Boku-Professor: EU-Urteil zu Gentechnologie nicht nachvollziehbar

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Die modernen Mutagenese-Methoden pauschal mit der konventionellen Gentechnik gleichzusetzen sei unwissenschaftlich, kritisiert Pflanzengenetiker Josef Glößl das Urteil.

Der Europäische Gerichtshof hat am Mittwoch mit modernen Mutagenese-Methoden wie der Genschere CRISPR/Cas9 hergestellte Pflanzensorten gentechnisch veränderten Organismen (GVOs) gleichgestellt. Dies ist wissenschaftlich nicht rechtfertigbar, benachteiligt heimische Züchter sowie Landwirte und behindert Fortschritte für eine nachhaltigere Landwirtschaft, sagte der Pflanzengenetiker Josef Glößl zur APA.

"Ich bin von diesem Urteil sehr enttäuscht, weil ich es in den wesentlichen Punkten nicht für sachlich begründet und nachvollziehbar halte", sagte Glößl, der als Professor am Department für Angewandte Genetik und Zellbiologie der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien forscht. Es sei zwar richtig, dass GVOs durch die neuen Mutagenese-Methoden produziert werden können, genau so gut wäre es aber möglich, dass nur solche genetische Veränderungen eingeführt werden, die auch durch natürliche Mutation entstehen können. Diese Pflanzensorten wären von konventionell gezüchteten Sorten, die auf Basis natürlicher genetischer Variationen gezüchtet wurden, nicht unterscheidbar und somit auch nicht nachweisbar. Diese Situation würde in dem "pauschalisierenden Urteil" vollständig außer Acht gelassen.

"Es wurde offenbar jenen Interessensgruppen gefolgt, die die neuen Züchtungsmethoden generell und pauschal als GVOs sehen und somit von den Feldern verbannen wollen", meinte er. Aus wissenschaftlicher Sicht gebe es keine zwingenden Gründe, die mit den neuen Züchtungsmethoden hergestellten neuen Pflanzensorten als GVOs einzustufen, da diese nicht der Definition von GVOs laut Gentechnikgesetz entsprechen, so Glößl: "Eine differenzierte Sichtweise wäre der richtige Weg gewesen, so wie es im ursprünglichen Antrag des Generalanwalts an den Europäischen Gerichtshof vorgesehen war."

Heimische Züchter benachteiligt

Somit hätten die regionalen Züchter in Österreich und Europa praktisch keinen Zugang zu den zukunftsträchtigen Methoden und würden dadurch im Vergleich zu den globalen Züchtern dramatisch an Wettbewerbsfähigkeit verlieren, da sich erstere im Gegensatz zu global agierenden Züchtern Zulassungsverfahren gemäß Gentechnikgesetz erfahrungsgemäß nicht leisten könnten. Wenn das Urteil umgesetzt wird, wäre dies laut Glößl auch ein Rückschlag für die Bewältigung der aktuellen Herausforderungen bezüglich einer nachhaltigen Landwirtschaft. "Wir brauchen dafür neue Sorten mit guten, stabilen Erträgen und Resistenzen gegenüber Schädlingen und Pflanzenkrankheiten, sodass weniger Spritzmittel eingesetzt werden müssen", erklärte der Experte.

Außerdem bedürfe es der Entwicklung neuer Nutzpflanzen mit optimaler Nährstoffaufnahme, die weniger Ressourcen aus dem Boden und weniger Dünger benötigen, als viele aktuelle Sorten. Dieses Urteil würde das Erreichen von Nachhaltigkeitszielen demnach infrage stellen. "Eine genaue Analyse der rechtlichen Situation ist nun dringend geboten, um die Handlungsspielräume auszuloten, damit Europa nicht den Anschluss an die internationale Pflanzenzüchtung verliert", sagte Glößl.

(APA)

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