Liessmann: "Geldvermehrung ist mir zuwider"

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Philosoph Konrad Paul Liessmann erklärt der "Presse", warum die Menschen nicht nach Reichtum streben, Geld an sich keinen Wert hat und Rennräder der einzige Luxus sind, den er sich leistet.

Die Presse: Wie würden Sie einem Schüler erklären, womit Sie Geld verdienen?

Konrad Paul Liessmann: Einem Schüler wäre das wohl leicht zu erklären, weil man als Universitätsprofessor eine Art Lehrer ist. Dem Schüler ist wahrscheinlich auch plausibel zu machen, dass es Bildungseinrichtungen wie Schulen und Universitäten bedarf. Meine zweite Einkommensschiene ist die des freien Autors. Da ist es noch einfacher: Man schreibt Bücher und sucht Käufer.

Wäre das einem Erwachsenen denn schwerer zu erklären?

Ich glaube, es wird schwieriger, wenn man jemandem zu erklären versucht, was ein Geisteswissenschaftler macht und warum er dafür bezahlt werden will. Rhetorisch werden am Sonntag ja Künste und Wissenschaften gefeiert, aber sonst werden bei uns ganz andere Aktivitäten honoriert. Da wäre es vielleicht nicht so einfach zu erklären, dass man gut dafür bezahlt werden will, um zu erforschen, was Aristoteles zum Thema Geld gesagt hat.

Würden Sie sich als gut bezahlt bezeichnen?

Ich denke, im internationalen Vergleich ist die Bezahlung in Ordnung. Im Übrigen waren Professorengehälter bis vor Kurzem öffentlich einsehbar. Jetzt werden sie frei vereinbart oder ausgehandelt.

Diskutieren Sie mit Ihren Kollegen über Geld?

Geisteswissenschaftler gehören nicht zu denen, die sich wie Banker jeden Tag die Boni zuraunen, die sie kassiert haben. Denn wir kassieren keine Boni. Unter Kollegen ist Geld kein Thema, nicht zuletzt deshalb, weil die Einkommensunterschiede nicht so eklatant sind. Sehr wohl ein Thema ist es jedoch bei wissenschaftlichen Mitarbeitern – hier entsteht ein hoch qualifiziertes Prekariat, das einer reichen Wissensgesellschaft unwürdig ist.

Inwiefern beschäftigen Sie sich als Philosoph mit Geld?

Ich habe ein sehr ambivalentes Verhältnis zu Geld. Als Philosoph bin ich fasziniert davon. Geld an sich stellt nichts dar, es hat keinen Wert, es repräsentiert nur alle möglichen Werte. Geld funktioniert nur, wenn die Menschen diesem Medium vertrauen. In dem Moment, in dem man kein Vertrauen mehr in eine Währung hat, bricht das System zusammen. Praktisch vertrete ich die Position, dass Leistung anständig bezahlt werden soll. Ich will eigentlich nur für das bezahlt werden, was ich produziere. Es hat mich nie interessiert, durch Geldanlage Geld zu vermehren. Der Sozialcharakter des Investors oder Spekulanten ist mir fremd.

Inwiefern?

Es interessiert mich nicht. Ich beobachte allerdings, dass sich die Wertigkeiten verschieben. Wer an der Börse spekuliert, wird steuerlich und gesellschaftlich bevorzugt. Und jemand, der etwas mit seinen Händen fertigt, wird in allen Aspekten, beim Steuerrecht angefangen, benachteiligt. Ist das nicht ein Hohn auf die immer wieder beschworene Leistungsgesellschaft?

In Österreich werden Aktiengewinne versteuert.

Sie werden aber geringer besteuert als Einkommen durch Arbeit. Ob ich 25 Prozent oder 50 Prozent Steuern zahle, ist doch ein Unterschied – oder?

Auf dem biederen Sparbuch werden die Zinsgewinne ja auch mit 25 Prozent versteuert.

Die gegenwärtigen Sparbuchzinsen sind nach Abzug der Inflation negativ. Es ist absurd, hier von Gewinnen zu reden.

Ist Aktienbesitz moralisch verwerflich?

Nein, überhaupt nicht. Warum auch? Ich habe nur gesagt, dass mich diese Form der Vermögensbildung nicht sonderlich interessiert. Allerdings: Wir haben die Finanzkrise nicht zuletzt aus dem Grund, weil das Verhältnis der virtuellen Vermögen zur realen Produktion in einem eklatanten Missverhältnis steht.

Warum, glauben Sie, ist dieses Missverhältnis entstanden?

