Werner Lampert: "Bio war etwas Sektenähnliches"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Der österreichische Biopionier Werner Lampert erzählt, wie er einst Karl Wlaschek Biolebensmittel schmackhaft machte und warum es bei einem Diskonter leichter ist, Produkte mit Qualität zu verkaufen.

Die Presse: Herr Lampert, Sie gelten als Österreichs Biopionier. Wann haben Sie zum letzten Mal eine Kuh gemolken?

Werner Lampert: Das ist schon sehr lange her.

Aber Sie können das?

Ja, aber das ist wirklich schon sehr lange her. Vor vielen Jahren habe ich mir immer gedacht, ich kaufe mir eine Herde schwarze Pinzgauer (Rind). Schade drum. Es ist nichts daraus geworden.

Sie haben den Beruf des Kirchenrestaurators gelernt. Wie sind Sie zur biologischen Landwirtschaft gekommen?

Nun ja, Kirchenrestaurator war ich bis zum 25. Lebensjahr. Dann habe ich Altorientalisitik studiert. Eigentlich wollte ich Sumerologe werden. Da setzt man sich mit den Sumerern und deren Schrift auseinander. Aber ich habe mit Landwirtschaft von Kindesbeinen an etwas zu tun gehabt. Als Kind hatte ich einen eigenen Garten mit Obst und Gemüse. Ich bin an der Schweizer Grenze aufgewachsen. Da wurde, ohne den Begriff des biologischen Landbaus zu kennen, auch so ohne Spritzmittel und Dünger gearbeitet.

Und wie sind Sie auf die Idee gekommen, mit Biolebensmitteln Geld zu verdienen?

Die Idee entstand ursprünglich aus einer wirtschaftlichen Katastrophe heraus.

Und zwar?

Zuerst hatte ich diese soziale Idee. Ich habe ein paar Jahre lang eine Arbeitsgemeinschaft betrieben, bei der ich mit Menschen mit Downsyndrom und Schizophrenen gearbeitet habe. Wir haben damals biologische Lebensmittel über eine Konditorei, eine Bäckerei und ein Restaurant verkauft. Aber diese Rechnung ist nie aufgegangen. Es waren zwar Einnahmen da, aber die Produktivität war vermutlich zu gering. Und nach ein paar Jahren bin ich dann plötzlich mit Schulden wach geworden. Die musste ich dann abtragen.

Wie hoch waren damals die Schulden?

So hoch, dass ich den Betrieb zusperren musste.

Was haben Sie dann gemacht?

Ich hatte einen Freund, der einen Großhandel mit biologischen Lebensmitteln führte. Er meinte, er hilft mir, ich solle auch einen Großhandel in Österreich aufsperren. Das habe ich dann auch gemacht. Die Waren habe ich an Naturkostläden und Reformhäuser verkauft.

Das hat gereicht, um schuldenfrei zu sein?

Nein. Aber damit konnte ich meine Zinsen bedienen. Meine Schulden bezahlen konnte ich erst später. Es muss in den Jahren 1995 oder 1996 gewesen sein, als ich bereits mit der Firma Billa zusammengearbeitet habe.

Der Lebensmittelkonzern Billa stand damals noch im Eigentum von Karl Wlaschek. Mit welcher Idee sind Sie eigentlich zu ihm gegangen?

Die Idee einer biologischen Lebensmittelmarke hatte ich vorher schon zwei, drei Jahre lang im Kopf. Die Zeit damals war schwierig. Viele Bauern haben auf biologischen Landbau umgestellt, Absatz dafür hat es aber keinen gegeben. Es war eine Zeit, in der biologische Lebensmittel etwas Geächtetes waren. In der Wahrnehmung der Gesellschaft war bio etwas Sektenähnliches.

Und Wlaschek war sofort bereit, mit Ihnen Geschäfte zu machen?

Ich war bei Konsum, aber die hatten damals andere Probleme. Dann war ich bei Spar, aber die haben mich für verrückt gehalten. Und dann bin ich halt bei Billa gelandet. Wlaschek hat gesagt: Wenn das Ganze bis Weihnachten etwas ist, dann machen wir weiter. Sonst ist das Projekt gestorben. Anfang Oktober ist das Ganze dann auf den Markt gekommen. Es war von der ersten Sekunde an ein Erfolg.

Wie waren Sie am finanziellen Erfolg beteiligt?

