KTM-Chef Pierer: "Wein für hunderte Euro ist sinnlos"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Unternehmer und KTM-Eigner Stefan Pierer erzählt, warum er nichts von Schulden hält, keine Sportwagensammlung besitzt und es ihn langweilen würde, das ganze Jahr auf Urlaub zu fahren.

Die Presse: Herr Pierer, Sie sind neben dem Motorradhersteller KTM an zahlreichen Industriebetrieben beteiligt. Empfinden Sie sich selbst als reich?

Stefan Pierer: Ich bin zuallererst immens reich an Verantwortung und glücklicherweise auch an Gestaltungsmöglichkeiten. Umgekehrt gesehen bin ich sehr arm an Zeit, an freier Zeit. Wenn man sich die Bewertungen der Firmen ansieht, mag das durchaus finanziell viel sein. Das ist aber nicht wie ein Sparbuch am nächsten Tag abhebbar. Das sind virtuelle Werte. Außerdem sind es nicht die Werte, auf die ich primär setze. Aber für das, was man zum Leben braucht, reicht es eigentlich schon sehr lang.

Seit wann denn schon?

Seit den ersten Jahren schon.

Sie hätten also bereits Mitte der 1990er Jahre alles verkaufen können und hätten ausgesorgt gehabt?

Und was tut man dann? Es gibt ja nichts Faderes als das. Wirklich. Man kann ja nicht das ganze Jahr herumfahren und Urlaub machen.

Warum wollen Sie sich eigentlich partout nicht als reich bezeichnen? Haben Sie Angst vor einer Neiddebatte? In Österreich ist es ja verpönt, Vermögen angehäuft zu haben.

Mir geht es darum, wie Leistung angesehen wird. Und Unternehmertum wird in Österreich nicht so honoriert, wie es sollte. Denn nur Unternehmer schaffen auch Arbeitsplätze. Das ist ein gesellschaftliches Problem. Ich habe jedoch kein Problem damit, mich als reich zu bezeichnen. Denn ich habe durch unternehmerisches Wirken tausende Jobs geschaffen.

Sie meinten vorhin, Sie seien arm an Zeit. Sie haben sehr früh Kinder bekommen. Wie sieht es mit Ihrer Work-Life-Balance aus?

Ich hatte das Glück, dass mein Ältester schon während meiner Studienzeit geboren wurde. Da hatte ich wirklich viel Zeit. Aber natürlich versuche ich auch jetzt, die Zeit, die ich habe, intensiv mit meiner Familie zu verbringen. Zudem hatte ich die Rückendeckung meiner Frau. Ohne sie hätte ich das auch nicht machen können.

Was machen Sie mit Ihrem Geld?

80 Prozent davon werden sicher wieder in meine Unternehmungen investiert. Denn Rest investiere ich in Immobilien, die ich aber auch selbst entwickle. Ich gehöre in Wels zu den größeren Bauträgern.

Das heißt, Sie haben keinerlei andere Sparprodukte? Anleihen oder andere Wertpapiere?

Anleihen habe ich, aber auch nur vom eigenen Unternehmen.

Gibt es einen nicht alltäglichen Luxus, von dem Sie sagen, den leiste ich mir?

Was meinen Sie damit?

Sammeln Sie Sportwagen?

Ich bin in der schönen Situation, ein eigenes Fahrzeugunternehmen zu besitzen, bei dem ich sogar ein eigenes Auto entwickelt habe. So eines besitze ich. Man kann auch mehrere Autos haben. Aber letztlich kann man nur mit einem fahren. Wohnen kann man auch nur in einem Haus. Und dass ich jetzt Jachten oder Flugzeuge sammle, das interessiert mich nicht.

Würden Sie sich als bescheiden bezeichnen?

Wenn Sie sagen, ich bin sehr reich, dann lebe ich bescheiden.

Sie werden aber sicher keinen billigen Wein trinken. Gibt es eine Grenze, wo Sie sagen: Das steht nicht mehr dafür?

Ja, sobald etwas ins Sinnlose geht – etwa eine Flasche Wein für mehrere hundert Euro – da bin ich nicht bereit, dafür zu zahlen. Es muss ein gewisses Verhältnis zwischen Preis und Leistung geben. Am ehesten lasse ich mich noch bei Kunst und Architektur zu etwas hinreißen.

Sie haben sich mit nur 31 Jahren selbstständig gemacht. Was war Ihr Ziel?

