Nomaden, Ziegen und ein Tiroler

Bei Ezio Foradori verkauft der 24-jährige Matthias Gebauer Kleidungsstücke aus mongolischem Kaschmir in den verschiedensten Farben und Größen.
Bei Ezio Foradori verkauft der 24-jährige Matthias Gebauer Kleidungsstücke aus mongolischem Kaschmir in den verschiedensten Farben und Größen. (c) Clemens Fabry
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Die Kaschmir-Handlung Ezio Foradori möchte die Lebensgrundlage von Hirten in der Mongolei sichern. Die Geschichte einer mongolisch-tirolerischen Freundschaft.

Die Kaschmirziege ist ein sonderbares Tier. Am liebsten hat sie es kalt – extrem kalt sogar. Die optimalen Bedingungen sind Temperaturen von minus 30 bis minus 50 Grad. In Mitteleuropa ist die Zucht gar nicht möglich. Zwar sind die wertvollen Tiere auf den ersten Blick nicht mehr oder weniger beschaulich, als die bei uns bekannte gewöhnliche Hausziege. Was sie aber besonders macht, ist ihre Unterwolle, besonders jene auf den Bäuchen.

Matthias Gebauer hat bereits die Bekanntschaft der einen oder anderen Kaschmirziege gemacht. Erst vor Kurzem ist er von einer Reise in die Mongolei zurückgekommen, wo für sein Unternehmen, Ezio Foradori, ein Imagevideo gedreht wurde.

Seit einem Jahr handelt der erst 24-Jährige mit Kaschmirprodukten. Diese gibt es zum einen über einen Online-Shop, zum anderen im Geschäft im dritten Wiener Gemeindebezirk zu kaufen. Das Besondere an Gehbauers Unternehmen: „Unser Kaschmir kommt direkt von den mongolischen Nomaden“, sagt der Geschäftsführer. Die Wandervölker ziehen mit ihren Herden in der Berglandschaft umher, einmal im Jahr kämmen sie den Tieren die Unterwolle am Bauch händisch aus. „Darum ist Kaschmir ja so teuer“, erklärt Gebauer. „Für einen normalen Pullover braucht man die Wolle von drei bis vier Ziegen.“

Zusammenarbeit mit Hirten. Nachdem die Unterwolle von den Nomaden entfernt wurde, wird sie von Lieferanten abgeholt und zu einer Waschungs- und Enthaarungsfabirk gebracht. Dort wird sie auch nach Farben sortiert. Anschließend kommt der Kaschmir in die Spinnerei, wird dann verarbeitet und nach Österreich geschickt. Um das alles möglich zu machen, arbeitet Gebauer mit den Einheimischen zusammen. Sein Freund Enkhsekhan kümmert sich um den Kontakt zu den mongolischen Nomaden und den Fabriken vor Ort. „Für uns beide ist der Nachhaltigkeitsgedanke besonders zentral“, sagt Gebauer. In der Mongolei gibt es eine starke Landflucht, viele Menschen zieht es in die Stadt. „Darum ist es uns wichtig, die Hirten auch wirklich zu unterstützen.“

Aber was fängt ein mongolischer Nomade mit Geld an? „Ein paar Dinge müssen auch die Nomaden hin und wieder kaufen“, meint Gebauer. „Aber es stimmt – wenn man bei ihnen zu Besuch ist, freuen sie sich über Geld überhaupt nicht. Da bringt man besser Kekse oder Alkohol mit.“ Als Dank dafür bekommt man dann schon einmal eine Portion Hammelfleisch serviert. Ein Gericht, mit dem sich Gebauer noch nicht so recht angefreundet hat.

Er selbst ist gebürtiger Tiroler. Ein 24-jähriger Tiroler, der in Wien Kleidungsstücke aus mongolischem Kaschmir verkauft, wohlgemerkt. So recht geplant war dieser Werdegang nicht. Gebauer war 2011 aus Innsbruck nach Wien gekommen, um Jus zu studieren. Mittlerweile fehlt ihm noch eine Prüfung, doch die Aussicht, ausschließlich als Jurist tätig zu sein, gefällt ihm nicht. Viel mehr scheint er in die Fußstapfen seines Vaters zu treten. Dieser ist Inhaber des Textilunternehmens Tiroler Loden und war einer der Ersten, der Loden aus Kaschmir anfertigte. Bei seinen Reisen in die Mongolei freundete er sich mit Enkhsekhan an, der von der Idee, mongolische Kaschmirprodukte in Österreich zu verkaufen, begeistert war. Der beste Freund des Vaters wurde also kurzerhand zum Geschäftspartner des Sohnes.

Gebauer junior fand die Idee, sich selbstständig zu machen, von Anfang an interessant, stellte sie doch eine Alternative zur ungeliebten Juristerei dar. Allerdings gibt er zu, zunächst wenig Ahnung von Geschäftsführung gehabt zu haben. Zwar besuchte er einen Buchhaltungskurs, doch rückblickend betrachtet muss Gebauer eingestehen: „Ich habe am Anfang schon einige Fehler gemacht, doch man lernt dazu, und es läuft immer besser.“ Und der Kaschmir, davon ist er überzeugt, wirbt für sich selbst. „Wenn du einmal einen Kaschmir-Pullover angehabt hast, willst du nie wieder etwas anderes tragen“, sagt er. Muss man angeblich auch nicht, da die Faser extrem langlebig und widerstandsfähig ist, sofern man sie nicht zu oft wäscht. Für Notfälle bietet Ezio Foradori aber auch ein Reparaturservice für sämtliche Kleidungsstücke an.

Kuschelige Atmosphäre. Im Geschäft in der Wassergasse gibt es nämlich nicht nur Pullover zu kaufen. Auch Hauben, Handschuhe, Schals und andere kuschelige Bekleidungsutensilien können die Kunden hier erwerben. Zum Einkauf serviert der Geschäftsführer persönlich eine Tasse Kaffee. Gebauer legt viel Wert auf eine entspannte Shoppingatmosphäre. Daher sei auch noch nie ein Stück zurückgegeben worden. Alle Kleidungsstücke sind auf Wunsch auch als Maßanfertigung erhältlich, sogar ein Hochzeitskleid aus Kaschmir soll schon einmal bestellt worden sein.

Kaschmir

Herkunft. Die Wolle stammt von der Kaschmirziege, einem Phänotyp der bekannten Hausziege. Unter den richtigen Bedingungen, dazu zählen vor allem Temperaturen von maximal minus 30 Grad, entwickelt sie eine Unterwolle mit einem durchschnittlichen Haardurchmesser von 19 Mikrometern. Die Ziege ist im Himalaya- und im Pamirgebiet heimisch. Pro Jahr können pro Tier zwischen 150 und 200 Gramm Wolle gewonnen werden.

Herstellung. Nachdem den Schafen die Wolle ausgekämmt wurde, muss sie gewaschen, gefiltert und nach Farben sortiert werden. Dann wird sie in einer Spinnerei zu einer Art Garn verarbeitet, aus dem die Kleidungsstücke gemacht werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2016)

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