Wlaschek hat mich gefragt, was ich verdienen will. Dann meinte ich, wenn es ein Erfolg ist, bin ich am Umsatz beteiligt. Wenn es kein Erfolg ist, dann gehe ich. Aber im ersten Jahr habe ich sicher mehr Geld reingesteckt, als ich herausbekommen habe.

Wie das?

Ich musste viel reisen, war viel unterwegs. Diese Kosten konnte ich mit dem Großhandel decken. Mit dem habe ich erst nach einem Jahr aufgehört.

Sind Sie mit „Ja! Natürlich“ reich geworden?

Reich?

Ja.

Nein.

Ist es denn verpönt, mit Biolebensmitteln zu Wohlstand zu kommen?

Ich kenne in den USA, England oder Deutschland einige Leute, die damit reich geworden sind. Reich bin ich nicht geworden, aber ich habe ein ziemlich gutes Leben.

Und was machen Sie mit Ihrem Geld?

Das Geld, das ich verdiene, habe ich immer investiert. Etwa in die Marke „Zurück zum Ursprung“, die es jetzt bei Hofer zu kaufen gibt. Mein Geld ist im Großen und Ganzen immer in der Firma geblieben.

Was heißt im Großen und Ganzen?

Ich habe ein Haus gekauft.

Wie hoch waren Ihre Investitionen bei „Zurück zum Ursprung“?

5,5 Millionen Euro. Wir hatten hohe Anfangsinvestitionen. Die hatten wir schon, bevor wir bei Hofer einen Vertrag hatten.

Warum sind Sie eigentlich mit „Zurück zum Ursprung“ zu Hofer gegangen?

Meine Hauptleidenschaft galt immer der Qualität, der ich jeden Verdienst untergeordnet habe. Kennt man sich im Handel aus, ist schnell klar, wo die Grenzen der Qualität liegen. Wenn die Spannen groß sein müssen, muss man bei der Qualität Abstriche in Kauf nehmen. Beim Diskonter habe ich mir gedacht, die haben geringere Spannen, also kann ich mehr in die Qualität gehen. Diese Überlegung ist voll aufgegangen. Wir bezahlen Bauern für Heumilch heute einen Zuschlag von 15 Cent. Und das garantiert bis 31.12.2020. Das gibt es in ganz Europa nicht. Sonst bekommen Bauern zwischen sechs und sieben Cent für Biomilch.

Ist denn die biologische Landwirtschaft nicht mit Preisdruck konfrontiert?

Es wird immer Momente geben, in denen Preisvorstellungen von Produkten nicht eingehalten werden können und Preise daher gesenkt werden müssen. Aber biologische Landwirtschaft, und das kann ich belegen, ist der große Gewinner.

Warum?

Weil die Preiskämpfe gering sind. Daran war ich wohl wesentlich beteiligt. Als wir begonnen haben, haben wir uns gefragt: Was muss ein Bauer haben, um gute Qualität nicht nur einmal, sondern nachhaltig liefern zu können? Um diese Qualität auch zu bekommen, haben wir einfach Preise akzeptiert. Wir haben uns nicht gefragt, wie muss der Preis sein, damit wir im Markt bestehen können.

Kaufen Sie selbst eigentlich auch in normalen Supermärkten ein? Oder essen Sie ausschließlich Biolebensmittel?

Ich esse Biolebensmittel. Aber das tue ich bereits seit dem Jahr 1967. Mit zwei Ausnahmen. Die eine ist Käse. Ich habe eine Leidenschaft für französischen und italienischen Käse. Da sündige ich immer wieder ganz massiv. Und wenn ich Wein trinke, greife ich auch öfter zu nicht biologischen Weinen.

Haben Sie deswegen ein schlechtes Gewissen?

Nein. [ Clemens Fabry]

ZUR PERSON

Werner Lampert (*1946) stammt aus Feldkirch, ist eigentlich gelernter Kirchenrestaurator und in Österreich als Biopionier bekannt. Der Vorarlberger war 1994 für die Einführung der Marke

„Ja! Natürlich“ verantwortlich, die es bis heute bei Rewe zu kaufen gibt.

Später gründete Lampert die Lebensmittelmarke „Zurück zum Ursprung“, die seit 2006 bei Hofer im Regal steht. Lampert ist Vater zweier Töchter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.11.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.