Henckel-Donnersmarck: "Erstem Bettler am Tag gebe ich was"

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Altabt Gregor Henckel-Donnersmarck erzählt der "Presse", wie er vom Manager zum Geistlichen wurde, warum arme Witwen oft mehr geben und Milliardär Bill Gates mit seinem Reichtum verantwortungsvoll umgeht.

Die Presse: In Ihrem neuen Buch geht es um Reichtum. Sie versuchen darzulegen, dass man reich sein und ein gottgefälliges Leben führen kann. Zweifelt daran jemand?

Gregor Henckel-Donnersmarck: Im Neuen Testament steht der Satz: Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon. Dort, wo Geld zum Selbstzweck wird, wo es über den Menschen herrscht, ist es nicht mit einem gottgefälligen Leben vereinbar. Momentan gibt es in der Wirtschaft ein Klima negativer Entwicklungen. Schuld sind falsche Strukturen und kriminelle Verhaltensweisen. Denken Sie an Bernard Madoff, der mit einem Schneeballsystem Katastrophen verursacht hat. In meinem Buch versuche ich, für eine Neuorientierung der Wirtschaft einzutreten und zu zeigen, dass Wirtschaft nicht diabolisch und verrottet sein muss. Es liegt immer an den Menschen.

Ist Gewinn etwas Verwerfliches?

Wenn er mit verbrecherischen Mitteln erzielt wird, kann er nicht gutgeheißen werden. Wenn er aber unter der Voraussetzung eines moralischen Bewusstseins entstanden ist, dann ist er in Ordnung. Werden die Gewinne sehr groß, entsteht eine zweite Verantwortung: mit diesem Gewinn kultiviert umzugehen.

Wie macht man das?

Bill Gates hat ein großes Vermögen in seine Stiftung eingebracht. Ich bin zwar nicht mit allen seinen Zielen einverstanden, weil er auch Projekte im Bereich der Geburtenkontrolle und Familienplanung finanziert, die nicht im Einklang mit der katholischen Lehre stehen. Aber es gibt viele andere gute Projekte. Das halte ich für einen verantwortungsvollen Umgang mit Reichtum.

Bill Gates ist für Sie ein positives, Bernard Madoff ein negatives Beispiel. Wo ist die Grenze?

Das ist eine Frage des Gewissens. Ich kann nicht überprüfen, ob Gates in all seinen Geschäftsphasen moralisch gehandelt hat. Aber bei Madoff war es von vornherein ein unmoralisches Geschäft. Er ist dafür auch ins Gefängnis gekommen. Das ist ein großer Unterschied.

Ab welcher Vermögensgröße entsteht die Verpflichtung, etwas für das Gemeinwohl zu leisten?

Es gibt da dieses Erlebnis Jesu Christi im Neuen Testament. Er sitzt im Tempel, und viele gehen an ihm vorbei. Dann kommt eine arme Witwe und wirft eine Spende ein. Christus sagt, diese arme Witwe hat am meisten getan, weil sie sich vom Lebensnotwendigen etwas abgespart hat. Ich würde sagen, das Einkommen, das so klein wäre, dass man nicht spenden kann, gibt es nicht. Ich habe ein paar Jahre die päpstlichen Missionswerke geleitet. Wir sind nicht mit großen Schecks von Reichen bedacht worden, sondern mit Spenden von tausenden armen Witwen.

Wie viel Almosen soll man geben?

Es gibt Menschen, die nichts haben. Von denen kann man kein Almosen erwarten. Es gibt ein interessantes Wort von Papst Franziskus: Er sagt, wenn ein Almosen dem Geber nicht wehtut, ist es ihm verdächtig. Die Schmerzgrenze liegt für einen Vermögenden woanders als für jemanden, der wenig hat. Aber es gibt kein Patentrezept dafür, wie viel man geben soll. Ich gebe immer dem ersten Bettler am Tag ein Almosen.

Dem zweiten und dem dritten Bettler geben Sie nichts?

Da kann ich Ihnen eine schöne Geschichte erzählen: Ich habe vor vielen Jahren einmal meinen Bruder in New York besucht. „Please give me a dollar“, hat ein Bettler zu mir gesagt. Also gab ich ihm einen Dollar. Eine Ecke weiter stand erneut ein Bettler. Ich sagte ihm: „Ich habe gerade Ihrem Kollegen etwas gegeben, ich kann das nur einmal am Tag, ich hoffe, Sie verstehen das.“ Der sagte darauf: „Oh, das ist ja eine sehr interessante Rechtssache, ich werde das an meinen Anwalt weiterleiten, Sie werden von ihm hören.“ Daraufhin habe ich ihm fünf Dollar gegeben. Erstens, weil ich die Antwort originell fand, und zweitens, weil ich gemerkt habe, der Bettler ist kein ungebildeter Sandler. Der war wahrscheinlich einmal reich und ist durch eine Verkettung unglücklicher Umstände zum Bettler geworden. Das kann sehr schnell gehen.

