Kartellrecht: Novelle vom Ministerrat beschlossen

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Die Novelle soll die Durchsetzung von Schadenersatz erleichtern.

Wien. Vergangenen Dienstag passierte eine Novelle zum Kartellrecht den Ministerrat. Vor allem soll sie Schadenersatzklagen wegen Preisabsprachen und anderen Kartellrechtsverstößen erleichtern. Vom Nationalrat beschlossen werden könnte sie schon in den nächsten Wochen.

Inhaltlich handelt es sich vor allem um die Umsetzung der EU-Schadenersatz-Richtlinie vom 26. 11. 2014. Im Kern gehe es darum, dass künftig „alle direkten und indirekten Abnehmer von an einem Kartell beteiligten Unternehmen ihren Anspruch auf vollständigen Schadenersatz effektiv durchsetzen können“, sagt Dieter Thalhammer, Kartellrechtsexperte bei Eisenberger & Herzog.

Unter anderem sind die Gerichte künftig an rechtskräftige Entscheidungen der Wettbewerbsbehörden über das Vorliegen eines Kartellrechtsverstoßes gebunden. Auch Beweiserleichterungen sind vorgesehen: Bis zum Gegenbeweis durch das beklagte Kartellmitglied wird vermutet, dass durch einen Kartellrechtsverstoß auch tatsächlich ein Schaden entstanden ist. Erweitert wird zudem die Pflicht zur Offenlegung von Beweismitteln.

Heikel werden könnte all das für Kronzeugen, also für Kartellmitglieder, die verbotene Absprachen aufdecken und mit den Wettbewerbsbehörden kooperieren. Für sie sieht die Novelle zwar einzelne Besserstellungen vor, etwa im Bereich der Solidarhaftung. Trotzdem sei zu befürchten, „dass sich in Zukunft potenzielle Kronzeugen von der Stellung eines Kronzeugenantrages abhalten lassen könnten“, meint Thalhammer. Denn auch für sie werde das Risiko von flächendeckenden Schadenersatzverfahren oft weitaus schwerer wiegen als der Vorteil, im kartellgerichtlichen Verfahren ohne Geldbuße davonzukommen. Im Interesse eines wirksamen Kartellrechtsvollzugs werde man da wohl auf EU-Ebene über weitere Privilegierungen für Kronzeugen nachdenken müssen, bis hin zur vollständigen Immunität auch vor Schadenersatzansprüchen, meint der Jurist.

Mehr Befugnisse für BWB

Änderungen gibt es auch bei der Verjährung von Kartellrechtsverstößen: Zwar gilt weiterhin eine fünfjährige Verjährungsfrist, neu ist aber, dass ein Kartellrechtsverstoß nicht während laufender Ermittlungshandlungen verjähren kann. Die Frist wird unterbrochen, sobald mindestens einem Kartellmitglied eine Ermittlungshandlung der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) bekanntgegeben wird. Findet etwa bei einem Kartellmitglied eine Hausdurchsuchung statt, so gilt die Verjährungsunterbrechung für alle am Kartell beteiligten Unternehmen. Jedenfalls tritt die Verjährung aber zehn Jahre nach Beendigung des Kartellrechtsverstoßes ein.

Gestärkt werden sollen auch die Befugnisse der BWB bei Hausdurchsuchungen: Es wird gesetzlich verankert, dass der Behörde der Zugang zu elektronischen Daten ermöglicht werden muss, die auf externen Servern außerhalb des Unternehmens gespeichert sind. Verweigert ein Unternehmen das, kann das Kartellgericht auf Antrag der BWB Zwangsgelder verhängen. Das werfe eine Reihe von datenschutzrechtlichen und – bei Zugriff auf im Ausland gespeicherte Daten – auch völkerrechtlichen Fragen auf, sagt Thalhammer.

Weiters soll bei der BWB ein internetbasiertes Hinweisgebersystem („Whistleblowing“) eingerichtet werden. Ebenfalls vorgesehen ist eine teilweise Zweckbindung der Geldbußen im Interesse einer Stärkung des Kartellrechtsvollzugs – so sollen etwa der BWB jährlich zusätzliche Mittel in der Höhe von 1,5 Millionen Euro zufließen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2017)


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