuerst streiten und dann zusammenarbeiten, wie soll das gehen?“

Interessenvertreter würden hier gern für ihre Schutzbefohlenen in die Bresche springen: „Wichtig wäre eine Antragslegitimation für die Kammer“, sagt bAIK-Präsident Christian Aulinger. Diese könnte dann gegen Rechtsverstöße vorgehen. Aulinger nennt einen weiteren Grund, warum Bieter das nur selten tun: Bekämpft man etwa eine unkorrekte Direktvergabe, kann man nur erreichen, dass der Auftrag ausgeschrieben wird. „Man streitet nicht für sich selbst, sondern für die Durchsetzung der Rechtsordnung“, sagt Aulinger. Nur die wenigsten Bieter nehmen das auf sich.

AUF EINEN BLICK

Die Frist für die Umsetzung der EU-Vergaberichtlinien endete am 18. April 2016. Österreich ist mit der Umsetzung im Verzug. Das hat zur Folge, dass bestimmte Inhalte der EU-Richtlinien unmittelbar anwendbar sind, andere nicht. Bieter könnten sich, wenn es um ihre subjektiven Rechte geht, auf das EU-Recht berufen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.