Mit Ihrem Buch kehren Sie zu Ihren Ursprüngen zurück. Vor ihrem Eintritt ins Kloster waren Sie Manager beim Logistikunternehmen Schenker.

Ich bin nicht aus Verzweiflung ins Kloster gegangen. Ich komme aus einer gut katholischen Familie. Trotzdem hatte ich mit 20 Jahren nach dem Bundesheer keineswegs das Gefühl, ich sollte Priester oder Ordensmann werden. Obwohl dann nachher alle gesagt haben: „Dass du einmal Pfarrer wirst, haben wir eh gewusst.“ Ich habe Welthandel studiert, weil ich einen interessanten wirtschaftlichen Beruf ergreifen wollte.

Warum haben Sie das aufgegeben?

Es war eine Frage des Defizits. Ich hatte das Gefühl, dass ich während des Berufs wenig Zeit für das religiöse Leben hatte. Ich habe spirituell unter meinem Level gelebt. Ich war unverheiratet, also konnte ich frei entscheiden. Der zweite Grund war nicht nur das Defizit, sondern der Überschuss: Egal, ob nach der Aufsichtsratssitzung oder nach dem Skifahren: Es wurde immer über Glaube, Kirche, Religion gesprochen. Ich habe mich gefragt, woher das kommt. Der letzte Grund war die Solidarität zu Papst Paul VI. Er wurde nicht gerade sanft von der Öffentlichkeit behandelt. Ich habe das Gefühl gehabt, ich stehe zu ihm.

Bei Schenker wird man nicht begeistert gewesen sein, oder?

Ich habe meinen Aufsichtsratsvorsitzenden in Frankfurt angerufen. Er sagte: „Sind Sie wahnsinnig? Bei Ihnen piept es wohl nicht richtig.“ Der Herr war temperamentvoll, aber ein westfälischer Katholik. Fünf Jahre später ist er dann zu meiner Primiz gekommen. Aber natürlich gab es am Anfang Ratlosigkeit. Selbst die Revision wurde nach Spanien geschickt, um zu sehen, ob es Unregelmäßigkeiten gibt. Viele haben damals den Kopf geschüttelt. Aber wenn ich es den Leuten erklärt habe, haben sie es verstanden.

Welche Abstriche müssen Sie im Gegensatz zu früher machen?

Ich habe kein eigenes Vermögen und bin zum Gehorsam gegenüber dem Oberen verpflichtet. Ich habe nicht geheiratet und keine Familie. Das ist vielleicht das schwerste Opfer.

Was haben Sie mit dem Geld gemacht, das sie vorher verdient haben?

Ich habe aufgebraucht, was ich verdient habe. Die kleinen Ersparnisse, die ich hatte, habe ich verschenkt. In Heiligenkreuz habe ich dann von dem Geld, das ich aus der Pensionskasse bekommen hatte, einheitliche Messgewänder gekauft. Die gab es vorher nicht, es sah ein bisschen wie auf einem Gschnas aus, weil jeder völlig anders angezogen war.

Wie funktioniert das im Kloster, wenn man Geld braucht?

Man geht zum Oberen und bittet um das, was man benötigt. Ich würde sagen, das wird großzügig und vernünftig gewährleistet. Ich habe das Gefühl, dass die Leute, die ins Koster gehen, sich der Bescheidenheit bewusst sind und sich bemühen, nicht sinnlos zu konsumieren. Trotzdem sind die Menschen verschieden, auch im Kloster. Schon der heilige Benedikt sagte: Der, der weniger braucht, soll Gott preisen, dass er ihm diese Gabe geschenkt hat. Und der, der mehr braucht, soll demütig sein, weil er mehr braucht.

Wenn etwa jemand gern in die Oper geht, ist das möglich?

Selbstverständlich. Wenn jemand zwei-, dreimal im Jahr geht. Wenn jemand wöchentlich geht, wird man sagen: „Brems dich ein.“ [ Katrin Bruder ]

ZUR PERSON

Gregor Ulrich Henckel-Donnersmarck (*1943) studierte Welthandel und begann 1970, beim Logistikunternehmen Schenker zu arbeiten. 1973 stieg er zum Geschäftsführer der spanischen Niederlassung auf. 1977 folgte der Eintritt in das Zisterzienserkloster Heiligenkreuz, wo er 1999 zum Abt des Stiftes gewählt wurde. 2011 beendete er seine Amtszeit. Vor Kurzem erschien sein Buch „Reich werden auf die gute Art. Vermögenstipps eines Geistlichen“ im Verlag edition a.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.03.2014)

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