Josef Weghaupt: „Millionär werde ich als Bäcker sicher nie“

Josef Weghaupt Millionaer werde
Josef Weghaupt Millionaer werde(c) Fabry
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„Ich bin kein Bäcker für die Elite“, sagt Josef Weghaupt von Joseph-Brot. Auch wenn ein Laib bei ihm schon einmal sechs Euro kostet. Viele Menschen müssten erst wieder lernen, wie echtes Brot eigentlich schmeckt.

Die Presse: Zwei Jahre nach der Eröffnung stehen die Kunden in Ihrer Brotboutique in der Naglergasse immer noch Schlange. Kann man als Bäcker also doch reich werden?

Josef Weghaupt: Natürlich, ich bin heute Millionär, habe eine Jacht, zwei Häuser auf Mallorca . . . Nein, im Ernst: Millionär werde ich mit der Bäckerei sicher nie. Wir haben im Vorjahr mit 48 Mitarbeitern einen Umsatz von 2,3 Millionen Euro geschrieben. In der Industriebäckerei, in der ich vorher gearbeitet habe, haben 300 Mitarbeiter 40 Millionen Euro Umsatz im Jahr gemacht.


Warum geht das jetzt nicht?


Das schaffen wir nicht, weil wir keine Maschinen verwenden, sondern alles in unserer Bäckerei im Waldviertel mit der Hand herstellen. Aber wir arbeiten kostendeckend und machen kleine Gewinne. Ich habe mein Gehalt und kann meine Mitarbeiter gut bezahlen. Das ist schon etwas wert. Unser größtes Problem in der Produktion ist, dass wir keine Mitarbeiter finden, die wissen, wie man richtiges Brot bäckt. Es ist schon pervers: Selbst Bäckergesellen oder Bäckermeister geben auf, wenn es darum geht, Sauerteig zu machen, ohne eine Backmischung zu verwenden.


Joseph-Brot ist nicht gerade billig. Ein Laib kostet schon einmal gut sechs Euro. Verkaufen Sie in Ihren Augen noch ein Grundnahrungsmittel oder schon einen Luxusartikel?

Definitiv ein Grundnahrungsmittel. Wenn ich mir andere Bäcker ansehe, kann ich sagen: Meine Gewinnspannen sind sicher geringer. Bei dem Arbeitseinsatz, den wir haben, muss das Brot so viel kosten. Nur zum Vergleich: Wer im Supermarkt ein 200 Gramm leichtes Single-Sandwich um 1,90 kauft, denkt eben nicht daran, dass er für ein Kilo Semmelteig gerade zehn Euro bezahlt. Die Menschen schauen nur auf den Stückpreis.


Denken Sie, dass es beim Brotpreis eine Schmerzgrenze nach oben gibt?


Ich will das anders beantworten: Mein Steuerberater hat mir schon ganz zu Beginn gesagt, dass wir viel mehr verlangen müssen, weil es sich sonst nicht rechnet. Ich könnte also die Brote noch teurer machen und nur noch eine elitäre Klasse versorgen. Aber das ist nicht das Ziel der ganzen Sache. Es geht um gutes Brot zu einem fairen Preis.


Aber Joseph-Brot lebt doch auch heute schon stark vom exklusiven Flair, der die Bobos anlockt, oder?


Nein, das sehe ich nicht so. Ich habe zwar in der Naglergasse meinen Flagship-Store, aber auch Kunden im 10., 20. und 21. Bezirk kaufen mein Brot. Dass ich auch Bobos bediene, ist klar. Aber da spricht ja nichts dagegen. Ich versorge sicher nicht nur die Elite.


Sie sind ja eigentlich Lebensmitteltechniker und Fleischhauer. War es einfach, die Bäckerei im Waldviertel zu übernehmen?