Das ist eine Frage, die Sie einem Ökonomen stellen müssen. Durch die Liberalisierung der Finanzmärkte, die ja nicht vom Himmel gefallen ist, ist das nahezu provoziert worden.

Streben die Menschen nicht danach, Geld zu akkumulieren?

Das glaube ich nicht – schon deshalb nicht, weil die meisten Menschen das bisschen, was sie verdienen, für den Lebensunterhalt ausgeben müssen. Wenn, dann streben Menschen nach Formen der Absicherung. Und wie wenig gierig die Menschen sind, zeigte sich auch in den 1990er-Jahren, als man von Banken und Beratern regelrecht dazu gedrängt wurde, vom biederen Sparbuch auf Aktien umzusteigen. Ob ihres konservativen Verhaltens in Gelddingen wurden die Österreicher doch immer verhöhnt – Gier sieht anders aus.

Streben Gesellschaften nicht nach Wohlstand?

Meine These ist, dass die Menschen nicht nach Reichtum streben. Das halte ich für die Ideologie einer schmalen Schicht. Gesellschaften streben nach materieller und sozialer Sicherheit und nach der Möglichkeit, Optionen zu haben. Wenn ich von der Bildung über die Gesundheit alles nur für Geld bekomme, bedeutet das im Umkehrschluss, dass man ohne Geld keine Optionen hat. Eine gewisse Grundsicherung wäre vielleicht eine Grundvoraussetzung, um ein bestimmtes Maß an Partizipationsmöglichkeiten wahrzunehmen.

Das heißt, Sie sprechen sich für ein bedingungsloses Grundeinkommen aus?

Wir sind eine technisch sehr effiziente Gesellschaft, die ungeheure Reichtümer produzieren kann. Da wäre es kein Problem, eine vernünftige Form eines bedingungslosen Grundeinkommens einzuführen.

Aber das würde doch Ihrem Leistungsgedanken widersprechen.

Ich gehe davon aus, dass das bedingungslose Grundeinkommen eine Grundsicherung darstellt. Es soll den Menschen ermöglichen, ihre Lebenskonzepte zu verfolgen, ohne ständig daran denken zu müssen, ob man sich die Heizung noch leisten kann. Dass sich die Menschen dann aufs Faulbett legen, glaube ich nicht – im Grunde arbeiten wir doch gern.

Wann fängt materielle Absicherung, wann Reichtum an?

Materieller Reichtum beginnt dort, wo sich aus der Anhäufung materieller Güter keine zusätzlichen Optionen mehr ergeben. Und Armut ist dann gegeben, wenn die unmittelbaren Lebensbedürfnisse überhaupt nicht mehr oder nicht ohne Not befriedigt werden können.

Warum versuchen sich die Menschen durch Besitz abzugrenzen?

Wir leben in einer materiell orientierten Kultur. Reichtum ist eine einfache Möglichkeit, um sich abzugrenzen. Statussymbole funktionieren oft über materielle Güter. Die Zeiten, als man sich abgrenzen konnte, indem man Ovid im Original zitieren konnte, sind vorbei. Heute machte man sich damit höchstens lächerlich.

Denken Sie nie darüber nach, was Sie mit Ihrem Geld machen können?

Eigentlich nicht. Vielleicht zahlt es sich bei einem Professorengehalt auch gar nicht aus, darüber nachzudenken. Es ist mir zuwider, mir den Kopf darüber zu zerbrechen, wie ich Geld vermehren kann. Wie kann man aus 1000 Euro 1002 Euro machen? Gibt es bei dieser Bank 1,0 oder 1,05 Prozent Zinsen? Ich mache niemandem einen Vorwurf, der sich stundenlang, vielleicht ein ganzes Leben darüber Gedanken macht, aber in meinem Leben– und ich habe nur eines– gibt es interessantere Dinge, als Aktienkurse und Zinsangebote zu vergleichen.

Aber gibt es etwas, wofür Sie gern Geld ausgeben?

Natürlich. Gerade weil ich Geld nicht anlege, gebe ich es gern aus. Für Bücher zum Beispiel. Oder für Rennräder. Das ist der einzige Luxus, den ich mir leiste: ein Rad zu fahren, das so viel kostet wie ein Auto. [ Fabry ]

ZUR PERSON

Konrad Paul Liessmann (*1953) studierte Germanistik, Geschichte und Philosophie und zählt heute zu den bekanntesten österreichischen Philosophen. Er ist Autor zahlreicher Bücher. Seit 1996 ist er wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2014)

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