Ich habe in Leoben studiert. Dann hatte ich die Möglichkeit, nach Australien oder nach Oberösterreich zu gehen. Da ich bereits eine Familie hatte, habe ich mich für Oberösterreich entschieden. Ich habe damals in einem Unternehmen gearbeitet, wo ich Sanierungs- und Restrukturierungsmanagement von der Pike auf gelernt habe. Nach fünf Jahren mit meinem damaligen Mentor haben wir uns gedacht, das könnten wir auch als eigenes Unternehmen machen.

Und woher hatten Sie das Startkapital?

Ein bisschen hatte ich zusammengespart, eine Abfertigung erhielt ich auch.

Warum haben Sie sich für den Schritt in die Selbstständigkeit entschieden?

Unternehmer zu sein, kann man nicht lernen. Entweder man ist einer oder nicht. Man hat eine stete Unruhe, man will immer etwas bewegen, etwas umsetzen. Ich wollte einfach etwas schaffen. Früh Unternehmer zu sein ist leicht, weil man in jungen Jahren ein anderes Risikoprofil hat. Auch wenn etwas schiefgeht, hat man nicht so viel Angst wie später. Das kann ich nach 30 Jahren sagen. Ein Risiko, das ich früher genommen hätte, würde ich mir in meiner gesetzten Position, in der ich heute bin, schon zwei Mal überlegen.

Sie haben den Motorradhersteller KTM Anfang der neunziger Jahre nach dessen Pleite für 2,2 Mio. Euro gekauft. Hatten Sie keine Angst, KTM könnte erneut scheitern?

Unternehmertum ist immer mit Risiko verbunden. Und es heißt herauszufinden, ob etwas erfolgreich ist oder nicht. Aber es waren schon ein paar schlaflose Nächte dabei.

Aber gab es nie einen Zeitpunkt, an dem Sie alles hinwerfen wollten?

Nein, bei KTM haben wir vom ersten Jahr an Gewinne gemacht. Nach drei Jahren habe ich dann gesehen, dass das Ganze funktionieren wird. 15 Jahre lang hat es im Unternehmen ausschließlich Aufbruchstimmung gegeben. Damals haben wir mit 160 Mitarbeitern und 6000 Motorrädern begonnen. 2007 hatten wir dann 90.000 Motorräder und rund 2000 Mitarbeiter. Und dann kam die Krise.

Auch KTM ging es damals nicht besonders gut. Was war das für ein Gefühl plötzlich wieder Geldsorgen zu haben?

Die Geldsorgen sind es weniger. Das Schlimmste ist, wenn Sie 300 Leute entlassen müssen, die sie vorher aufgebaut haben. Geld ist nur ein Mittel zum Zweck.

Mussten Sie je Schulden aufnehmen?

Für das Unternehmen, etwa in Form einer Anleihe, schon. Sonst mache ich so etwas grundsätzlich nicht. Persönlich habe ich nie einen Kredit aufgenommen.

Warum nicht?

Wenn man persönliche Verbindlichkeiten hat, ist man nicht frei, die richtige Entscheidung zu treffen.

Hätten Sie sich gedacht, dass aus KTM das werden kann, was es heute ist?

Nie und nimmer. Nicht im Traum.

Und ist Ihnen dann langweilig geworden? Oder warum haben Sie im Laufe der Jahre so viele Unternehmen dazugekauft?

Wenn man umtriebig ist, ist man durchaus geneigt, dort zuzuschlagen, wo es Opportunitäten gibt.

Hatten Sie nie Angst, sich zu verzetteln?

In einer Mischgruppe gibt es natürlich die Gefahr, dass man maximal überall nur guter Durchschnitt ist. Da haben Sie Recht. Die große Zäsur oder die Refokussierung kam für uns dann in der Krise.

Glauben Sie, es wäre anders verlaufen, wenn Sie mit einem anderen ersten Job angefangen hätten?

Wenn man über Jahrzehnte am richtigen Ort zur richtigen Zeit die richtigen Leute trifft, ist es kein Zufall. Und wenn sich die Dinge dann wiederholen, hat es ein gewisses System.

Zur Person

Stefan Pierer (*1956) hat Betriebs-und Energiewirtschaft an der Montanuni Leoben studiert. Nach einem mehrjährigen Intermezzo beim Heizungshersteller Hoval gründete er 1987 die Beteiligungsgesellschaft Cross Industries. Anfang der 90er Jahre kaufte Pierer den insolventen Motorradhersteller KTM. Der Umsatz der Cross Industries belief sich im Jahr 2012 auf 826 Mio. Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.09.2013)

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