Ich habe mir das anfangs alles viel einfacher vorgestellt. Mein Lebenslauf, mein Gehalt und meine Geschäftsidee waren ja gut. Also dachte ich: Ich gehe zu meiner Hausbank, hole mir Geld, und das war es. Aber die Banken wollten mich nicht finanzieren. Stattdessen hieß es: „Das ist zwar eine super Idee, aber komplett falsch. Bäckereien gründet man heute nicht mehr.“


Wo haben Sie das Geld dann hergenommen?


Ich habe alles verkauft, was ich hatte, und habe all meine Ersparnisse in das Unternehmen hineingebuttert. Die ganzen 200.000 Euro, die zum Start notwendig waren, kamen von mir.


War es eine einfache Entscheidung, das vergleichsweise sichere Angestelltendasein gegen das Unternehmertum einzutauschen?

Nein, das erste Jahr mit der Bäckerei war schon arg. Ich hatte keinen Cashflow, eineinhalb Jahre lang kein Gehalt. Ich habe keinen einzigen Cent bekommen. Wenn ich in der Zeit fürs Wohnen hätte bezahlen müssen, wäre das alles nicht gegangen. So sind wir schon im ersten Jahr mit einem Nuller ausgestiegen.


War die Bank danach wenigstens vom Erfolg der Idee überzeugt und bereit, die erste Filiale in der Naglergasse zu finanzieren?

Kein Stück. Meine Hausbank hat zwar gesagt: „Gut, wir sehen, dass es funktioniert, aber wir brauchen trotzdem mindestens 30 Prozent Eigenmittel.“ Wie hätte ich denn schon wieder Geld bringen sollen? Ich hatte ja keins mehr, weil alles in der Firma steckte. Und der einzige Vorschlag der Bank war: „Gehen Sie und fragen Ihre Familie oder Ihre Freundin noch einmal um Geld.“


Haben Sie das gemacht?

Nein. Ein Bekannter hat mir den Tipp gegeben, es bei einer bestimmten kleinen Bank am Land zu probieren. Die haben sofort verstanden, worum es bei unserer Idee geht, und haben mir den Kredit gegeben. Aber wenn du in Österreich als Jungunternehmer keine Investoren hast, die an dich glauben, bist du wirklich am Arsch.


Wieviel Miete bezahlen Sie eigentlich in der Naglergasse?

Das verrate ich nicht, aber allein die Ablöse für die knapp 50 Quadratmeter bewegt sich in einer Höhe, in der man sich sonst eine ganze Wohnung kauft. Aber die Lage ist perfekt. Ich wollte bewusst nicht in den Tuchlauben oder auf den Naschmarkt gehen. Das wäre alles zu sehr Mainstream. Für uns ist die Naglergasse perfekt, nicht zuletzt wegen der Nähe zum Meinl am Graben.


Hier sind die Menschen offenbar auch eher bereit, etwas mehr Geld für ihre Lebensmittel auszugeben.

Naja, da muss man schon die Relationen wiederherstellen. In der Bäckerbranche ist vor vielen Jahren etwas Entscheidendes passiert: Irgendwann hat man entschieden, dass Brot vor allem eines sein muss, nämlich billig. Was drinnen ist, ist seither egal. Als wir anfangs unser Brot vor allem den Besitzern von exklusiven Restaurants vorgestellt haben, habe ich gemerkt: Die meisten von ihnen haben den typischen Brotgeschmack schon verlernt. Wir tendieren zu dem Geschmack, der uns jahrzehntelang eingetrichtert worden ist.

Zur Person

Josef Weghaupt (*1981) ist gelernter Fleischhauer und Lebensmitteltechniker. Im Jahr 2009 tauschte der Wiener seine Karriere als Lebensmitteldesigner gegen eine kleine Bäckerei im Waldviertel. Von den Banken hat er damals keinen Cent bekommen. Eineinhalb Jahre zahlte er sich auch kein Gehalt. Heute floriert sein handgemachtes Joseph-Brot in Nobelrestaurants ebenso wie in der Filiale in der Wiener Naglergasse.

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