Rechtsstreit um EU-Parlament: Frankreich pocht auf Tagungsort Straßburg

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TOPSHOT-FRANCE-EU-PARLIAMENT-POLITICSAPA/AFP/FREDERICK FLORIN
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Die französische Regierung will, dass Beschlüsse des EU-Parlaments vom EuGH für nichtig erklärt werden. Nicht der Inhalt stört Frankreich, sondern, dass sie in Brüssel und nicht in Straßburg gefasst wurden.

Wien. Das EU-Parlament hat mehrere Tagungsorte: Straßburg, den offiziellen Sitz des Parlaments, und Brüssel, die belgische Hauptstadt und EU-Metropole. Diese Dualität ist in der Vergangenheit schon vielfach kritisiert worden. Denn die 751 EU-Abgeordneten und ihre Teams müssen regelmäßig zwischen diesen beiden Städten hin- und herpendeln. Abgesehen von dem beträchtlichen Zeitaufwand geht dieser Wanderzirkus ins Geld, über 200 Mio. Euro kosten das Parlament diese Reisen. Steuergeld aus den Mitgliedstaaten, das sinnvoller investiert werden könnte, wie Kritiker betonen. Auch die Mehrheit der Abgeordneten macht sich für einen Sitz stark, geht ihr doch das ewige Hin und Her gehörig auf die Nerven.

Kosten kein Argument

Allerdings dürfte sich daran in absehbarer Zeit nichts ändern. Das hat einen Grund: Reisezeit hin, Kosten her, Frankreich will davon nichts wissen. Es beharrt aller Widerstände zum Trotz darauf, dass Plenarsitzungen weiterhin im französischen Straßburg stattfinden.

Das zeigt auch der aktuelle Rechtsstreit (C-73/17), mit dem sich die große Kammer des Europäische Gerichtshofs (EuGH) – er hat seinen Sitz in Luxemburg – gestern zu befassen hatte: Die französische Regierung hat im Februar 2017 gegen vier Beschlüsse des EU-Parlaments zum Haushaltsplan 2016 Klage erhoben. Wer nun glaubt, das Land hätte an den Inhalten der Beschlüsse etwas auszusetzen, irrt. Nein, der Grande Nation geht es lediglich um den Ort der Beschlussfassung.
Diese hätte nämlich aus französischer Sicht keinesfalls in Brüssel, sondern in Straßburg stattfinden müssen. Alle Haushaltsbefugnisse des Europäischen Parlaments, so die rechtliche Begründung, dürften nur in ordentlichen Plenarsitzungen – in der Avenue du Président Robert Schuman – gefasst werden.

Das sei jedoch nicht passiert. Deshalb müsse der EuGH die genannten Akte für nichtig erklären, folgert Frankreich. Sodann sollen – so stellt sich das die französische Regierung vor – die Abgeordneten erneut zusammenkommen und ihre Beschlüsse fassen – in Straßburg versteht sich.

Beschlüsse wiederholen

Dass es den Franzosen tatsächlich nicht um die Inhalte der 2016 gefassten Beschlüsse geht, zeigt sich auch daran, dass sie mit ihrer Klage nicht bewirken wollen, den EU-Haushaltsplan für das Jahr 2017 wieder aufzudröseln. Im Gegenteil, die französische Regierung hat in ihrer Klage den Antrag gestellt, dass an dem Plan inhaltlich nicht gerüttelt werden soll. Das sei notwendig, so heißt es, „um die Kontinuität des europäischen öffentlichen Dienstes sicherzustellen und Rechtssicherheit zu gewährleisten“.

Ob Frankreich mit seiner Klage gegen das Europäische Parlament Erfolg haben wird, entschied sich gestern noch nicht. In einem ähnlich gelagerten Rechtsstreit bekam das Land 2012 vom EuGH schon einmal recht. Damals musste das EU-Parlament seinen gesamten Sitzungsplan abändern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2018)

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